Spieletests
"Hogwarts Legacy" im Test – wunderbar magisch
"Hogwarts Legacy" ist da und beweist endlich, dass der Vorab-Hype um Games auch gerechtfertigt sein kann. Es ist ein wunderbar magisches Abenteuer.
Viel Skepsis herrschte vorab gegenüber dem Action-Adventure "Hogwarts Legacy" – Gerüchte und Informationen zu einem Bezahl-Zugang zu bestimmten Game-Modi, eine längere Wartezeit als angekündigt und ruckelnde Videospiel-Passagen machten die Runde und verunsicherten Fans. Auf der anderen Seite gab es aber auch einen so monatelangen Hype rund um das Spiel im "Harry Potter"-Zauberuniversum, wie man ihn zuletzt bei "Cyberpunk 2077" sah.
Während "Cyberpunk" aber für viele Wartende zur Enttäuschung wurde, zeigt "Hogwarts Legacy" (10. Februar 2023 für PlayStation 5, Xbox Series X|S und PC, am 4. April 2023 für Xbox One und PlayStation 4 und am 25. Juli 2023 für Nintendo Switch), warum der Hype gerechtfertigt war.
Im Spiel wird der Traum eines jeden Fans war: Spieler schlüpfen in die Rolle einer Schülerin oder eines Schülers, der an die sagenumwobene Zauberschule Hogwarts kommt und dort die Kunst der Magie lernen soll. Allerdings geht es nicht im ersten, sondern direkt im fünften Schuljahr los. Das mag Spieler anfangs verwirren, wird in der Handlung aber durchaus verständlich aufgeklärt. In Sachen Handlung möchten wir zurückhaltend und ohne Spoiler bleiben: Sie dreht sich um unsere Spielfigur, uralte Zauberfähigkeiten, ein Kobold-Problem und den Schulalltag zwischen Schabernack, Lerneinheiten und fantastischen Abenteuern. Der Plot wird grandios erzählt und fesselt von der ersten Minute an – und auch die Umsetzung lässt sich sehen.
Begeisterung selbst als Nicht-Fan von "Harry Potter"
Die Videosequenzen sind grafisch und erzählerisch dermaßen gut, dass sie zusammengeschnitten locker als neuer Kinofilm durchgehen könnten. Warnung an die Kleinsten: Wie die späteren "Harry Potter"-Filme zeigt auch die Handlung streckenweise äußerst düstere und brutale Elemente – ältere Magie-Fans wird es freuen. Platte Sprüche, langweilige Dialoge, breitgetretene Belanglosigkeiten? Gibt es im mehrere Dutzend Spielstunden langen Game so gut wie nicht. Vom Moment an, in dem wir unseren Brief bekommen, in dem uns die Aufnahme an der Zauberschule mitgeteilt wird, ist es um uns geschehen und wir wollen den Controller (getestet wurde auf der PlayStation 5) nicht mehr aus der Hand geben. Und das als Nicht-Potter-Fan.
So abwechslungsreich wie die Story ist auch das Gameplay – die Schauplätze wechseln zwischen einer beeindruckend großen Open-World und abgegrenzten Arealen mit Kampf- und Zauber-Missionen ab. Gerade zum Start des Games zeigt sich aber, dass es nicht vollkommen frei von Kritik ist. Zwar darf man seinen Charakter per Editor zusammenbauen, dabei aber nur aus einigen wenigen Vorlagen wählen und nicht allzu frei die Gesichter und Haare verändern. Generell sind Charakter-Modelle der Schüler gleich mehrmals in der Schule zu finden – altersmäßig unterschieden sich die meisten zudem kaum voneinander. Und schon bei den ersten Schritten zeigen sich manches Mal ein paar Ruckler und nachladende Texturen.
Abseits der Bugs ein atemberaubend schönes Game
Ploppen Mauern oder Türen aus dem Nichts auf, sind das unschöne Auffälligkeiten im sonst so genialen Titel. In Dialogen wiederum frieren gerne mal Gesichter ein oder Kleidungsstücke clippen durch den Körper. Vieles wird da wohl noch durch Updates beseitigt werden, für den Test wollen wir diese Auffälligkeiten aber dennoch erwähnen. Wobei wir hier von keinem grafisch schlechten Spiel sprechen, denn generell sind die Charaktere detailliertest umgesetzt, toll animiert und schön anzusehen. Noch besser wird es in der Spielwelt: Schon die Schulmauern beeindrucken ob ihrer Pracht, läuft oder fliegt man dann durch die Welt, kann man sich an den atemberaubenden und weitläufigen Umgebungen gar nicht mehr satt sehen.
In der Schule selbst wird man sich als Fan der "Harry Potter"-Filme übrigens sofort zurechtfinden, die Gänge und Räume gleichen beeindruckend jenen der Filmvorlagen. In der Spielwelt außerhalb der Schule bekommen Fans dagegen jede Menge Neues zu sehen – Leckerbissen der ganz besonderen Art, die die Spieler träumen lassen. Besonders beeindruckend: Nicht nur grafisch hat man sich da sehr viel Mühe gegeben, ein Großteil der Häuser und Läden ist auch betretbar und ganz abseits der Missionen darf man dort auch einiges tun. So kann man sich in Shops etwa mit Souvenirs eindecken oder einfach auch ein Butterbier kippen, während man beispielsweise dem Smalltalk lauscht. Die Spielwelt ist so lebendig wie atemberaubend.
So lebendig war noch kaum eine Spielwelt zuvor
Besonders lebendig zeigt sich dabei der Raum der Wünsche, der unserer Figur als Art Spiel-Hub dient und den man nach eigenem Geschmack dekorieren kann – auch mit den in der Spielwelt ergatterten Items. Zudem gibt es zahlreiche Stationen, an denen sich Objekte für das Abenteuer herstellen oder verbessern lassen, was regelmäßige Besuche sicherstellt. Mit den Tier-Käfigen, Trank-Brauereien und Pflanzen-Anzuchten lässt sich ein umfangreiches Inventar-Arsenal schaffen. Dazu sind aber natürlich auch jede Menge Materialien notwendig, die man vor allem von den Tieren im Raum der Wünsche erhält. Niedlich: Die Tiere muss man erst in der Spielwelt entdecken, bevor man sie fangen und in seiner "Herde" pflegen darf.
Zurück zur übrigen Spielwelt: Erkunden hat nicht nur einen Ablenkungsgrund, auch können in der Spielwelt immer mal wieder einige Nebenmissionen aufgegriffen werden. Und: Die Spielwelt verändert sich mit dem Fortgang der Hauptstory deutlich, was die Abwechslung noch größer macht. Wechselnde Jahreszeiten, je nach Tag unterschiedliches Wetter, magische Verwandlungen, die Macher scheinen an alles gedacht zu haben. Dabei gibt es wie im Rest des Spiels auch etwas auf die Ohren, und zwar einen orchestralen Soundtrack, der qualitativ den Kinofilmen anständig Konkurrenz macht. Was zudem kaum ein Spiel schafft: Die deutsche Sprachausgabe ist so gut gelungen, dass man die englische gerne beiseitelässt.
Mehrere Dutzend Spielstunden durch spannende Quests
Etwas schnell und lieblos umgesetzt wurde nur die Zuteilung, welchem der vier Häuser – Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin – wir im Spielverlauf angehören sollen. Und im Spielverlauf hat das dann auch relativ geringe Auswirkungen. Es unterscheiden sich ein paar Dialoge und Figuren, zudem bekommt jedes Haus eine exklusive Missionsreihe, die die Spieler dann teils zu anderen Schauplätzen führt. Vier gänzlich unterschiedliche Spielverläufe, Handlungen und Zaubersprüche darf man sich da nicht erwarten. Aber immerhin: Die vier Häuser-Quests sind so gut und spannend gemacht, dass man nach einem kompletten Spieldurchgang noch gerne die sich früh freischaltenden Aufgaben der anderen Häuser durchzockt.
Je nachdem, wie sehr man in die Welt von "Hogwarts Legacy" eintaucht und wie viele der Deko- und Nebenaufgaben man erledigt, kommt man schnell auf mehrere Dutzend Spielstunden. Zwar gibt es dabei auch einige wiederkehrende Aufgaben, in denen etwa bestimmte Materialien gesammelt werden müssen, zum größten Teil überzeugt das Spiel aber mit unglaublich abwechslungsreichen Hauptmissionen und auch einem guten Teil an Nebenaufgaben, die sich zu überraschend spannenden Geschichten entwickeln und gleichzeitig auch Orte offenbaren, an die man mit dem reinen Beschränken auf die Story-Missionen gar nie gelangt. Perfekt: Verpassen kann man die Side-Quests nicht, sie sind jederzeit im Spielverlauf zugänglich.
Viele Möglichkeiten, aber kein künstliches Füllmaterial
Die Zeit verfliegt regelrecht, wenn man in den Unterrichtsstunden Tränke brauen und Zauber lernen – die Lektionen kommen gerne auch in Form unterhaltsamer Minispiele daher. Jede gelernte Lektion lässt sich dann in der offenen Spielwelt umsetzen, egal ob im Kampf oder bei der Lösung von Rätseln. Bis wir genug Sprüche haben, um wirklich alle Aufgaben bewältigen und alle Sammelgegenstände finde zu können, stehen neben den Unterrichtsfächern auch Hausübungen am Programm, die sich ebenfalls kurzweilig spielen und uns den Zugang zu neuen Zaubern bescheren. So groß die Zahl der Gameplay-Elemente in "Hogwarts Legacy" auch ist, es ist kaum etwas dabei, das die Spielzeit künstlich verlängern soll.
Die Handlung fokussiert übrigens nicht nur stark auf unserer Spielfigur, sondern auch seine Freunde und ganz bestimmte andere Charaktere, die dann jeweils eigene Missions-Reihen spendiert bekommen. Bei diesen Aufgaben werden wir in der Spielwelt von den betreffenden Figuren begleitet und erlebt dabei wunderbar umfangreiche Abenteuer aus drei der vier Häuser. Nur drei? Ja, Ravenclaw bekam keine solche Begleitermission spendiert, was aber kaum auffällt. Egal welches Haus man selbst auswählt, lassen sich alle Missionen uneingeschränkt erleben. Doch wie zaubert und fliegt es sich nun in "Hogwarts Legacy" eigentlich? Die Antwort ist kurz und knapp: fantastisch! Die Entwickler haben ganze Arbeit geleistet.
Einmal geflogen, schon ist es anders unvorstellbar
Schon bald nach dem Spielstart darf man sich auf seinen Besen setzen und damit fast uneingeschränkt durch die Spielwelt fliegen. Das sorgt für eine rasante Fortbewegung, bei der überraschenderweise zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle gewahrt bleibt. Zwar bietet das Game auch eine Schnellreise-Funktion oder die Möglichkeit, auf Tieren zu reiten (oder zu fliegen), diese Elemente geraten aber in Vergessenheit, sobald man einmal durch die Lüfte gesaust ist und sich die offene Spielwelt von oben betrachtet hat. Die Areale zeigen sich auch vom Himmel aus optisch opulent und offenbaren aus dieser Sicht neue Geheimnisse. Damit der Spieler nicht nur fliegt, gibt es auch einige wenige Gebiete, in denen der Besen tabu ist.
Einen guten Mix aus simpler Steuerung und komplexen Möglichkeiten bietet auch das Zaubern. Hier wurde eine grobe Unterteilung getroffen – in Zauber für den Story-Fortschritt, Magie für Rätsel und Kämpfe sowie Sprüche, die Umgebungsbedingungen wie Zeit und Raum verändern. Je nach Situation weiß man so zumindest schnell, in welcher Kategorie man einen Zauber nutzen will und muss sich nicht durch die immer zahlreicheren Sprüche graben. Spieler können sich die Zauber in die anfangs vier verfügbaren Fähigkeiten-Slots legen, die sich im Spielverlauf vergrößern. In Kämpfen sorgt eine Abklingzeit bei Sprüchen für Herausforderung und Nervenkitzel, außerhalb darf man frei nach Herzenslust zaubern.
Richtig böse, wie böse man im Spiel sein darf
Zu finden sind im Spiel fast sämtliche Sprüche, die man aus Büchern und Filmen kennt: Per Reparo werden kaputte Dinge wieder heil, Lumos erhellt auch die finstersten Areale, Expelliarmus entwaffnet Feinde, Evanesco lässt Gegenstände verschwinden, Protego wirft Angriffe auf Feinde zurück oder Descendo schmettert Gegner und Objekte zu Boden. Je nach Situation – ob im Kampf oder im Raum der Wünsche – gibt es zudem einige darauf beschränkte Zauber, etwa Veränderungs-Magie. Und ja, auch die unverzeihlichen Flüche haben Eingang in das Spiel gefunden – man darf also auch Figuren per Avada Kedavra in den sofortigen Tod schicken. Darf? Ja, denn hier weicht das Spiel deutlich vom "Harry Potter"-Universum ab.
Der Einsatz der Flüche zeigt zwei Probleme des Games auf. Einerseits können Spieler zwar selbst entscheiden, ob sie diese per Nebenquests lernen wollen oder nicht, aber ihre Nutzung in der Spielwelt hat keinerlei Auswirkungen auf unseren Charakter. So killt man sich richtiggehend durch die Reihen von Feinden und Figuren – und merkt dabei gar nichts davon, dass die Sprüche unverzeihlich sein sollen. Einzig in der Story wird auf die bösen Flüche Bezug genommen, Einschränkungen oder so etwas wie ein Moral-System gibt es bei ihrer Nutzung aber nicht. Andererseits kommen mit der sogenannten Alten Magie neue, todbringende Sprüche dazu. Diese lassen sich zaubern, wenn eine entsprechende Magie-Leiste aufgeladen ist.
Alte Magie verschärft das Fluch-Problem noch zusätzlich
Die Alte Magie verschärft das Problem noch zusätzlich, denn warum sollte man nicht – teils wirklich brutal animierte – Todessprüche einsetzen, wenn es dafür keine Konsequenzen gibt? Vielmehr darf man über das Fähigkeiten-System auch noch weitere dunkle Künste durch Talentpunkte freischalten, die man durch das Absolvieren von Aufgaben und das Entdecken von Orten erhält. Was schön gewesen wäre: Wenn das Game uns zumindest von Teilen der anderen Skill-Trees ausschließt, wenn wir Punkte in die dunklen Künste pumpen. Stattdessen darf man auch als böser Magier weiterhin die anderen Zaubersprüche oder Effekte von Tränken und Co. verstärken. Und auch die Gegner-KI hätte besser sein dürfen.
Allzu geschickt stellen sich Feinde nicht an und ignorieren uns sogar manchmal völlig, wenn wir in ihrer Nähe sind. Nichtsdestotrotz machen die Kämpfe Spaß, da sich einerseits Neulinge aufgrund der einfachen Steuerung sofort zurechtfinden und andererseits Kenner genug Möglichkeiten vorfinden, aus den vielen Sprüchen ihren eigenen Kampfstil zu entwickeln. Das Grundprinzip: Die Kampf-Slots bieten Zugriff auf eine Angriffs- und Block-Funktion sowie auf die selbst gewählten Zauberklassen. Feinde hüllen sich im Kampf in verschiedenfarbige magische Schilde, die mit dem passenden Zauber durchbrochen und gekontert werden können. Wie man Feinde dann besiegt, steht den Spielern vollkommen frei.
"Hogwarts Legacy" im Test – wunderbar magisch
Ob per Todesfluch ins Jenseits geschickt, per Schwebe- und Stoßzauber ausgeknockt oder per Stupor-Spruch einfach in die Bewusstlosigkeit geschickt, schnell findet man Gefallen am Experimentieren und bekommt auch den Dreh für ausführlichere Kombo-Angriffe raus. Und egal ob Kampf, Erkundung oder Story, jeder Bereich im Game hat eine eigene Fortschrittsanzeige. Wer sich da nur auf die Hauptstory fokussiert, muss schon mit nicht gerade gering ausgefallenen 35 Spielstunden rechnen. Wer wirklich alles im Spiel bekämpfen, erkunden, sammeln, lösen und erledigen will, der darf sich auf eine epische Reise mit bis zu 100 Spielstunden einstellen. Außer man überspringt natürlich Videos und Dialoge, was problemlos möglich ist.
Spieler können sich in "Hogwarts Legacy" auch mehreren Schwierigkeitsgraden stellen, wobei sie tendenziell einen höheren wählen sollten, denn selbst der normale Modus ist zu einem guten Teil recht einfach ausgefallen. Erkundung, Kampf, Sammelaufgaben und Story fügen sich im Spiel trotz der genannten Kritikpunkte zu einem epischen Ganzen zusammen. Was uns besonders positiv auffiel: Das Game motiviert uns auch nach der Story noch, weitere Quests anzunehmen und Aufgaben zu erledigen. Wo andere Spiele noch Aufgaben einfach des Sammelns und Kämpfens Willen einstreuen, serviert uns dieses Game eine Handlung nach der Story und begleitet uns durchs restliche Schuljahr. "Hogwarts Legacy" ist wunderbar magisch.