Österreich
Job weg, Alkohol her: Drittel trinkt nun mehr daheim
Besonders der Verlust des Arbeitsplatzes habe den Konsum von Alkohol in der Pandemie begünstigt, so die Suchthilfe.
Die Pandemie stellt viele Österreicher vor große Herausforderungen. Gesundheitliche und wirtschaftliche Sorgen sind seit fast zwei Jahren belastend, man sucht Ablenkung und Entspannung. Für manche kann das Sport oder ein Hobby sein, für Andere sind es Bier oder Wein, die Sorgen kurzfristig vergessen lassen.
2,5 Flaschen Wein und 4,6 Liter Bier pro Woche
In Österreich ist Alkohol noch immer die am meisten verbreitete Droge. Mit seinem Trinkverhalten belegt das Land einen Spitzenplatz innerhalb der OECD. Ein Bericht vom Mai 2021 lässt tief ins Glas blicken: Im ersten Corona-Jahr wurden zwölf Liter reiner Alkohol pro Kopf und Jahr in der Bevölkerung ab 15 Jahren konsumiert. Das entspricht rund zweieinhalb Flaschen Wein oder 4,6 Litern Bier pro Woche und Person. Der OECD-Schnitt liegt bei zehn Litern reinem Alkohol pro Jahr.
Auf "Heute"-Anfrage zum Alkohol- und Drogenkonsum während der Pandemie, ließ der Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien mit überraschenden Entwicklungen aufhorchen. Denn prinzipiell ist trotz der heimischen Lust am Hochprozentigen der Alkoholkonsum in den vergangenen Jahrzehnten deutlich und kontinuierlich gesunken. Die 15- bis 24-Jährigen tranken etwa 2004 bis 2020 über 50 Prozent weniger als davor.
Mehr Corona-Cocktails nach Jobverlust und Kurzarbeit
Für das Trinkverhalten während der Pandemie muss man deshalb unterscheiden, so die Experten. In der Allgemeinbevölkerung wird weiterhin weniger getrunken, als früher. Seit Corona waren auch fehlende Events, also weniger Veranstaltungen und die geschlossene Gastronomie für viele Österreicher Gründe, weniger zu konsumieren.
Isolation, Einsamkeit und Langeweile haben jedoch bei spezifischen Gruppen zu einem anderen Verhalten geführt. Studien zeigen, dass besonders Menschen, die von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen sind, mehr Alkohol konsumiert haben. Vor allem jene, die sich übermäßig durch die Krise belastet fühlen, haben auch häufiger mehr getrunken.
Zuhause und allein wird mehr getrunken
Und hier sind es besonders Menschen, die auch schon vor der Pandemie einen Problem mit Alkohol hatten, die nun noch öfter zur Flasche griffen: Von der Phase vor Corona bis September/Oktober 2020 gab es in dieser Gruppe einen Anstieg um 22 Prozent – von 31,9 auf 38,9 Gramm Alkohol.
Auch der Anteil der Personen, die überwiegend oder ausschließlich zu Hause Alkohol trinken ist um ein Drittel von 38 auf 49 Prozent gestiegen. Ebenso gibt es seit der Pandemie mehr Menschen, die überwiegend oder ausschließlich allein Alkohol trinken (Anstieg von 10 auf 13 Prozent).
"Folgen erst in kommenden Jahren spürbar"
„Dass der Alkoholkonsum in den vergangenen Jahrzehnten in Wien kontinuierlich gesunken ist, ist auch ein Verdienst der intensiven Arbeit in den letzten Jahrzehnten und dem Fokus auf Präventionsarbeit", sagt Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien. Auch während der Pandemie konnte die Versorgung von Menschen mit einer Suchterkrankung aufrechterhalten werden Therapien wurden weiter durchgeführt.
"Wir sehen nun, dass im Zuge der Corona-Krise ein Anstieg des Behandlungsbedarfs besonders im Bereich Alkoholabhängigkeit um bis zu 15 Prozent gegeben ist. Auch wenn die Folgen erst in den kommenden Jahren tatsächlich zum Vorschein kommen werden - insbesondere im Bereich Alkohol ist leider mit einem weiteren Anstieg zu rechnen“, so Lochner weiter.
Nicht mehr Drogen als vor Pandemie
Bezüglich illegaler Drogen wie Cannabis, Ecstasy, Amphetamine, Speed, Opiate oder Kokain zeigen sich laut Studien keine Veränderungen gegenüber der Zeit vor der Covid-19-Pandemie, heißt es von Suchthilfe. Allerdings zeigen Auswertungen von checkit!, der Info- und Beratungsstelle zum Thema Freizeitdrogen, aus dem Jahr 2020, dass von rund 1000 analysierten Substanzen, nur 56 Prozent ausschließlich die erwartete Substanz enthielten.
Vor allem bei Speed, aber auch bei Kokain kommt es oftmals zu einer Vermischung mit Streckstoffen. Ecstasy wiederum enthält meist ausschließlich den erwartbaren Stoff MDMA, allerdings in sehr hoher Dosierung, sodass dies gefährlich werden kann.