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Kein Geld für die Wohnung: 25-Jähriger lebt im Zug
Seit Anfang des Jahres fährt Eric Hoffmann mehrere tausend Kilometer, um sich die Wohnungsmiete zu sparen. Der Bahn-Nomade im Interview.
Der Wohnungsmarkt in Großstädten kann die reine Hölle sein – überteuerte Mietpreise und Massenbesichtigungen sind jedoch nur die Tore zur Vorhölle. Richtig schlimm wird es, wenn man auch nach ewiger Suche keine Bleibe findet.
So erging es auch dem 25-jährigen Eric Hoffman: Nach der Zusage für seine Traumstelle als Videospielredakteur in München, fand er keine Wohnung. Aus der Not heraus beschloss er deshalb, einfach im Zug zu leben. Hier schildert er, wie das ist.
Wie sieht Ihre momentane Situation aus? Was machen Sie?
Ich habe vom ersten Januar bis zum 31. Mai im Zug gewohnt, dann einen Monat ohne BahnCard bei einem Freund in München gelebt und in der Zeit leider immer noch keine Wohnung gefunden. Seit dem ersten Juli besitze ich nun wieder eine BahnCard 100 für die erste Klasse und fahre damit durch die Gegend. Ende Juli wurde mir aber leider gekündigt.
Wieso haben Sie sich überhaupt für diese Wohnumstände entschieden?
Damals, als ich noch Kommunikationstrainer im Saarland war, wollte ich mal für ein bis zwei Monate mit meiner vorhandenen BahnCard 100 im Zug wohnen. Einfach, um mal aus dem Alltag herauszukommen. Im Februar bekam ich dann ein Jobangebot in meiner liebsten Videospielredaktion in München. Daraufhin habe ich sofort den alten Job gekündigt, um meinem Traum nachzueifern – aber keine bezahlbare Wohnung gefunden. Da ich das Leben im Zug kannte, dachte ich mir, im Notfall mache ich das einfach weiterhin.
Was war denn der Auslöser dafür, dass Sie in den Medien bekannt wurden? Hat sich was durch die Aufmerksamkeit für Sie geändert?
Die «TZ München» hat einen Bericht auf der Titelseite über mich veröffentlicht. Danach riefen mich diverse TV-Sender an. Verändert hat sich jedoch nichts, es gab keine seriösen Angebote, weder für Jobs noch Wohnungen. Aber die Honorare für TV-Produktionen ernähren mich nun seit Juni – auch ohne festen Job.
Wie sieht ein typischer Tag für Sie aus? Fahren Sie die meiste Zeit einfach rum?
Tagsüber entscheide ich immer spontan, manchmal fahre ich an die Nordsee und weiter nach Sylt, manchmal kurz nach Berlin zum Frühstücken, oder auch einfach direkt nach Frankfurt zurück. Die meiste Zeit des Tages fahre ich im Prinzip im Kreis, das sind so 1000 bis 2000 Kilometer pro Tag. An den größten Bahnhöfen wie Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt steige ich aus, mache Pause in der Lounge der Deutschen Bahn, esse und trinke etwas und plane meine Weiterfahrt.
Wo duschen Sie? Und wo bewahren all Ihre Sachen auf?
Mindestens zwei Mal die Woche fahre ich ans Meer. Entweder wasche ich mich in der Nordsee oder nutze die Strandduschen. Ansonsten dusche ich für umgerechnet acht Franken im WC-Center an großen Bahnhöfen.
In meinem Rucksack ist alles, was ich besitze: iPad, iPhone, Kopfhörer und Ladekabel. Ansonsten habe ich einige Shirts und Unterwäsche sowie meine Zahnbürste immer dabei. Bei meinem Papa im Saarland sind einige Klamotten untergestellt, sonst habe ich meinen gesamten Besitz verkauft.
Fehlt nicht manchmal die Privatsphäre? Was machen sie, wenn die anderen Menschen nerven?
Also Privatsphäre habe ich schon. Oftmals sitze oder liege ich für sechs bis acht Stunden völlig alleine in den Abteilen. Wenn ich wirklich meine Ruhe will, kenne ich so einige Verbindungen, durch die ich hundertprozentig mehrere Stunden alleine im Abteil fahren kann. Länger als weitere ein bis zwei Jahre könnte ich das alles aber wohl nicht machen.
Was bedeutet Zuhause für Sie?
Ich fühle mich tatsächlich überall in Deutschland zuhause, wo ein Zug hinfährt. Die Züge, egal ob ICE oder Regionalzug, sind mir so vertraut wie meine Wohnung früher. Auch die DB Lounges sind mein Wohnzimmer. Zuhause ist für mich kein fester Ort, sondern ein Gefühl der Vertrautheit – und das habe ich überall in Deutschland, wenn ich ständig herumfahre.
Kennen Sie andere Leute, die auch im Zug leben?
Also es gibt da einen Typen, der sammelt Pfandflaschen für seine BahnCard. Er wohnt im Zug und trinkt dann den ganzen Tag Bier in der Lounge der ersten Klasse. Mittlerweile kenne ich aber viele Leute, die zwar nicht im Zug übernachten, aber einfach aus Spass in ihrer Freizeit herumfahren. Ein Bekannter fährt seit 18 Jahren im Kreis und feierte im März seine sechs Millionen Kilometer in der Zuglounge.
Haben Sie konkrete Zukunftspläne? Wie sehen die aus?
Seit Anfang 2017 schreibe ich an einem Buch über mein Leben im Zug. Ansonsten weiss ich, dass ich auf keinen Fall in meinen alten Beruf zurück will. Ich versuche halt irgendwie durch die mediale Aufmerksamkeit jetzt was daraus zu machen. Was genau? Keine Ahnung. Ich schaue einfach, was sich entwickelt und bleibe optimistisch. Ich könnte mir beispielsweise einen Home-Office-Job vorstellen, bei dem ich im Prinzip nur im Zug arbeite und herumfahre, aber abends in einer normalen Wohnung übernachten kann. Die Mobilität ist ein Teil von mir geworden und die mag nicht mehr missen. (red)