Szene
Philipp Hochmair: "Ich hab in Drachenblut gebadet"
Sein umjubelter Ausflug auf den Domplatz war nicht das Ziel, sondern nur ein Schritt in die richtige Richtung. Erst jetzt kommt "Jedermann Reloaded" an – am 30.11. erscheint die CD.
"Sind wir nicht alle Psychopathen?", fragt Philipp Hochmair im „Heute"-Interview. Und ja, er liegt wohl richtig. Jedermann ist von Sinnen. Besessen von der Magie des Hofmannsthal'schen Mysterienspiels, berauscht von der drohenden Apokalpyse, getrieben von den Gitarrenriffs der „Elektrohand Gottes". Er flüstert, faucht und fabuliert gelenkt von seiner Band, macht das Paradestück im Monolog zur vielstimmigen Performance.
Jedermann in Salzburg: Wirksames Mittel zum Zweck
Sein "Jedermann Reloaded" ist Hochmairs ureigenes Maß der Dinge – da war selbst der hochumjubelte Ausflug auf den Domplatz (er ersetzte diesen Sommer äußerst spontan den erkrankten Tobias Moretti bei den Festspielen) nur Mittel zum Zweck. Tatsache? Hochmair: "Ja, in meiner Wirklichkeit, in meinem Phantasma ist das so. Das Spiel in Salzburg war eine Rettungsaktion, 'Jedermann Reloaded' ist meine Handschrift."
"Ich bin ein Hans im Glück"
Der Mime, der "durch das Verlassen der Wiener Burg zum Filmschauspieler gedieh und durch den Domplatz wieder Theatermann wurde", sieht sich selbst als "Hans im Glück", als "Kind, das sich die Piste runterstürzt." Sein tollkühnes Naturell bewahrt ihn vor jedem Kalkül, nicht aber vor Zweifeln zu genügen. "Ich hab auf dem Domplatz zwar in Drachenblut gebadet, verwundbare Stellen gibt's trotzdem. Der Impuls, es zu wollen, ist aber größer als die Angst, es nicht zu können."
Release-Gig in der Burg, Aids-Charity im Stephansdom
Die CD (ab 30.11. im Handel) und das Release-Konzert markieren für ihn die "eigentliche Premiere" eines Experiments, das vor vielen Jahren begann. 2013, auf einer Grillparty in Dresden. Am 30.11. rockt Philipp Hochmair mit seiner Band und Gästen dann den Wiener Stephansdom zugunsten der Aids-Hilfe: "Da geht's um was. Das ist kein Egotrip."
Interview mit Philipp Hochmair
"Heute": Bei unserem letzten Gespräch meinten Sie, Ihr größer Traum wäre es, den "Jedermann" auf dem Domplatz zu spielen?
Hochmair: Ja, mit meiner Band! Dieser Traum ist ja noch nicht in Erfüllung gegangen.
"Heute": "Über das Verlassen des Burgtheaters wurde ich zum Filmschauspieler. Für mich habe ich den Zenit am Theater erreicht", ein weiteres Zitat aus unserem letzten Interview. Sind Sie dieser Meinung immer noch?
Hochmair: Der Domplatz hat mich wieder zum Theaterschauspieler gemacht. Was ja wunderschön ist. Ich bin total glücklich darüber, man muss das alles nur irgendwie händeln. Es ist alles sehr viel.
"Heute": Läuft das immer noch so, dass Sie sich reinschmeißen in den Wahnsinn, ohne Plan und Ziel – weil Sie, würden Sie zu viel nachdenken, eh schon verloren hätten?
Hochmair: Natürlich, das ist mein Naturell, mein Charakter. Das ist ein Gen, eine Kraft.
"Heute": Gilt das auch, wenn Sie von heute auf morgen für "Jedermann" Tobias Moretti bei den Salzburger Festspielen einspringen?
Hochmair: Ja, ich springe auch spontan auf den Domplatz.
"Heute": Und wann kommt bei Ihnen der Moment, in dem nach einer solchen Adrenalinexplosion alles in sich zusammensackt?
Hochmair: Gar nicht, weil ich da ich einen Trick habe. Ich wechsle Städte, was unglaublich belebend für mich ist. Ich habe z.B. irren Stress in Hamburg, bin am Sonntag bis 3 Uhr wach, steig dann am nächsten Tag in den Flieger nach Wien – und alles ist vergessen. Ich bin plötzlich ein neuer Mensch. Dadurch, dass ich in dieses Wurmloch reinschlüpfe, häutet sich mein System. Keine Ahnung, wie das geht, aber es geht. Dieses Phänomen lerne ich gerade kennen und es hilft mir sehr.
"Heute": Das Projekt "Jedermann Reloaded" ist ja nichts Neues. Das spielen Sie seit fünf Jahren. Hätte da nicht einmal jemand, der in Salzburg etwas zu sagen haben, früher darauf kommen können, dass Sie für diese Rolle der Richtige sind? Haben Sie sich nie gefragt, warum da zuerst einer krank werden musste …
Hochmair: "Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt." Ein Zitat aus Hamlet. Ich kenne ja die Zusammenhänge nicht. Ich glaube an meine Kunst, die vertrete ich zu 100 Prozent, und das schon seit 20 Jahren. Damals waren die Maßstäbe kleiner und es hat lange gedauert, bis meien Arbeit diese Öffentlichkeit erreicht hat. Meinen "Jedermann Reloaded" gab's schon auf einer Grillparty in Dresden 2013. Der ist ein "Work in Progress". Der ist gewachsen, hat sich entwickelt – und jetzt ist die Zeit reif, ihn rauszuknallen. Erst diese Platte markiert für mich die eigentliche Premiere. Sie hilft mir, das Projekt klar zu definieren. Sie ist der Startschuss, obwohl ich das Burgtheater damit auch schon früher ausverkauft habe. "Jedermann Reloaded" hat jetzt alles verdrängt, was ich davor gemacht habe. Zum Beispiel den "Werther", 20 Jahre lang.
"Heute": Welche Rolle spielte der Jedermann am Domplatz bei dieser Entwicklung?
Hochmair: Selbst der war nur ein Schritt, der vierte, in diese Richtung. Der erste war der Jedermann-Monolog am Thalia Theater, in Koproduktion mit den Festspielen 2013. Dann ging ich nach Hamburg, dann gründete ich die Band, dann machten wir "Jedermann" – ohne Reloaded –, dann kam der Domplatz, jetzt die Platte. Diese vier Stufen sind lauter Schritte zu dem Projekt, das jetzt am Tisch liegt.
"Heute": Die vielleicht meist beäugte Rolle in der österreichischen Theaterlandschaft war eigentlich nur dazu da, Ihrem Jedermann auf die Sprünge zu helfen?
Hochmair: Ja. In meiner Wahrheit, in meinem Phantasma ist es so. Die Ästhetik am Domplatz ist ja nicht meine, das ist ein Auftragswerk. "Jedermann Reloaded" ist mein Geschmack, meine Handschrift. Jedermann am Domplatz war eine Rettungsaktion.
"Heute": Haben Sie trotz Ihres tollkühnen Naturells nie daran gezweifelt, zu bestehen?
Hochmair: Ich zweifle vielleicht immer noch, aber viel wichtiger ist: Der Impuls, es zu wollen, ist größer als die Angst, es nicht zu können. Ich überliste meinen Zweifel.
"Heute": Der ganze Jubel, mit dem Sie im Sommer überschüttet wurde, wurde durch Morettis Ausfall erst möglich gemacht. Das ist eine Tatsache. Man muss kein Arschloch sein, um sich insgeheim zu wünschen, dass dieser Jubel noch ein wenig andauert…
Hochmair: Ich denke darüber einfach nicht nach. Ich wurde auch nicht informiert, wie lange es dauert. Da war nichts geregelt. Ich wurde jeden Tag aufs Neue darüber informiert, dass ich wieder spiele. Und dann hieß es, jetzt spiele ich nicht mehr. Keiner wusste was. Es war für alle ein Experiment, volles Risiko.
"Heute": Gab's davor oder danach ein Treffen mit Moretti?
Hochmair: Nein, leider nicht, dazu kam's nicht. Wir haben uns SMS geschrieben.
"Heute": Hätten Sie Ihn gerne getroffen?
Hochmair: Natürlich. Es hat uns ja beide gewuppt im Sommer. Ich hab ihm geschrieben: "Du, ich mach das jetzt, weil du nicht kannst. Und hoff, das ist okay für dich." Er hat mir viel Glück gewünscht.
"Heute": Kritiker sahen davon ab, einen Vergleich zwischen Ihnen zu ziehen. Schon gar keine wertenden. Und Sie? Können Sie den einen großen Unterschied zwischen Ihren zwei "Jedermännern" festmachen?
Hochmair: Nein, ich habe Moretti ja nie spielen gesehen. Ich habe kein Zeugnis dafür. Ich hab in seinem Kostüm in seinen Gängen geübt, das war's. Ich weiß ja nicht einmal, wie ich es angelegt habe, ich kann meine Rollengestaltung nicht beurteilen. Ich hab einfach nur meine Textkenntnis, meinen Siegfried'schen Spaß benutzt, um den Abend zu retten. Ich glaube halt, ich habe das WM-Tor geschossen für Österreich, das Wunder von Cordoba wiederholt. Damals wurden die Österreicher gefeiert wie Weltstars, obwohl das gar keinen Sinn ergab, weil sie ja nur Deutschland besiegt haben und trotzdem draußen waren. So kam mir das vor. Ich war ein Weltstar in Österreich, für eine undefinierbare Situation. Das war ein Happening für alle. Als hätte ich Österreich gerettet.
"Heute": Das schönste aller Komplimente nach der ersten Vorstellung?
Hochmair: Das Strahlen von Buhlschaft Stefanie Reinsperger beim Applaus.
Am 30.11. erscheint die Show von Hochmair und Band auf CD (Hoanzl, ca. 17 Euro, www.hoanzl.at)
"Heute": Sind Sie mutig?
Hochmair: Ich bin wie ein Kind, das sich die Piste runterwirft. Ich bin sehr naiv. Wie Siegfried, der den Drachen tötet. Wie Hans im Glück.
"Heute": Und wie geht Ihr Märchen weiter?
Hochmair: Ich habe in Drachenblut gebadet am Domplatz. Aber auch ich habe noch eine verwundbare Stelle, so wie Siegfried.
"Heute": Und wo ist die?
Hochmair: Die muss ich selber erst ausloten. Das ist ja jetzt eine ganz neue Situation. Die muss ich kennenlernen, um mich ihr zu stellen. Aber, eine verwundbare Stelle ist sicher, dass ich sehr verführbar bin. Fürs Theater, für zu viel Arbeit, für zu wenig Ruhe.
"Heute": Mit dem Release-Konzert im Burgtheater am 29.11. und dem Benefiz-Konzert, zu dem Kardinal Schönborn und der Verein LIFE+ zugunsten eines AIDS-Hospizes am 30.11. in den Stephansdom laden, gibt's darauf einen Vorgeschmack…
Hochmair: Ja, vor allem der Stephansdom ist eine Riesenkiste. Wir werden nicht viel Zeit haben, dafür zu proben, alles einzurichten. Ein paar ästhetische Ideen können wir einbringen. Aber akustisch, optisch?
"Heute": Mit welchem Gefühl würden Sie den Stephansdom gerne verlassen. Da geht's ja um mehr, als nur um ein Konzert
Hochmair: Ich sehe das wie ein Ritual. Ich und hoffe, dass der Druck, hier zu performen, nicht viel Platz bekommt. Sondern dass sich alle gemeinsam des guten Zwecks besinnen. Das ist ja nicht mein Egotrip dort, und das soll man auch spüren. Deshalb habe ich den Platten-Relase auch einen Tag vorgezogen, weil diese zwei Events in keinem Verhältnis zueinander stehen. In der Burg ist's meine Performance, am Tag darauf ist's eine Weiheandlung.
"Heute": Waren Sie schon einmal am Life Ball?
Hochmair: Nein, ich verfolge ihn nur aus der Ferne, bewundere aber die lebenswichtige Arbeit von LIFE+. Ich kannte Gery Keszler nicht persönlich.
"Heute": Und was kommt jetzt?
Hochmair: Ich starte am 3.12. einen Mega-Kinofilm mit Peter Payer ("Glück gehabt", Arbeitstitel), das wird mich bei Ende Jänner total beschäftigen. Da bin ich 85 Minuten von 90 im Bild. Dann kommen zwei neue Folgen von "Blind ermittelt" im ORF. Und: "Jedermann Reloaded" wird auch weiter wachsen. Ich hab schon eine neues Plattenprojekt vor Augen, das wird bald realisiert. Die Musik wird kälter gemacht, Industrial-Musik, Techno und dazu Schiller-Balladen. Das haben wir auch schon gespielt, etwa im Posthof in Linz, der Release wird im September im Musikverein sein.
Wir verlosen drei Stück der CD "Jedermann Reloaded"
HIER gibts alle Infos zu Philipp Hochmair