"Nicht nur Fußball verlernt"

Kern geht auf Deutsche los: "Sicherungen durchgebrannt"

Alt-Kanzler Christian Kern attackiert die deutsche Politik frontal, warnt vor einem Desaster: "Gefahr in Verzug, haben [...] bestenfalls noch Wochen."

Roman Palman
Kern geht auf Deutsche los: "Sicherungen durchgebrannt"
Christian Kern war von Mai 2016 bis Dezember 2017 Bundeskanzler (SPÖ) in Österreich.
HEUTE / Helmut Graf

Nach ÖBB, SPÖ und Bundeskanzleramt ist Alt-Kanzler Christian Kern (57) wieder als Manager aktiv. In Deutschland ist er Aufsichtsratschef eines Herstellers von Spezialglas für die Solar-Industrie. In einem Gastbeitrag in der deutschen "Bild"-Zeitung schlägt er nun Alarm vor einem nahenden Kollaps des deutschen Wirtschaftsmotors, der ganz Europa in die Krise stürzen könnte.

"Ich sehe die Entwicklung in Deutschland mit großem Bedauern – als Ex-Politiker und als Aufsichtsratschef eines hoch spezialisierten deutschen Unternehmens. Man hat das Gefühl, dass die Deutschen nicht nur das Fußballspielen verlernt haben", beklagt er die schädliche Pimperl-Politik der Deutschen in Sachen Energiewende. 

"Zukunftschancen werden verspielt"

"Man hätte über mehr als ein Jahrzehnt zu besten Zinskonditionen das Land und seine Infrastruktur bei Verkehr, Bahn, Telekommunikation und Bildung zukunftsfähig machen können. Das ist nicht geschehen und sollte nun auf einen Schlag nachgeholt werden. Offensichtlich scheitert das gerade grandios. Es scheint, als seien alle Sicherungen durchgebrannt: Die Zukunftschancen und Zukunftsjobs werden verspielt."

Das deutsche Problem werde am Ende aber eines für ganz Europa – und somit auch für Österreich: "Wer in Europa glaubt, das sei nur ein deutsches Problem, der irrt gewaltig: Das deutsche Problem ist ein Europa-Problem. Deutschland ist die Lokomotive, die nicht ausfallen darf", so der frühere Bundesbahnen-Boss.

Asiatische Produzenten verramschen ihre Überkapazitäten in Deutschland und Europa und würgen damit die heimische Industrie ab.
Christian Kern
Alt-Kanzler (SPÖ) und Manager

Der Spezialglashersteller, in dessen Aufsichtsrat er sitze, sei Marktführer, produziere mit 350 Mitarbeitern ebenso viele Tonnen Solar-Glas täglich, sagt Kern. Dennoch fürchtet er das Ende der Industrie nahen: "In Norwegen und anderen europäischen Staaten machen die ersten Hersteller dicht. Es droht ein Dominoeffekt in ganz Europa."

Den Wirtschaftsstandort absichern würden nur Strafzölle auf Billig-Paneele aus China, wie sie die USA und Indien bereits einheben, die EU aber nicht, so der frühere Regierungschef weiter. "Der Effekt ist: Asiatische Produzenten verramschen ihre Überkapazitäten in Deutschland und Europa und würgen damit die heimische Industrie ab."

Abhängigkeit verhindern

Seit zwei Jahren nunmehr lobbyiere er dafür, dass die Frage der Herkunft der Paneele in die hiesige Förderpolitik einbezogen werde: "Solar-Industrie ist der billigste Weg, Strom zu erzeugen. Und sie funktioniert weitgehend ohne Subventionen."

Gefahr ist in Verzug, wir haben keine Jahre mehr, um das Notwendige zu tun, sondern bestenfalls noch Wochen.
Christian Kern
Alt-Kanzler (SPÖ) und Manager

"Es geht nicht um dauerhafte oder hohe Staatszuschüsse, es geht um ein faires politisches Konzept, das Investitionssicherheit schafft, das dafür Sicherheit trägt, dass wir in Europa nicht noch weiter technologisch in Abhängigkeit geraten. Bei der Energie haben wir diesen Fehler gemacht. Bei den Zukunftstechnologien macht ihn Deutschland wieder."

Die Aussichten, die Kern zeichnet, sind düster: "Jetzt droht die gesamte deutsche Solarbranche in einem großen schwarzen Loch zu verschwinden. Statt Zukunftsbranchen und Zukunftsarbeitsplätze aufzubauen, wird das, was da ist auch noch abgewrackt. Gefahr ist in Verzug, wir haben keine Jahre mehr, um das Notwendige zu tun, sondern bestenfalls noch Wochen. Da kommt das Desaster in Deutschland zur Unzeit!"

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    21.12.2014: Magdeburg-Terrorist war bekannter Anti-Islam-Aktivist. Der mutmaßliche Täter des Anschlags von Magdeburg erhob schwere Vorwürfe gegen Deutschland und unterstützte Frauen, die aus Saudi-Arabien flüchteten.
    REUTERS
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    Akt.