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Hier baut Samsung in nur zwei Stunden dein Smartphone
Nur Wenigen ist ein Blick hinter die Kulissen der Smartphone-Hersteller erlaubt. "Heute" durfte sich nun in Samsungs Flaggschiff-Produktion umsehen.
Wer sich etwas mit Smartphones und ihrer Produktion beschäftigt, stößt früher oder später unvermeidlich auf unfassbare und bizarre Erzählungen von unvorstellbaren Arbeitszeiten, unhygienischsten Zuständen bis hin zu verbotenen Toiletten-Pausen und sogar Suiziden. Traurige Berühmtheit erlangte etwa der Elektronikhersteller Foxconn (der Teile unter anderem für Apple herstellt), in dessen Werken es in China über die Jahre wegen der brutalen Arbeitsbedingungen zu zahlreichen Selbsttötungen gekommen war. Als Reaktion wurden nicht nur die Löhne erhöht und einige Freiheiten wie religiöse Gebete eingeführt – sondern auch Suizid-verhindernde Netze um die Fenster der Fabriken gespannt, um Sprünge zu verhindern.
Generell gelten Smartphone-Fabriken als Sperrgebiet für die Öffentlichkeit und nur wenigen Personen ist es überhaupt möglich, einen Blick in die Produktionshallen zu werfen. "Heute" gelang dies – in Samsungs Produktionsbasis in der rund 408.000-Einwohner-Stadt Gumi, dem "Silicon Valley" Südkoreas. Die Smart City in Gumi gilt als Samsungs "Mutterfabrik, die endlos Innovation vorantreibt", hier laufen etwa die Smartphone-Flaggschiffe Galaxy Z Fold5, Galaxy Z Flip5 und die Galaxy S23 Serie vom Fließband – günstigere Geräte werden in anderen der neun Fabriken in sieben Ländern hergestellt. Apropos: Seit 1988 wurden weltweit von Samsung über sechs Milliarden Smartphones hergestellt, rund 900 Millionen davon in Gumi.
Riesige Hallen – und überraschend menschenleer
Beim Besuch in Gumi Ende Juli 2023 sind zwar viele Bereiche der Fabrik, die eher wie ein Universitäts-Campus wirkt, mit einem Kamera-Verbot belegt, nach Ausbeutungsbetrieb sieht hier aber nichts aus. Im Gegenteil: Außerhalb der Gebäude warten weitläufige Parks und Wiesen auf Besucher und Mitarbeiter, fröhliche Musik schallt aus den Lautsprechern (in Naturstein-Form) und auch Fotos sind hier ohne Einschränkungen erlaubt. Am Gelände gibt es zahlreiche Freizeitanlagen wie ein Kino, Fitnesscenter, einen Treffpunkt für Vereinsaktivitäten (rund 80 Prozent der Mitarbeiter sollen daran teilnehmen), auch ein Karaoke-Lokal und drei Cafeterien – plus eine Kinderbetreuungsstätte mit aktuell 170 Kindern und ein Wohnheim.
In den "heiligen Hallen" der Produktion selbst ist Sauberkeit oberstes Gebot und Besucher werden mit Plastiküberzügen für die Straßenschuhe ausgestattet. In den Produktionslinien, wo man eigentlich Tausende hektische Mitarbeiter erwartet, ist es überraschend leer und bis auf mechanisches Klackern ruhig. Rund 8.000 Mitarbeiter sind in den Produktions- und Testlinien – rund 30 davon nehmen jeweils ein ganzes Stockwerk ein – tätig. Zu Gesicht bekommt man aber die wenigsten. Der Grund, wie uns erklärt wird: Der Großteil der Produktion wurde mittlerweile automatisiert und selbst bei vielen Problemen an den Maschinen kann die Künstliche Intelligenz eingreifen und sie lösen. Offenbar nur selten müssen hier Menschen selbst ran.
Roboter bringen die Teile von Maschine zu Maschine
Händisch erledigt werden nur noch wenige Arbeiten, etwa das Bekleben der fast fertigen Smartphones mit Schutzfolien oder der Feinschliff bei der Verpackung. Bis zu 1,2 Millionen Smartphones können so an nur einem Tag zusammengesetzt werden – ein neues Galaxy Z Flip5 oder Galaxy Z Fold5 wird aus den Einzelteilen in nur rund zwei Stunden fertig verbaut. Von der Arbeit hinter den Kulissen bekommen Besucher wenig mit. Hier programmieren Samsung-Experten die automatisierten Herstellungslinien, zwischen deren Maschinen emsig kleine Transport-Roboter Paletten voller Bauteile hin- und herrollen – und Besucher, die im Weg stehen, mit fröhlichen Pieptönen darauf hinweisen, dass sie gerade etwas im Weg stehen.
Überraschend sind die Daten, die Samsung von den Gumi-Mitarbeitern zur Verfügung stellen – sie arbeiten in drei Schichten, 80 Prozent sind weiblich, das Durchschnittsalter beträgt 34 Jahre, über die Hälfte ist verheiratet, viele starten ihre Arbeit in Gumi direkt nach der "High School" im Alter von etwa 18 Jahren und sind im Schnitt rund 15,6 Jahre hier beschäftigt. Warum der Hinweis auf die Heirat? In vielen Jobs legen in Korea Frauen die Arbeit nieder, wenn sie heiraten und eine Familie gründen. Samsung will damit offenbar zeigen, dass sich im eigenen Betrieb Arbeit und Familienleben aber entgegen dem Trend vereinen lassen. Wer keine weiterführende Ausbildung genossen hat, bekommt sie ebenfalls direkt beim Arbeitgeber.
Hier wird alles im eigenen Haus durchgeführt
Samsung bietet eigene Kurse, in denen Mitarbeiter in Klassenräumen und an Modell-Arbeitsplätzen von Beginn bis zum Ende lernen, wie ein Smartphone zusammengebaut wird. Wer will, kann laut Samsung-Angaben aber auch neben der Arbeit ein Studium absolvieren, etwa mit Nachtkursen. Bei der Arbeit selbst wird die Leistung der Mitarbeiter erfasst und analysiert – im Gegensatz zu anderen Bewerbern konnten wir hier allerdings keine öffentlichen Bewertungstabellen in Plakat-Form entdecken, die den Konkurrenzkampf anheizen und den Druck auf die Mitarbeiter erhöhen. Abseits davon ist beeindruckend zu sehen, wie Samsung alles selbst herstellen kann – von Formen und Rahmen für die Handys über Chips bis hin zu Displays.
Die gesamte Fabrik existiert laut Samsung nicht nur in der Realität, sondern auch als digitaler Zwilling, bei dem die Mitarbeiter bei Bedarf jede kleinste Änderung in der Automatisierung sofort umsetzen können. Erscheint ein neues Smartphone-Modell, werden die Parameter digital angepasst, ein manueller Umbau der "Assembly Line" ist in den wenigsten Fällen notwendig. Samsung baut die Smartphones in Gumi aber nicht nur zusammen, sondern forscht auch an Innovationen wie Displays, Gehäusematerialien und Beschichtungen, beschäftigt eine eigene Abteilung für Recycling und Ressourcen-schonenden Materialeinsatz, bietet ein Hightech-Museum zur Smartphone-Geschichte und testet auch alle Geräte im Haus.
Über 1.000 Smartphone-Tests rund um die Uhr
In ebenfalls riesigen Hallen werden Tausende Smartphones 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche auf Herz und Nieren getestet. Ein offizielles Ende der Tests gibt es hier nicht, erklärt Samsung, denn mit jeder kleinsten Veränderung wie einem Software-Update würden die Geräte immer und immer wieder alle der Hunderten Tests noch einmal durchlaufen. Und diese sind spektakulär: Mit menschlich wirkenden Silikonmasken wird der Betrachtungswinkel und die Gesichtserkennung der Kameras ausprobiert, in Wasserbecken gehen die Smartphones auf Tauchgang, in Kälte- und Hitzekammer werden sie extremen Bedingungen ausgesetzt und in einem eigens eingerichteten Bereich werden die Funkeinheiten der Geräte getestet.
Samsung will nach eigenen Angaben nichts dem Zufall überlassen. So werden die Smartphones auch Tests mit Ladegeräten und Car-Kits von Drittanbietern unterzogen oder ein flinker Roboterarm steckt mit den Smartphones gekoppelte Bluetooth-Kopfhörer im Dauertakt in Silikonohren, um die Verbindungsqualität zu prüfen. Und klar: Neben Tausenden Testfotos und Tasten-Drückern werden die neuen Falt-Smartphones natürlich in Dauerschleife auf- und zugefaltet. Über 1.000 Tests laufen in den Hallen zeitgleich ab, ebenfalls zum allergrößten Teil vollautomatisiert, so Samsung. Melden Nutzer übrigens Probleme, baut man die jeweilige Situation hier nach, um den mutmaßlichen Fehler nachstellen und so rasch beheben zu können.
Ein äußerst überraschender Einblick in die Fertigung
Von unmenschlichen Arbeits- und Produktionsbedingungen ist in der Gumi-Fabrik von Samsung weit und breit nichts zu sehen – soweit es der rund vierstündige Besuch Ende Juli zuließ, war es im Gegenteil sogar sehr überraschend, wie ruhig es in den Fertigungshallen und wie entspannt es außerhalb der Gebäude am Campus zuging. Beeindruckend war aber auch, wie weit die Automatisierung mittlerweile um sich gegriffen zu haben scheint. Bei einem Werksbesuch eines Mitbewerbers im Jahr 2018 wimmelte es an den Fertigungsstationen noch vor Mitarbeitern – fünf Jahre später stand man nun vor gigantischen Produktionslinien, wo nur noch eine Handvoll Mitarbeiter ihren Dienst direkt an den Maschinen verrichtete.