Wirtschaft

Hungerlohn, 18-Stunden-Dienste in Fastfood-Lokalen 

Heftige Anschuldigungen gegen Fast-Food-Hersteller Burger King! Laut Arbeiterkammer wird der Konzern mit schweren Ausbeutungs-Vorwürfen belastet.

Nicolas Kubrak
Die Mitarbeiter beklagen schlechte Arbeitsbedinungen.
Die Mitarbeiter beklagen schlechte Arbeitsbedinungen.
(Bild: kein Anbieter/imago stock & people)

Bereits im Juni 2022 wurde ein österreichweiter Fall von Ausbeutung, mutmaßlichem Menschenhandel und organisierter Scheinselbstständigkeit aufgedeckt. Kern der Causa: Ein deutscher Staatsbürger und eine österreichische Staatsbürgerin sollen über ihre Firma S.H.G. über Jahre hinweg mehr als 200 Kollegen aus Drittstaaten verliehen haben, die auch bei bekannten Unternehmen – darunter u.a. Franchisenehmern von Burger King  – zum Einsatz gekommen sein sollen, so die AK.

18h-Dienste für 9,50 € brutto

Die Eigentümer der mittlerweile insolventen S.H.G. sollen die Arbeiter  – mehrheitlich Asylwerber mit Iraker Papieren – gezielt unter Druck gesetzt haben, um Gewerbeberechtigungen einzuholen. Sie waren als gewerblich selbstständig Erwerbstätige bei der Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS) versichert, stellten Arbeiterkammer, Gewerkschaft PRO-GE sowie die Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentierter Arbeitender (UNDOK) fest.

Allerdings sollen die Betroffenen alles andere als selbstständig gearbeitet haben: Ihre exzessiven Arbeitszeiten (sie sollen sogar 18-Stunden-Dienste verrichtet haben!) wurden von der S.H.G. festgelegt. Laut Aufdeckung arbeiteten sie wie normale Arbeitnehmer mit – aber zu Dumpinglöhnen.

Pro Stunde sollen die Betroffenen 9,50 Euro brutto erhalten haben, was weit unter dem kollektivvertraglichen Mindestlohn liegt. An ihren Arbeitsstätten (Tankstellen, Gastronomien, Fußballstadien) unterlagen sie den Weisungen der dortigen Chefs und verwendeten deren Betriebsmittel. "Die betroffenen Arbeitnehmer waren also allesamt Scheinselbstständige", heißt es im Bericht.

Bei Krankheit drohte Kündigung

Im Ergebnis soll die S.H.G. die Regelungen der Arbeitskräfteüberlassung umgangen haben. Doch nicht nur sie, auch die Auftraggeber der S.H.G. sollen massiv profitiert haben. Nach Verträgen, die der AK Wien vorliegen, bezahlten mehrere Auftraggeber pro Arbeitsstunde zwischen 14,50 Euro und 16,50 Euro. Das liegt nicht nur deutlich unter den üblichen Preisen in der kommerziellen Arbeitskräfteüberlassung, sondern deckt nicht einmal die real zustehenden Lohnkosten.

Darüber hinaus soll die Firma den Arbeitenden rechtwidrige Pauschalen für Transport und Unterkunft sowie nicht weiter definierte Abschlagszahlungen abgezogen haben. Überlange Arbeitszeiten, Verletzung der Ruhezeiten, nicht bezahlte Überstundenzuschläge und fehlende Sonderzahlungen sollen Teil des Systems gewesen sein. Wurden Arbeiternehmer krank oder wollten Urlaub, wurde sofort mit Kündigung gedroht. 

Geschäftsführer vor Gericht

2022 wandten sich erste Betroffene an die UNDOK – die Anlaufstelle leistete Rechtsberatung und machte die Ansprüche der Arbeitenden gegenüber S.H.G. geltend. Als Reaktion erfolgten zunächst nur Einschüchterungsversuche seitens der Firma. Im Rahmen einer Gemeinsamen Prüfung von Lohnabgaben und Beiträgen (GPLB) stellte die ÖGK schließlich fest, dass die rund 200 Dienstnehmer von S.H.G. scheinselbstständig tätig und daher echte Arbeitnehmer waren. Die Staatsanwaltschaft Linz nahm die Ermittlungen wegen zahlreicher Delikte auf und erhob u.a. auch wegen Menschenhandels, Anklage gegen den S.H.G.-Geschäftsführer und eine weitere Mitarbeiterin. Dieses Strafverfahren ist derzeit noch vor dem Landesgericht Linz anhängig.

"Es ist die Spitze des Eisbergs"

In einer gemeinsamen Pressekonferenz (AK, PRO-GE, UNDOK) am Dienstag sagte AK-Bereichsleiter für Arbeitsrechtliche Beratung, Ludwig Dvořák, dass dieser Fall nur die Spitze des Eisbergs sei und das Problem deutlich mehr Branchen betreffe – etwa die Paketzustellung. PRO-GE-Bundessekretär Reinhold Binder äußerte sich in ähnlichen Tönen: Ausbeutung schade nicht nur den Dienstnehmern, sondern auch der Allgemeinheit und dem Sozialstaat. Es brauche deutlich höhere Strafen – nicht nur monetäre. Binder brachte etwa Haftstrafen und mehr Kontrollen ins Spiel. 

Die AK fordert zudem ein wirksames Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping, mehr Schutz vor Scheinselbstständigkeit sowie eine Regulierung der Subunternehmensstruktur. "Die Haftung des Erstauftraggebers für die Löhne wäre eine wirksame Maßnahme, um die Subvergaben weniger attraktiv zu machen und die Verantwortung für die korrekte Entlohnung dort anzusiedeln, wo die Hautprofiteure dieses Systems sind", heißt es.

"Aussagen nicht zutreffend"

Auf "Heute"-Nachfrage hieß es seitens der Eatery Group – sie verwaltet die bekannte Burgerkette in Österreich –, dass die Anschuldigungen bekannt, die darin enthaltenen Aussagen jedoch "nicht zutreffend" seien. Man habe bereits einen Anwalt eingeschaltet, der bei der Klarstellung des Sachverhalts helfen solle.

In einem Anwaltsbrief an die AK, der "Heute" vorliegt, heißt es, dass die Leiharbeitsfirma zwei selbstständig wirtschaftenden Franchisenehmern (nicht der Eatery Group und auch nicht Burger King Europe) Personal angeboten habe. Nach ordnungsgemäßem Vertragsabschluss sei das Personal nach Aussage der betroffenen Franchisenehmer kurzfristig und übergangsweise in zwei von ihnen betriebenen Filialen eingesetzt worden. "Sämtliche Rechnungen der Leiharbeitsfirma wurden nach Kenntnis unserer Mandantin wie vorgeschrieben über den Kollektivvertrag bezahlt", heißt es im Schreiben.

Burger King distanziert sich

In den betroffenen Betrieben seien alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen "genauestens" eigehalten worden. "Dass die beauftragte Firma das Personal nicht ordnungsgemäß bezahlt haben dürfte, war den Franchisenehmern nicht bekannt. Tatsächlich haben diese davon erst vor ein paar Wochen von der AK im Zusammenhang mit dem Konkursverfahren der Leiharbeitsfirma erfahren." Beide Franchisenehmer sowie die Eatery Group, ebenso wie Burger King Europe, distanzieren sich von der Vorgehensweise der Leihfirma. 

1/50
Gehe zur Galerie
    <strong>21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert</strong>. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. <a data-li-document-ref="120073491" href="https://www.heute.at/s/fuer-490-euro-voellig-ungeniessbares-schulessen-serviert-120073491">"Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.</a>
    21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. "Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.
    privat, iStock