Welt
"Wahrer Freund von Israel und des jüdischen Volkes"
Am zweiten Tag Tag seiner Israel-Reise trifft Österreichs Kanzler heute Benjamin Netanjahu zu politischen Gesprächen.
Gestern besuchte Sebastian Kurz (ÖVP) die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, entzündete in der Halle der Erinnerungen die Flamme für die Opfer, betonte die Verantwortung Österreichs für die Shoa. "Auf Österreich liegt eine schwere Schuld. Wir sind verantwortlich für unsere Geschichte und müssen alles unternehmen, dass so etwas nie wieder geschehen kann."
Distanz zur FPÖ
Nicht nur an die Vergangenheit, sondern auch an die problematische Gegenwart erinnerte den Kanzler Deborah Hartmann von der "International School for Holocaust Studies". Sie machte die österreichische Delegation während ihres Vortrags beim Denkmal für die zerstörten Gemeinden darauf aufmerksam, dass es in der FPÖ noch immer Politiker wie Andreas Mölzer gebe, "denen man erklären muss, was die Shoah war, von welcher Katastrophe wir eigentlich sprechen". Mölzer hatte in einer TV-Debatte Doron Rabinovici zynische Antworten gegeben, als dieser erklärte, dass Familien mit Holocaust-Opfern sich aussuchen könnten, mit wem sie trauern und Gedenken und wen sie bei Gedenkfeiern nicht dabei haben wollen – und dass er (Rabinovici) Mölzer auch nicht auf einer Trauerfeier seiner Familie haben wolle.
Auch die antisemitischen Vorfälle (Stichwort: Nazi-Liederbücher) innerhalb der FPÖ in jüngster Vergangenheit waren Thema. Hartman verwies auf rund 30 antisemitische Vorfälle seit November 2017. Auch Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), verwies auf diese Problematik. Anfang des Jahres erneuerte die IKG ihren Beschluss, keine Beziehungen zur FPÖ zu unterhalten. Deutsch hatte erst vor kurzem im ORF gesagt: "Die FPÖ soll einmal ein Jahr lang keine antisemtischen Vorfälle mehr produzieren. Sonst ist eine Aussöhnung zwischen der jüdischen Gemeinde und den Freiheitlichen kein Thema." Kurz selbst bekam von Oskar Deutsch in Yad Vashem Unterstützung: Der Kanzler sei ein Garant für den konsequenten Kampf gegen den Antisemitismus.
Der Koalitionspartner von Sebastian Kurz ist in Israel unerwünscht
Israel verweigert jeden Kontakt mit der FPÖ, mit von ihr geführten Ministerien wird lediglich auf Beamtenebenen verkehrt, das gilt auch für Aussenministerin Karin Kneissl. Sie ist zwar parteilos, wurde aber von der FPÖ nominiert. Kurz wird deshalb von Bildungsminister Heinz Fassmann begleitet. Erst gestern hatte Kurz Verständnis für die anhaltende Skespsis der israelischen Regierung ausgedrückt.
Heute steht das Treffen mit Premierminister Netanjahu an
Am Vormittag empfing Sebastian Kurz Oppositionsführer Yair Lapid von der liberalen Partei Yesh Atid im Jerusalemer Hotel Mamilla. Laut Tweet von Lapid ging es dabei um die Golanhöhen, an der Grenze zwischen Israel und Syrien. Zu Mittag traf Sebastian Kurz mit Premier Benjamin Netanyahu zusammen. Auf der Agenda des Arbeitsessen stehe das iranische Atomprogramm, heißt es in israelischen Medien.
Beim Treffen bezeichnete Netanjahu Bundeskanzler Kurz als "einen wahren Freund von Israel und des jüdischen Volkes", sagte bei seiner Rede in Richtung Kurz, er hoffe, andere europäische Spitzenpolitiker "folgen deinem Beispiel".
Israels Premier betonte weiter: "Wir schätzen die Schritte, die die österreichische Regierung und das österreichische Parlament in den letzten Monaten unternommen hat". Netanjahu zitierte dabei auch Kurz, der gesagt hatte, dass Österreich nicht nur Opfer, sondern auch Täter war. "Das sind mutige und kühne Worte", so Netanjahu. "Du lässt deinen Worten Taten folgen. Du zeigst Null Toleranz bei Antisemitismus", so Netanjahu. Er erwähnte zudem die Namensmauer als Ort der Erinnerung an österreichische Holocaust-Opfer, die Unterstützung von Besuchen Jugendlicher in Gedenkstätten wie Mauthausen und die eine Million Euro, die Kurz am Sonntag für das geplante Shoah Heritage Collections Center in Yad Vashem zugesagt hatte.
Netanjahu zeigte sich weiters sehr erfreut, dass Kurz sich dafür einsetzen will, dass in der EU die Sicherheitsbedenken Israels stärker beachtet werden. "Das ist wirklich wichtig. Wir denken, dass ist nicht immer der Fall". Dass Kurz die Sicherheitsbedenken in der EU mehr berücksichtigt haben will, sei ein "frischer Wind und Führungskraft ". Er habe den Generalsekretär des israelischen Außenministeriums, Yuval Rotem, angewiesen, die Kontakte zum österreichischen Außenministerium zu intensivieren.
Netanjahus Abschiedsstatement: "Viele Israelis sind bewegt, weil du tatsächlich Dinge nach vorwärtsbringst" – so auch die Beziehungen zwischen Israel und Österreich. "Ich weiß, dass das wichtig für dich ist und es ist wichtig für mich. Danke und willkommen, Freund".
Am Abend wird der österreichische Kanzler vor dem Weltforum des American Jewish Committee (AJC) eine Rede halten, anschließend gibt es ein Dinner. Morgen, Dienstag, fliegt der Kanzler weiter nach Berlin. Dort wird er Amtskollegin Angela Merkel treffen.
(isa)