"Ich fürchte mich vor Sex mit meiner Freundin!"

Frage von Finn (24) an Doktor Sex

Ich habe ziemlich Angst vor Sex, seit ich mich vor einem Vierteljahr auf eine Beziehung eingelassen habe. Dies auch, da ich jeweils beim Geschlechtsverkehr in meinem Geschlechtsorgan ein komisches Ziehen spüre, das mit einem Schmerz verbunden ist.

Eine Untersuchung beim Hausarzt hat keine körperliche Ursache ergeben. Ich vermute daher, dass die Symptome psychischer Natur sind. In Zusammenhang mit diesem Erlebnis ist auch meine Lust komplett weg. So habe ich das noch nie erlebt.

Meine Freundin finde ich total sexy. An ihr kann es nicht liegen. Am ehesten könnten die hohen Ansprüche, die ich an mich habe, ein Grund sein. Meine Selbstzweifel werden immer größer und ich kann mir schon gar nicht mehr vorstellen, wie es ist, entspannt und ohne Versagensangst Sex zu haben. Was ist bloß los mit mir?

Antwort von Doktor Sex

Lieber Finn,

Bevor wir loslegen: Schmerzen an und in den Geschlechtsorganen sowie alle Auffälligkeiten, die mit den Nieren und dem Wasserlassen zu tun haben, gehören ins Fachgebiet der bzw. des Urologen. Was du beschreibst, kann sehr wohl organische Ursachen haben. Es macht daher Sinn, dich vom Hausarzt noch zu einer spezifischeren Untersuchung überweisen zu lassen.

Nun aber zur Möglichkeit, dass die Ursache deiner Leiden eine psychische ist: Ängste, die beim Sex auftauchen, sind in meiner Praxis häufig ein Thema. Sie werden aber weitaus häufiger von Männern als von Frauen geäußert. Insbesondere die Angst davor, beim Sex "zu versagen", habe ich noch nie von einer Frau gehört.

Versagensängste von Männern haben ausschließlich mit dem Bild zu tun, das die Betroffenen vom eigenen Mann-Sein haben – nicht nur, aber auch beim Sex. Und dieses ist meist geprägt von Leistung und Effizienz. Mann orientiert sich stets nach oben und will zu den Erfolgreichen gehören.

In Bezug auf Frauen bedeutet dies, eine potenzielle Sexual- oder Beziehungspartnerin von der eigenen bio-sozio-ökonomischen Potenz zu überzeugen, sie in der Folge nach allen Regeln der Flirtkunst zum Sex zu verführen, dabei eine hammerharte Erektion zu haben und die Eroberte in den krassesten Stellungen zu gigantischen Orgasmen zu bringen.

Auch wenn kein Mann wirklich weiß, wie er dies anstellen soll: Diese Idee oder vielmehr dieser Anspruch ist fest in den Köpfen verankert und führt zu großem Leiden – für die Männer, aber ebenso für die Frauen, denn sie werden zum Objekt dieser weitgehend egoistischen Performance gemacht.

Es sind viele kleine Anzeichen, die Männer darauf hinweisen, dass etwas an ihrer Haltung und ihrem Handeln nicht stimmt. Dazu gehören neben einem grundsätzlichen Unbehagen dem Leben gegenüber manche Formen der Erektionsstörung – im Volksmund fälschlicherweise oft als Impotenz bezeichnet –, frühzeitige Samenergüsse und Lustlosigkeit.

Das Problem an der Wurzel anzugehen, bedeutet, nicht beim Sex oder diesen Symptomen im Einzelnen anzusetzen, sondern bei dir als Mensch und Mann!

Überprüfe deine Wertvorstellungen – radikal und kritisch. Von deiner Haltung und von deinen Überzeugungen hängt es letztlich nämlich ab, was du tust oder lässt, wie du im Leben stehst.

Weil Prägungen stark mit Erziehung und Sozialisation eines Menschen zusammenhängen, ist es meist sinnvoll, eine solche Persönlichkeitsanalyse mit fachlicher Begleitung anzugehen. Alles Gute!