Welt

Kann sich Taiwan überhaupt gegen China verteidigen?

China hat mit großangelegten Militärmanövern vor der taiwanischen Küste begonnen. Das weckt Angst vor einer weltweiten Eskalation.

Die Rocket Force unter dem Eastern Theatre Command der chinesischen Volksbefreiungsarmee (PLA) führt konventionelle Raketentests in den Gewässern vor der Ostküste Taiwans durch.
Die Rocket Force unter dem Eastern Theatre Command der chinesischen Volksbefreiungsarmee (PLA) führt konventionelle Raketentests in den Gewässern vor der Ostküste Taiwans durch.
via REUTERS

Was ist die Ausgangslage?

Seit Jahrzehnten zählt der Konflikt um Taiwan zu den gefährlichsten der Welt. Jetzt eskaliert er auf neuer Stufe. Einen Tag nach dem Taiwan-Besuch der US-Kongressvorsitzenden Nancy Pelosi hat China mit Militärmanövern vor der taiwanischen Küste reagiert und die Inselrepublik an sechs verschiedenen Orten umkreist. Einhellig warnten am Donnerstag Politiker aus Europa, Asien und Amerika vor einer Eskalation.

Nutzt China die Übungen für einen Angriff?

Nein – oder besser: noch nicht. Vor dem 20. Parteikongress im Herbst sei das nicht im Interesse des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der für eine dritte Amtszeit bestätigt werden wolle, so einige Beobachter. Denn eine bewaffnete Auseinandersetzung zöge zwangsläufig die USA in den Konflikt und massive internationale Sanktionen gegen die «Fabrik der Welt» nach sich, was die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft hart träfe. Doch sind sich Diplomaten in Peking einig: Der Tag eines Angriffs auf Taiwan wird eher früher als später kommen.

Wäre es einfach, die Insel zu erobern?

Schwerer als man meint. Eine Eroberung über die 130 Kilometer breite Meeresenge der Taiwanstrasse, die das chinesische Festland und Taiwan trennt, wäre eine ungeheuer komplexe Militäroperation – ungleich schwerer als Russlands Invasion in die Ukraine, wie Experten hervorheben. Für China sei es schon angesichts der großen Zahl moderner Waffensysteme, die Taiwan aus den USA importiert, nicht einfach, die Insel zu übernehmen. China müsste hohe Verluste in Kauf nehmen. Kommt hinzu: Das chinesische Militär liegt trotz massiver Modernisierung immer noch Jahrzehnte hinter dem der USA zurück – und es fehlt ihm an tatsächlicher Kampferfahrung.

Könnte sich Taiwan selbst verteidigen?

Nein. Es wäre wie im Fall der Ukraine gegen Russland: David gegen Goliath. So zählt Chinas Militär zum drittstärksten der Welt, das taiwanische belegt Platz 21. Allerdings haben sich die USA bereits 1979 zu Waffenlieferungen an Taiwan verpflichtet. Denn Taiwan hat für die USA und ihre pazifischen Verbündeten eine hohe geopolitische Bedeutung: Sie wollen verhindern, dass die aufstrebende militärische Großmacht China die Umzingelung durch die Inselkette US-Verbündeter wie Japan und den Philippinen durchbricht, das Tor zum Pazifik aufmacht.

Was passiert als nächstes?

Die taiwanische Regierung befürchtet: Was China als Militärmanöver ausgibt, ist in Wirklichkeit eine Seeblockade ihres Landes. "China ist nun in der Lage, die Handelsrouten nach und von Taiwan weg zu blockieren", meint auch China-Experte Alexander Görlach vom "Carnegie Council for Ethics in International Affairs". In den kommenden Wochen dürfte China verschärfte Wirtschaftssanktionen, Handelsaussetzungen und Cyberangriffe gegen Taiwan lancieren.

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