Wirtschaft
"Kaum produktiv" Firmen verbieten Homeoffice am Freitag
Freitag zählt zu den beliebtesten Homeoffice-Tagen, was für Firmen zum Problem wird. Die Angestellten würden vor dem Wochenende vermehrt tachinieren.
Wer Homeoffice machen darf, wählt am ehesten den Montag oder Freitag dafür aus. Auch Bahnbetreiber stellen fest, dass an diesen Tagen die Pendlerströme in den Öffis deutlich kleiner sind.
Manche Arbeitgeber haben aber auch nach Jahren der Pandemie Mühe mit den digital zugeschalteten Arbeitskräften. Das zeigen Gespräche mit Unternehmern und Verbandsvertretern aus der Schweiz gegenüber "20 Minuten".
Es gibt vereinzelte Firmenchefs, die Montag und Freitag, wenn immer möglich, kein Homeoffice gewähren oder die Heimarbeit an diesen Tagen sogar ganz verbieten. Dies wegen des Verdachts, dass die Produktivität geringer ist und dass Freitag und Montag für ein verlängertes Wochenende missbraucht werden könnten.
Zeigen wollen sich die betreffenden Firmenchefs nicht in der Zeitung. Dabei ist dieser Verdacht nicht unbegründet, wie Leserreporter der Pendlerzeitung bestätigen. Manche erklären, dass Homeoffice eine willkommene Gelegenheit sei, den Tag etwas ruhiger anzugehen.
"Man schaltet einen Gang runter"
HR-Experte Jörg Buckmann kennt Firmen, die Homeoffice am Montag und Freitag ablehnen – und er versteht es. "Viele machen gern am Montag und Freitag Homeoffice – und an diesen Tagen erreicht man sie schlecht. Am Freitagnachmittag muss man nicht mehr mit einer Antwort rechnen." Er bekomme am Freitag mindestens 50 Prozent weniger Mails als an anderen Wochentagen. "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Produktivität am Freitag gleich hoch ist wie an einem Dienstag."
Er sei unsicher, wie viel die Leute im Homeoffice tatsächlich arbeiteten und wie viel davon verlängertes Wochenende sei, wenn die Homeoffice-Tage auf Montag oder Freitag fielen. Allerdings, räumt er ein, sei die Freitagsproduktivität traditionellerweise auch nicht so hoch, wenn die Leute im Büro arbeiteten. "Man schaltet einen Gang runter und geht früher ins Feierabendbier." Das Problem beim Homeoffice: "Der Arbeitgeber hat kaum eine Übersicht darüber, wer wann aufhört zu arbeiten und die Leute sind nicht mehr erreichbar, wenn plötzlich doch noch dringende Arbeit ansteht."
Homeoffice werde heute fast schon als Menschenrecht angesehen, dabei könne ohnehin nur ein kleiner Teil aller Angestellten von dieser Arbeitsform profitieren. "Skepsis wegen Homeoffice macht Unternehmer nicht zu schlechten Chefs, im Gegenteil, die schauen extrem gut zu ihren Leuten und sind grosszügige Arbeitgeber. Es gibt echt ein paar nachvollziehbare Gründe gegen Homeoffice", sagt Buckmann. Die Organisation sei aufwendiger, der Betrieb verliere dadurch einen gewissen Drive, die Innovation leide.
"Zeit für Deep Work"
Anders sieht das Hartmut Schulze, Professor für Arbeitspsychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er glaubt nicht, dass Angestellte im Homeoffice am Montag und Freitag weniger produktiv sind. Es sei eine andere Art von Produktivität, man könne an diesen Tagen ungestört und länger am Stück arbeiten, sagt er. Das sei gut für Kreativ- oder Projektarbeit. Homeoffice habe den Vorteil, dass man sich die Reisezeit spare und praktisch vom Frühstückstisch aus mit der Arbeit beginnen könne, auch ohne sich richtig anzukleiden.
Auch biete Homeoffice die Möglichkeit, sich die Arbeit "besser nach eigenem Gusto einzuteilen", Pendenzen abzubauen oder in Ruhe über etwas nachzudenken. "Zeit für Deep Work", nennt es Schulze, komplette gedankliche Vertiefung in ein Thema, ohne Meetings, mit weniger Mails und Anrufen. "Natürlich kann es auch einmal sein, dass jemand sagt: Jetzt habe ich diese Woche so viel gearbeitet, nun mache ich am Freitag ein bisschen weniger." Doch daran sei nichts Schlechtes, im Gegenteil. Es brauche diese Phasen des Rückzugs. Es brauche weniger Micromanagement und mehr Vertrauen.
"Ich frage mich auch, woher dieses Misstrauen und die Vorstellung, dass die Leute im Homeoffice sich auf Kosten des Arbeitgebers einen lockeren Lenz machen, kommen." Etliche Studien zeigten, dass die Abwechslung zwischen Heim- und Büroarbeit am besten sei für Produktivität und Wohlbefinden. Dennoch gebe es auch Unternehmer, welche die Mitarbeitenden wieder voll im Office sehen möchten – als prominentes Beispiel Elon Musk.