Karl Nehammer auf "Puls24"

Kanzler-Interview artet zum Streit mit Reporterin aus

Ungewohnt emotional zeigte sich Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Donnerstag im Interview auf "Puls24". Kurzzeitig drohte das Gespräch gar zu eskalieren.

Newsdesk Heute
Kanzler-Interview artet zum Streit mit Reporterin aus
Hitziges Puls24-Interview mit Bundeskanzler Karl Nehammer von "Puls24"-Chefreporterin Manuela Raidl.
Puls24

Was harmonisch begann, drohte mittendrin zu eskalieren: Hitzig ging es im Kanzler-Interview von "Puls 4" und "Puls 24" zwischen ÖVP-Chef Karl Nehammer und Chefreporterin Manuela Raidl zu. Dabei war anfangs noch alles ganz sachlich. "Viel zu kurz" kämen momentan seine Hobbys wie das Boxen, so Nehammer, es gebe so viele politische Termine, "wo man in der Lage lebt". Erstes großes Thema des Interviews, das das zum Start von Tonproblemen gebeutelt wurde, war der vereitelte Terroranschlag auf die Konzerte von Taylor Swift in Wien: Es sei gelungen, "einen Selbstmord-Attentäter aufzuhalten", so Nehammer.

Die Behörden seien "sehr wachsam" und er sei froh darüber, dass die internationalen Nachrichtendienste wieder auf Augenhöhe mit Österreich kooperieren würden, nachdem er die "Trümmer" des Verfassungsschutzes in Österreich hinterlassen bekommen habe, so der Kanzler. Sei das Auslesen verschlüsselter Messengerdienste seine Bedingung für eine Koalition? Er sei "erstaunt", dass die anderen Parteien die Lage "nicht genauso kritisch beurteilen" würden wie die ÖVP, so Nehammer. Diese würden offenbar Ermittlungsbehörden mehr Misstrauen entgegenbringen, als für mehr Sicherheit sorgen zu wollen, attestierte er.

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    Puls24-Interview mit Bundeskanzler Karl Nehammer von "Puls24"-Chefreporterin Manuela Raidl.
    Puls24-Interview mit Bundeskanzler Karl Nehammer von "Puls24"-Chefreporterin Manuela Raidl.
    Puls24

    "Wir müssen viel genauer hinschauen"

    "Da geht es nie um Totalüberwachung, da geht es um schwerwiegende Verdachtsmomente", so Nehammer. Habe man weichere Maßnahmen verschlafen? Es gebe kein "entweder oder", sondern ein "und", so der Kanzler, beim Thema Deradikalisierung solle es "gar keine Grenzen geben", man brauche aber auch Maßnahmen für Menschen, bei denen keine Deradikalisierung mehr möglich sei. Der mutmaßliche IS-Terrorist von Ternitz habe sich in "einer sehr gesicherten Umgebung radikalisiert", so Nehammer, er habe einen guten Job gehabt, sei nicht aus einem Kriegsgebiet geflohen. "Wir müssen viel genauer hinschauen", so der Kanzler.

    Wie? Man müsse "die sozialen Medien als Partner gewinnen", so Nehammer, "wir sehen, wo wir jetzt verletzlich sind". Mit Blick auf das Messer-Attentat im deutschen Solingen hatte Nehammer in der Vergangenheit mehr Abschiebungen gefordert. Warum solle das jetzt plötzlich funktionieren? Das "Problem bei den Abschiebungen und Rückführungen" sei immer das gleiche, so der Kanzler, nämlich das Herkunftsland. "Wir brauchen diese Rückführungsabkommen in größerer Dimension", erklärte der Kanzler, man mache da aber Fortschritte.

    "Entscheidung treffen, wie sich dieses Land entwickelt"

    Reporterin Raidl brachte als Beispiel, dass es über 5.700 Marokkaner mit negativem Bescheid in Österreich gebe, aber nur knapp über 50 abgeschoben wurden. "Es sind komplexe Verfahren, die brauchen komplexe Lösungen", wurde Nehammer emotionaler, wenn man Marokko provozieren würde, könne man keinen einzigen Marokkaner rückführen. "Es ist auch das Bohren harter Bretter", so der Kanzler, "wir müssen endlich durchsetzen, dass es Asylverfahren in sicheren Drittländern gibt". Das Thema wechselte zwar zum Skandal um Undercover-Aufnahmen bei einem Identitären-Treffen mit AfD-Gästen in Wien, die Abschiebe-Diskussion sollte aber nachhallen.

    Nehammer zeigte sich schockiert, dass die FPÖ sich als "Schutzpatron" der Identitären aufspiele und von einer "NGO von rechts" spreche – die ÖVP habe dagegen ihre Symbole verboten und sehe die Gruppierung als "demokratiegefährdend" an, so Nehammer, der plötzlich vehement mehr Zeit für seine Ausführungen forderte. Die gipfelten dann in der Ansage: Am 29. September werde man in Österreich "eine Entscheidung treffen, wie sich dieses Land entwickelt". Das wisse der Wähler wohl, worum es bei der Wahl gehe, so die Reporterin. Daraufhin drohte das Gespräch zu eskalieren.

    "Kommt darauf an, ob sie mich aussprechen lassen"

    Raidl wollte zum Thema Wirtschaft wechseln und wissen, wie die ÖVP ihre Pläne finanzieren wolle, die von vielen Experten als unfinanzierbar eingestuft worden seien. "Kommt darauf an, ob sie mich aussprechen lassen oder wieder unterbrechen", reagierte der Kanzler ungewohnt emotional, warf der Reporterin sogar Fehlinformationen vor und kritisierte, dass er nicht seine Wortmeldungen ausführen dürfe, Raidl aber sehr wohl Zahlen wie die Anzahl von Rückführungen nach Marokko eingebracht hatte. Nach einem verbalen Schlagabtausch gelang es Raidl, Nehammer zu beruhigen.

    Kurios: Fortan merkte die Reporterin bei einigen Fragen an, dass Kritik, etwa dass von der ÖVP geplante Steuerzuckerln nicht finanzierbar seien, nicht von ihr, sondern von Experten komme. Der Kanzler durfte fortan auch länger seine Themen anbringen – er wolle die Wirtschaftspläne durch einen Mix aus Unterbindung von "Migration ins Sozialsystem", der Attraktivität Österreichs für Unternehmen aufgrund der guten Bewertungen der Ratingagenturen und dem Einsatz neuer Technologien durchbringen – und dabei auch Klimaschutz betreiben. Und mit wem? Nicht mit FPÖ-Chef Herbert Kickl, so Nehammer, "mit einem Verschwörungstheoretiker", der "sich nicht von seinen eigenen Ängsten befreien" könne, könne man nicht gemeinsam in die Zukunft blicken. "Er hat sich selbst radikalisiert", das merke man "an seinen letzten Ausfällen", so Nehammer über Kickl – nur eine Stimme für ihn verhindere einen Kanzler Kickl.

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      ALEX WROBLEWSKI / AFP / picturedesk.com

      Auf den Punkt gebracht

      • Im Interview auf "Puls24" zeigte sich Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) ungewohnt emotional und geriet in einen hitzigen Schlagabtausch mit der Chefreporterin Manuela Raidl
      • Das Gespräch, das mit Themen wie Terrorabwehr und Abschiebungen begann, drohte mehrfach zu eskalieren, insbesondere als es um die Finanzierbarkeit der ÖVP-Pläne ging, wobei Nehammer der Reporterin Fehlinformationen vorwarf
      red
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