Klimawandel am Berg

Hilferuf aus den Alpen: "Hütten und Wege bröckeln weg"

95 Mio. Euro fordern alpine Vereine von der Politik, damit sie Hütten und Wanderwege vor dem Hintergrund der Klimakrise ehrenamtlich erhalten können.

Heute For Future
Hilferuf aus den Alpen: "Hütten und Wege bröckeln weg"
Permafrost, Wasserknappheit und Extremwetter stellen alpine Vereine vor große Herausforderungen.
JFK / EXPA / picturedesk.com

Die Berghütten und Wege "bröckeln uns buchstäblich weg". Es ist ein dramatisch klingender "Hilferuf", den die alpinen Vereine am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien absetzen. In den Bergen sperren immer mehr Hütten zu und Wege werden aufgelassen. 95 Millionen Euro fordern die Vereine jetzt von der Bundesregierung, damit sie die 272 Schutzhütten und 50.000 Kilometer an Wanderwegen ehrenamtlich weiterbetreuen und erhalten können.

Die Rede ist von einer "akuten Notlage, die Herausforderungen werden größer", warnt Gerald Dunkel-Schwarzenberger, Präsident des Verbands alpiner Vereine Österreichs. Einerseits sind die Hütten mitunter "sehr alt" – einige mehr als 150 Jahre – und benötigen Sanierungsarbeiten.

Andererseits setzt der Klimawandel den Bergen zu. "Der tauende Permafrost ist ein riesiges Thema, der Boden bröselt weg. Die extremen Wetterereignisse gehen den Hütten und Wegen an die Substanz. Und die Wasserknappheit führt dazu, dass die Saison mancherorts früher beendet werden muss", zählt Dunkel-Schwarzenberger auf.

Kosten in zehn Jahren verdoppelt

"Insbesondere durch klimatische Veränderungen werden die Wege in Mitleidenschaft gezogen", erläuterte Alpenvereinspräsident Wolfgang Schnabl. Starkregen und Stürme würden in immer kürzeren Intervallen auftreten und Schäden hinterlassen. Hinzu komme der "Permafrost, der auftaut und wo wirklich manche Hütte wegrutscht", sagte Schnabl. Die Investitionskosten hätten sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.

2022 wurde das Defreggerhaus am Großvenediger vorübergehend zugesperrt, weil die für die Bewirtschaftung benötigte Materialseilbahn auf Permafrost errichtet war, nannte Michael Platzer, Geschäftsführer des Österreichischen Touristenklubs, ein Beispiel. Eine zweite Hütte am Großvenediger sei wegen Wassermangels geschlossen worden und der Tourismus in der Region weggebrochen. Auch Stürme machen den Stützen der Materialseilbahnen teilweise zu schaffen.

Günter Abraham (Bundesgeschäftsführer Naturfreunde Österreich), Gerald Dunkel-Schwarzenberger (Präsident im Verband Alpiner Vereine Österreichs), Wolfgang Schnabl (Präsident im Österreichischen Alpenverein, Michael Platzer (GF Österreichischer Touristenklub)
Günter Abraham (Bundesgeschäftsführer Naturfreunde Österreich), Gerald Dunkel-Schwarzenberger (Präsident im Verband Alpiner Vereine Österreichs), Wolfgang Schnabl (Präsident im Österreichischen Alpenverein, Michael Platzer (GF Österreichischer Touristenklub)
Naturfreunde/Fritz

Vereine setzen Notruf aus den Bergen

Die vergangenen Jahre hätten sich die Vereine mit den bestehenden Fördermitteln und Mitgliedsbeiträgen der insgesamt mehr als 900.000 Mitglieder "drüber retten" können, erklärte Platzer. Ersatzbauten von Hütten seien damit aber nicht finanzierbar, diese kosten "in der Regel drei bis vier Millionen Euro". VAVÖ-Präsident Dunkel-Schwarzenberger sprach von einer "Herausforderung, die wir ohne Unterstützung der öffentlichen Hand nicht mehr meistern können".

In den einzelnen Vereinen wurde laut Dunkel-Schwarzenberger seriös analysiert, was in den kommenden fünf Jahren anstehe. Das Ergebnis: "Wir brauchen eine Sonderfinanzierung in Höhe von 95 Millionen Euro." Die Fördermittel von derzeit sechs Millionen Euro für die alpinen Vereine decken nur rund 18 Prozent der laufenden Instandhaltungskosten für Hütten, erläuterte er. Hinzu kommen die Mitgliedsbeiträge und viel ehrenamtliche Arbeit für die Wegeerhaltung und Betreuung der Schutzhütten.

Die Vereine setzen auf Klimafreundlichkeit und errichten biologische Kläranlagen sowie Photovoltaik, "wo es uns möglich ist", betonte Naturfreunde-Geschäftsführer Günter Abraham. "All das wird jetzt nicht mehr ausreichen, um diese Standorte zu halten", sagte er. "Wir brauchen diese 95 Millionen Euro, um einen Teil unserer Hütten zu erhalten, nicht alle." Die Sonderdotierung solle in einem Jahr aufgestellt und im nächsten Regierungsprogramm verankert sein, so der Wunsch. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, wurden eine Infokampagne und eine Petition unter dem Titel "Notruf aus den Alpen" gestartet.

Gletschermessungen an der Pasterze am Großglockner

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    Die Gletscherschmelze (hier an der Pasterze am Großglockner) macht die Klimakrise sichtbar. Das heurige Jahr (2022) war ein besonders ungünstiges für die heimischen Gletscher.
    Die Gletscherschmelze (hier an der Pasterze am Großglockner) macht die Klimakrise sichtbar. Das heurige Jahr (2022) war ein besonders ungünstiges für die heimischen Gletscher.
    Valentin Mazal
    red
    Akt.