Österreich

Kein Geld für Jause: Schüler müssen altes Dürüm essen

Immer mehr Familien in Österreich können ihre Kinder nicht mehr richtig ernähren. Wie ernst die Situation ist, teilt der "Wiener Alltagspoet."

Sandra Kartik
Immer mehr Familien fehlt das Geld für Lebensmittel. Ihre Kinder haben oft keine Jause mit oder nur eine ungesunde.
Immer mehr Familien fehlt das Geld für Lebensmittel. Ihre Kinder haben oft keine Jause mit oder nur eine ungesunde.
Getty Images (Symbol)

Mit seinem "Burger-Gate" entfachte Kanzler Karl Nehammer ungewollt eine längst fällige Debatte: Viele Kinder bekommen daheim zu wenig zum Essen. Ihre Familien können sich wegen der Teuerungen oft keine Jause mehr leisten, Obst und Gemüse kann nur selten bis gar nicht gekauft werden. Es besteht dringender Handlungsbedarf.

Der "Wiener Alltagspoet" Andreas Rainer, der auf Instagram sonst Humoriges aus dem Alltag in der Hauptstadt teilt, machte bei dem Thema nun Ernst: Er rief zu einer Spendenaktion für armutsbetroffene Familien auf und bat um 1.000 Euro. In Rekordzeit sammelte er nun aber fast 45.000 Euro. Die Schicksale Betroffener, die sich ihm offenbarten, bewegten den Wiener dazu.

Schwestern müssen sich Unterhose teilen

Eine Lehrerin einer Mittelschule in Tirol, "einer sogenannten Brennpunkt-Schule", berichtet aus ihrem bedrückenden Alltag: "Ich unterrichte Kinder, die sich mit zehn Jahren schon um ihre kleinen Geschwister kümmern müssen, sie morgens in die Volksschule bringen, sich deren und die eigene Jause selbst richten müssen. Kalter Dürüm vom Vortag, ein Sackerl Chips, eine leere Semmel, oft gar nichts. Kinder, die einen Pullover haben und von deren Klassenkameraden gehänselt werden."

Eine Pädagogin aus Wien erzählt ebenfalls von großer Verzweiflung wegen der Teuerungen: "Ich hab ein Kind in der Klasse, das muss sich mit ihrer Schwester die Unterhose teilen, sie hat ganz oft keine an. Sie hat oft nur eine leere Semmel als Jause mit, wenn überhaupt." Besonders bedrückend ist die Lebenssituation eines Buben, den sie unterrichtet: "Ein anderer Schüler von mir hat mit seinen fünf kleinen Geschwistern am Boden geschlafen, oft auch am Gang im Haus, damit die Mutter drinnen Männer empfangen konnte, um ein bissl Geld zu bekommen."

Hungrige Kinder plündern Jausenboxen

Leider ist der akute Geldmangel kein Einzelfall. "Die Schüler meiner Schwester hatten zum Ausflug im Juni 1,2 bis 2 Euro mit. Uns sind beim Billa durch die Regale geschlendert und haben geschaut, was sie sich darum kaufen können... traurig", so eine Wienerin. "Es gibt auch Kinder, die gar keine Jause mitnehmen. Sie überspielen es mit, sie hätten keinen Hunger!"

Eine Mutter aus Wien kennt das auch: "Ich habe meinem Sohn in der Mittelschule zwei Jahre lang immer eine doppelte Jause eingepackt, seine Sitznachbarin hatte nie etwas zum Essen mit! Auf die Frage, ob ihre Mama immer vergessen würde, hat mein Sohn gesagt: Nein, Mama, sie hat fünf Geschwister und die Mama schafft es nicht für alle zu machen. Mir schossen die Tränen ins Gesicht." Eine Pädagogin aus Wien-Simmering schildert: "Eine meiner Schülerinnen hatte nur eine Banane für einen kompletten Schultag dabei, weil sie von ihrer Sozialarbeiterin in der WG nicht mehr kriegt. Das ist nicht nur einmal passiert und absolut kein Einzelfall. Mein Pädagoginnen-Herz blutet."

In einer anderen Schule geht der Hunger vieler Schüler noch einen Schritt weiter: "Bei uns kommen viele Kinder schon in der Früh hungrig in die Schule und haben keine Jause mit. Es gibt kein Schulbuffet und auch kein Mittagessen für diese Kinder." Das hat zur Folge, dass Schüler, die einen Snack mithaben, ihn hüten müssen. "Es gibt Kinder, die ihre Jausenbox mitnehmen, wenn sie zu mir in Beratung kommen. Sie wissen, wenn sie die alleine in der Klasse lassen, sie nachher leer ist, weil andere Schüler sie in ihrer Verzweiflung aufgegessen haben."

Obst und Gemüse neue "Luxusgüter"

Besonders gesundes Essen ist inzwischen für viele Familien unleistbar, sagt eine Sozialberaterin. "Tagtäglich kommen Menschen zu mir und erzählen, dass sie schon längst auf 'Luxusgüter' wie Obst und Gemüse für sich und ihre Kinder verzichten müssen, weil sie sich das nicht leisten können."

Der Mangel beginnt für einige sogar noch früher. "Bei uns ist es schon im Kindergarten so, dass viele Kinder vor allem zum Monatsende oft keine, oder nur sehr wenig Jause mithaben. Wir bieten dann Obstteller an, weil wir wissen, dass die Kinder zu Hause kaum frisches Obst bekommen und ganz heiß darauf sind. Und ich arbeite nicht in einem Brennpunkt-Kindergarten."

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