Rafah
Israel-Angriff könnte 1,5 Mio. Flüchtlinge einkesseln
Rafah im Süden des Gazastreifen beherbergt derzeit fast die Hälfte aller Flüchtlinge im Gazastreifen. Viele Menschen können nicht fliehen.
In Rafah ganz im Südwesten des Gazastreifens geht die Angst um: Schon jetzt beherbergt die Stadt den Großteil Palästinenserinnen und Palästinenser, die durch die israelischen Angriffe in die Flucht getrieben wurde. Die Versorgungslage ist angespannt, die humanitäre Not riesig.
Israelische Armee ist nur 8 Kilometer entfernt
Hoffnung auf Besserung gibt es aber keine – im Gegenteil: Die israelische Armee hat angekündigt, ihre Bodenoffensive auf die Stadt auszuweiten. Zuletzt hatte das Militär seine Angriffe in Khan Younis intensiviert und die Zerschlagung alles Al-Qassam-Brigaden in der Stadt verkündet. Nun geht bei der Bevölkerung von Rafah die Sorge um, dass sie als nächste dran sind. Schließlich sind es Luftlinie nur knapp acht Kilometer, die die Städte voneinander trennen.
"Schon jetzt komme ich mit der Situation kaum klar, es fällt schwer, ein normales Leben zu führen. Wenn die Armee ihren Einsatz in der Stadt beginnt, werden wir verdammt sein", berichtet eine in Rafah lebende Frau gegenüber der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Sie ist nur eine von 1,5 Millionen Menschen, die sich derzeit in Rafah aufhalten.
Rafah soll Waffenschmuggel-Tunnels beherbergen
Letzte Woche kündete der israelische Verteidigungsminister Joaw Galant an, dass man als nächstes auf Rafah vorstossen werde. "Die israelische Armee ist sich der Bedeutung von Rafah für die Lösung des Konflikts bewusst", hiess es zudem auf einem Radiosender der Armee. Im Gebiet würden jene Tunnels verlaufen, die zum Schmuggel von Waffen in den Gazastreifen verwendet würden.
Doch Rafah ist vor allem aus einem Grund extrem wichtig: Dank seiner Nähe zu Ägypten, der südwestliche Rand der Stadt liegt direkt am gleichnamigen Grenzübergang, ist der Ort zum Drehpunkt für Hilfslieferungen aus dem Ausland geworden.
Rafah als "Kessel der Verzweiflung"
Der 45-jährige Walid Radwan erzählt, wie er gemeinsam mit sechs Familienmitgliedern in einem Zelt an einer Strasse in Rafah wohnt. Gemäss des Sprechers der UN-Organisation OCHA leben die meisten Flüchtlinge in Zelten – "die Stadt ist zu einem Kessel der Verzweiflung geworden", so Jeans Laerke.
Radwan sieht bei einer israelischen Offensive auf Rafah zwei Optionen: "Entweder sterben wir, oder wir versuchen die Grenze zu überqueren und nach Ägypten zu gelangen". Ob den Flüchtlingen dort wirklich Hilfe zuteil wird, ist ungewiss: Ägypten hatte es seit dem 7. Oktober 2023 wiederholt abgelehnt, mehr Flüchtlinge aus dem Gazstreifen aufzunehmen. Das Land begründete den Entscheid mit Besorgnis über eine mögliche Vertreibung der Palästinenser und regionalen Sicherheitsfragen.
Netanjahu verwirft Pläne über Ansiedlung im Sinai
Die 1,5 Millionen Menschen in Rafah könnten also zwischen der israelischen Armee und der Grenze, die sie nicht passieren können, eingekesselt werden – ob dies der offizielle Plan der Regierung von Benjamin Netanyahu ist, ist aber unklar. Israelische Pläne sahen vor, die Flüchtlinge in Sinai, einem Wüstenstück zwischen Israel und Ägypten, anzusiedeln - Ministerpräsident Netanyahu ruderte dann aber zurück und nannte die Pläne eine "hypothetische Übung".
Bis heute hat Israel gegenüber seinen Verbündeten nicht abschliessend mitteilen können, was das endgültige Ziel der Bodenoffensive im Gazastreifen sein soll. Während die rechtsextremsten Stimmen die vollständige Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen fordertn, muss das Land nach der Rüge des Internationalen Gerichtshof bereits besser Rechenschaft über seine Handlungen ablegen.