Wien

"Katastrophale Zustände!" Öffi-Fahrer schlagen Alarm

Schlechte Bezahlung, familienfeindliche Arbeitszeiten: Wiens Öffi-Fahrern platzt der Kragen. In einem offenen Brief fordern sie Konsequenzen.

Claus Kramsl
Wiens Öffi-Fahrer klagen über zu wenig Gehalt, familienunfreundliche Arbeitszeiten und zu wenig Wertschätzung.
Wiens Öffi-Fahrer klagen über zu wenig Gehalt, familienunfreundliche Arbeitszeiten und zu wenig Wertschätzung.
Bild: Wiener Linien/Johannes Zinner

Lange Wartezeiten lassen derzeit viele Öffi-Nutzer verzweifeln. Hauptschuld sei die Pensionierungswelle, dazu würden derzeit noch viele Krankenstände sowie die angespannte Situation am Arbeitsmarkt kommen, heißt es von den Wiener Linien dazu seit mehreren Wochen – "Heute" berichtete.

Wiener Linien in Erklärungsnot

Auch am Mittwoch ritten die Wiener Linien erneut auf Twitter aus und stellten sich dem Ärger der in der Kälte wartenden Fahrgäste.

Öffi-Fahrer orten "billigen Versuch" zu beruhigen

Das sei "ein billiger Versuch" die Bevölkerung und die Politik zu beruhigen, heißt es hingegen in einem offenen Brief von mehreren Öffi-Fahrern, der nun unter anderem an "Heute", sowie Bürgermeister Michael Ludwig, Öffi-Stadtrat Petern Hanke (beide SPÖ) und die Geschäftsführung der Wiener Linien ging. Sie seien "nicht mehr bereit,  diese katastophalen Zustände hinzunehmen", so die Verfasser. "Auch werden wir bei anhaltenden Verfehlungen und Missständen nicht länger davor zurückschrecken, uns erneut Gehör zu verschaffen", so die anonym bleibenden Bus-, Bim- und U-Bahn-Fahrer.

Tatsächlich seien weder Pensionierungswelle noch die aktuell höhere Zahl der Krankenstände oder der Arbeitsmarkt schuld an der Situation, so die Insider. Vielmehr seien die Bezahlung, die Arbeitsumstände sowie die Wertschätzung durch die Führung das Problem. Es sei so,  dass den Wiener Linien die Fahrer – viele bereits nach nur wenigen Monaten – davonlaufen würden. Die Personalsituation sei "dramatisch", heißt es in dem offenen Brief.

Zu wenig Geld, Motto "Friss oder stirb"

So sei das Gehalt von 2.300 Euro brutto im Monat nicht ausreichend, wenn man die "große Verantwortung" des Fahrdienst und die "größer werdenden Herausforderungen wie beispielsweise mehr Verkehrsaufkommen" berücksichtige.

Ein weiteres Problem sei der Schichtdienst. Konkret sei es "aufgrund extrem veralteter Strukturen und Ansichten von Führungskräften" Mitsprache bei der Erstellung der Dienstpläne zu bekommen. Es herrsche das Motto "Friss oder stirb". Es sei daher kaum möglich, sein Privatleben zu planen, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sei "noch nie so unmöglich gewesen wie jetzt".

"Unterbrecherdienste" nehmen zu

Weiters würden sogenannte "Unterbrecherdienste" stark zunehmen. Ein Beispiel: "Man beginnt um 5 Uhr, fährt dann bis ca. 9.50 Uhr. Nun folgen fünf Stunden unbezahlte Peuse. Danach beginnt man wieder um 14 Uhr und fährt bis in den späten Abend. Am darauffolgenden Tag hat man wieder Dienstbeginn um beispielsweise 4.20 Uhr", wird in dem Brief beschrieben. Fast jeder Mitarbeiter im Fahrtdienst würde schon nach kurzer Zeit an schweren gesundheitlichen Problemen wie Schlafstörungen leiden, heißt es von den Fahrern.

Besonders sauer stoßen den Briefschreibern sogenannte "Krankenstandsrückkehrgespräche" auf. Diese seien vor zwei Jahren eingeführt worden und verpflichtend. Nach einem Krankenstand würde man behandelt, "wie ein Schwerverbrecher", warte oft tagelang auf das Gespräch. Bei dem Gespräch selbst bekomme man dann Dinge zu hören wie "Wenn sich ihre Krankenstände nicht bessern müssen wir an die Personalabteilung den Kündigungsantrag stellen", heißt es in dem Brief der Wiener Linien-Fahrer. Viele würden daher aus Angst vor Kündigungen krank arbeiten gehen.

Das sind die Forderungen der Öffi-Fahrer

Die Fahrer fordern den Rücktritt der Geschäftsführung sowie der Bereichsleiter. Weiters einen wertschätzenden Umgang mit den Mitarbeitern sowie eine "gerechtere Entlohnung". Außerdem sollen die Mitarbeiter im Fahrdienst in die Dienstplanerstellung eingebunden werden, die Dienstpläne müssten eine vereinbarkeit von Beruf und Freizeit ermöglichen.

Wiener Linien-Geschäftsführerin Alexandra Reinagl nimmt die Kritik ernst, ist gesprächsbereit.
Wiener Linien-Geschäftsführerin Alexandra Reinagl nimmt die Kritik ernst, ist gesprächsbereit.
Wiener Linien/Johannes Zinner

Wiener Linien: "Die Situation ist nicht leicht"

Bei den Wiener Linien nehme man den offenen Brief und die Kritikpunkte ernst: "Mir als Geschäftsführerin ist bewusst, dass die Situation nicht leicht ist - allen voran im Fahrdienst. Die Kolleg*innen geben jeden Tag ihr Bestes. Genau deshalb haben wir gemeinsam mit der Belegschaftsvertretung Ende letzter Woche eine entsprechende KV-Erhöhung verhandelt. Damit einher geht auch mittelfristig eine Verbesserung der Freizeiten im Fahrdienst. Aber mir ist klar, dass das nicht ausreicht und wir werden alles daransetzen, weitere Verbesserungen hinsichtlich flexibler Arbeitszeiten zu erarbeiten", so Wiener-Linien-Geschäftsführerin Alexandra Reinagl gegenüber "Heute".

Und weiter: "Ich habe im November den Vorsitz der Geschäftsführung übernommen und prüfe alle Prozesse im Fahrdienst umfassend. Sollte es hier Verfehlungen bzw. nicht erklärbare Auffälligkeiten geben, wird dies auch Konsequenzen nach sich ziehen. Das Herz der Wiener Linien sind die Fahrer*innen und Lenker*innen. Ihnen bestmögliche Arbeitsbedingungen zu bieten, steht für mich an oberster Stelle. Anonyme Briefe bieten jedoch keine Möglichkeit des Dialoges, für den das gesamte Management steht. Unsere Türen sind jederzeit für Gespräche offen", betont Reinagl abschließend.

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