Ministerin-Alleingang

"Ist einzigartig" – Causa Gewessler überrascht Experten

Der Alleingang von Grünen-Ministerin Leonore Gewessler beim EU-Renaturierungsgesetz löste eine Regierungskrise aus. Ein Polit-Experte ordnet ein.

Newsdesk Heute
"Ist einzigartig" – Causa Gewessler überrascht Experten
Politikberater Thomas Hofer am späten Montagabend in der ORF-"ZIB2".
Screenshot ORF

Regierungskrise brutal – und beinahe das Ende der türkis-grünen Koalition in Österreich. Haarscharf schrammten die Grünen nach dem Alleingang von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler bei ihrem "Ja" zum EU-Renaturierungsgesetz daran vorbei, die Regierung gesprengt zu haben. ÖVP-Kanzler Karl Nehammer sprach von einem schweren "Vertrauensbruch" und kündigte Anzeigen wegen Amtsmissbrauchs an. Die Grünen hätten "ihr wahres Gesicht gezeigt", so der Kanzler.

Anders dagegen der Koalitionspartner: Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler nahm seine Ministerin am Montag nicht nur in Schutz, sondern zeigte sich sogar stolz auf ihren Alleingang. Die Grünen sehen die Causa nun gelassen, die ÖVP tobt und Kritik kommt auch von den Oppositionsparteien. Am späten Montagabend analysierte der Politikberater Thomas Hofer die "Causa Gewessler" und ihre Folgen für die heimische Regierungspolitik in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf.

"Gegen das Chaos stemmen"

"Das ist tatsächlich einzigartig", eine "absolute Zuspitzung in der Koalition", so Hofer. Die ÖVP und der Kanzler hätten zwar "die rechtliche Keule ausgepackt, aber die politischen Konsequenzen nicht gezogen", so der Experte. Normalerweise würde so ein Schritt und eine folgende Anzeige gegen eine Ministerin entweder das Ende der Koalition oder den Vorschlag an den Bundespräsidenten zur Entlassung der Ministerin bedeuten. Beides passierte allerdings nicht. Einerseits könnte sich die ÖVP um die Positionierung als Kanzlerpartei sorgen, so Hofer, sie wolle sich da "gegen das Chaos stemmen". Auch habe man aber das freie Spiel der Kräfte gefürchtet, so der Experte.

Außerdem wäre das Spiel gefährlich gewesen, denn die ÖVP behaupte immer, dass es keine Koalition mit einer Kickl-FPÖ geben werde, so Hofer. Arbeite sie nun aber bei einem freien Spiel der Kräfte mit der FPÖ vor der Wahl zusammen, würde sie in genau diesen Verdacht geraten. "Das Problem hat die ÖVP", so Hofer, ÖVP-Zielgruppen hätten das Gefühl, dass der sehr viel kleinere Koalitionspartner "den großen am Nasenring durch die Arena führte". Auch, dass sich die ÖVP wieder im Aufwind wähnte, habe einen "deutlichen Dämpfer erlitten".

Brisante Besetzung bei den Gutachten

"Inhaltlich geht sicher nicht mehr viel", so Hofer dazu, wie die Regierungsarbeit nun bis zu Wahl aussehen werde. "Ich traue beiden Koalitionsspitzen den Pragmatismus zu", so Hofer dazu, dass die Regierung trotzdem noch bis zur Nationalratswahl im Herbst halten könnte. Worin sich der Experte allerdings sicher war: "Einzementiert" habe sich, dass die Grünen vermutlich nicht mehr Teil einer Regierung nach der Wahl sein würden. Gehe es um eine Dreier-Koalition, werde die Wahl wohl eher auf die NEOS als die Grünen fallen.

Dass sich Gewessler gegen den Koalitionspartner, gegen den Beschluss der Landeshauptleute-Konferenz und gegen die Rechtsmeinung des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt stemmte, ließ sie sich nach eigenen Angaben übrigens mit mehreren Rechtsgutachten absichern. Konkret handelt es sich um die Rechtsanwälte Alexander Egger und Florian Stangl sowie die Uni-Professoren Karl Weber und Daniel Ennöckl. Zumindest Letzterer hat Grünen-Bezug – Ennöckl saß 2019 im Verhandlungsteam der Grünen für die türkis-grüne Koalition.

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    privat, iStock

    Auf den Punkt gebracht

    • Die Grünen-Ministerin Leonore Gewessler sorgte mit ihrem Alleingang beim EU-Renaturierungsgesetz für eine Regierungskrise in Österreich
    • Während die ÖVP Anzeigen wegen Amtsmissbrauchs ankündigte, verteidigte Grünen-Chef Werner Kogler die Ministerin
    • Der Politikexperte Thomas Hofer bezeichnete die Situation als einzigartig und prognostizierte, dass die Grünen wahrscheinlich nicht mehr Teil einer zukünftigen Regierung sein werden
    • Trotzdem könnte die Koalition bis zur Nationalratswahl im Herbst bestehen bleiben
    red
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