Der Februar begann in Wien heuer bitterkalt, die Leitungen der Caritas liefen heiß. "Von 1. bis 8. Februar sind 613 Anrufe beim Kältetelefon eingegangen“, so eine Sprecherin. Seit Anfang November 2022 wurden schon 244 Menschen in ein Notquartier vermittelt – und vor dem Kältetod bewahrt.
Kältetelefon-Leiterin Susanne Peter (52) ist seit 36 Jahren in der Obdachlosenhilfe der Caritas tätig, fährt auch heuer im Kältebus mit. Warum Leute bei Minusgraden draußen schlafen? "Manche wollen eben nicht mit vier anderen Menschen in einem Raum schlafen, das muss man akzeptieren", erzählt sie. "Ich hatte einmal einen Klienten, mit dem ich drei Jahre lang kommuniziert – aber nie sein Gesicht gesehen habe. Er war in einem Klo drinnen und ich draußen." Man dürfe nicht vergessen, betont Peter, dass viele Obdachlose bereits eine Reihe an Enttäuschungen erlebt haben und das Scheitern kennen. "Wir müssen erst Vertrauen aufbauen. Das passiert mit kleinen Dingen, sei es auch nur ein Lied in ihrer Muttersprache, das wir abspielen und das Erinnerungen hervorruft."
Im Alter von 16 Jahren half Susanne Peter erstmals in der Pfarre Wien-Mariahilf aus. Im Wohnungslosenbereich gab es damals kaum Angebote – mit ihren Sorgen und Wünschen kamen die Betroffenen zum Pfarrer. Susanne ergriff die Initiative. "Wir hatten den Wunsch, uns mit den Bedürfnissen der Menschen auseinanderzusetzen und Spenden zu sammeln. Daraus entstand die Idee der Gruft."
Für das Mädchen war rasch klar, wohin der berufliche Weg sie führen würde. "Ich ging an die Sozialakademie und machte zusätzlich eine Ausbildung zur Psychotherapeutin", erzählt sie im "Heute"-Gespräch. Der Caritas blieb sie treu. Mittlerweile gibt es kaum jemanden – sei es unter Kollegen oder Klienten –, der die gute Seele der Obdachlosenhilfe nicht kennt. Als Leiterin des Kältetelefons und leitende Sozialarbeiterin der Gruft ist sie zur Stelle, wenn Hilfe benötigt wird.
"Das Schöne an meinem Beruf ist, dass man mit kleinen Sachen Großes bewirken kann", strahlt die heute 52-Jährige. "Wenn man zum Beispiel neben Schlafsack, Decken und warmem Essen auch einen Kaffee ausschenkt, ist die Freude groß." Auch Erfolgsmomente wie das Finden einer Wohnung für einen ehemals obdachlosen Menschen lassen sie wissen, warum sie diesen Beruf gewählt hat. Besonders berührend: "Ich habe einen Klienten über Jahre hinweg betreut, bis er schwer krank wurde. Obdachlosigkeit macht krank, das ist ein Fakt", so die Sozialarbeiterin. "Schließlich konnten wir ihm eine Unterkunft organisieren. Er ist in seinem Zuhause gestorben."
Obdachlosenarbeit ist für Peter vor allem eines: Beziehungsarbeit. "Wir müssen uns bewusst sein, dass wir etwas von den Klienten möchten. Wir wollen in Beziehung treten, gehen in ihr Wohnzimmer und krachen damit in ihre Privatsphäre. Besucht man jemanden, nimmt man nun mal auch ein Gastgeschenk mit."
Inflation und steigende Preise verdunkeln den Blick in die Zukunft: "Wir wissen einfach nicht, wie die Zahl an Obdachlosen steigen wird. Das macht uns schon Sorgen. Für die Versorgung von Menschen auf der Straße sind wir dringend auf Sach- und Geldspenden angewiesen."
Wie man bei solchen Eindrücken privat abschalten kann? "Das ist schon wichtig, aber nicht immer zu hundert Prozent möglich", gibt Susanne Peter zu. "Aber ich habe ein soziales Umfeld, das mich auffängt und einen verständnisvollen Partner. Wichtig bei allem ist: Man muss mitfühlen, aber soll nicht mitleiden."
Wer die Obdachlosenhilfe der Caritas unterstützen möchte, kann dies in Form von Lebensmittelspenden sowie mit Geldspenden tun. Auch kleine Beträge helfen – mit einem Euro etwa kann eine Suppe an Bedürftige ausgegeben werden. "Viele kleine Dinge werden zu großen Dingen", sagt Susanne Peter. Mehr Infos auf www.caritas-wien.at