Szene
Koloniale Raubkunst: Wie weit soll Restitution gehen?
Durch die Eröffnung des Ethnologischen Museums in Berlin bekam der Diskurs um die "Raubkunst" neues Feuer. Gerald Matt warnt vor "blindem Aktivismus".
Die Debatten um die Rückgabe von in der Kolonialzeit geraubten Kunst- und Kultgegenständen wurden durch die Eröffnung eines neuen Teils des Humboldt Forum in Berlin, des Ethnologischen Museums, weiter angeheizt.
Die Benin Bronzen
Besondere Aufmerksamkeit erzielten dabei die Benin-Bronzen, die einst von den Briten 1897 im Rahmen eines Kriegszuges gegen das Königreich Benin erbeutet wurden. Dabei geht es um Fragen des rechtmäßigen (Kauf, gutgläubiger Erwerb) bzw. unrechtmäßigen Erwerbs (Raub), um die Beweislage nach Ablauf langer Zeiträume und um die Frage, an wen und unter welchen Voraussetzungen Objekte retourniert werden sollen.
Rechtmäßiger Besitzer unklar
Wer ist der Rechtsnachfolger, etwa im Falle der Benin-Statuen? Der damals nicht existierende Staat Nigeria, auf dessen Territorium sich heute das ehemalige Königreich befindet, oder die Nachkommen des damaligen Königs, in dessen Eigentum sich die Statuen befanden? Können Objekte an Staaten retourniert werden, die diese nicht erhalten wollen (im Extremfall Zerstörung durch die Taliban) oder nicht erhalten können?
Transportprobleme von Artefakten
Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass es bis zur Haager Landkriegsordnung 1899 legitim und das unbestrittene Recht des Siegers war, Kriegsbeute zu nehmen und Restitutionen ohne zeitliche Beschränkung (gar bis zur Römerzeit) weder sinnvoll noch möglich wären. Die jüngst wieder geforderte Rückgabe der aztekischen Federkrone im Wiener Weltmuseum scheiterte letztlich daran, dass sie den Transport nicht überleben würde.
Was ist moralisch vertretbar?
Richtig und vorbildlich waren die Restitutionen menschlicher Überreste aus dem Wiener Weltmuseum oder dem Naturhistorischen Museum, die belegbar durch Grabraub entwendet worden waren. Die Lösung kann jedoch nicht die Rückgabe sämtlicher, auch rechtmäßig erworbener kolonialer Objekte sein, wie manche dies in einem blinden moralischen Aktivismus fordern. Denn letztlich käme diese Separierung von Kulturen einem Akt "musealer Rassentrennung", einer ethnischen Säuberung aller westlichen Museen gleich.
Gefordert sind überlegte Herangehensweisen, wie etwa jene des MET-Direktors Max Hollein, der die abwertende Trennung "ethnologischer" Objekte und westlicher Kunst im Museum infrage stellt.
(Buchempfehlung: Pia Schölnberger: "Das Museum im kolonialen Kontext")