Villach, 15. Februar. Ein 23-jähriger Attentäter sticht auf einen 14-jährigen Buben ein – das Kind stirbt noch am Tatort. Doch der Terrorist will noch mehr Menschen töten. Nur einem mutigen Mann ist es zu verdanken, dass es kein Massaker wurde: A., ein 42-jähriger Foodora-Fahrer, überfährt den Täter mit seinem Auto und stoppt ihn so.
"Ich habe nicht nachgedacht. Ich sah das Messer, und ich bin einfach losgefahren", sagt A. bei einer Medienrunde in Wien. Für seine Tat wurde er gefeiert – aber auch bedroht. Radikale Gruppen hetzten gegen ihn, er erhielt Morddrohungen. Die Polizei stellte ihm vorübergehend Schutz zur Seite, heute ist sie weiter in Kontakt mit ihm.
A. stammt aus Syrien, war dort Friseur mit eigenem Salon. 2013 floh er mit Frau und Zwillingen nach Europa, lebte erst in Ägypten, dann kam er nach Österreich. "Ich wollte einfach arbeiten, leben, frei sein." Nach seiner Anerkennung als Flüchtling arbeitete er wieder als Friseur – bis Corona kam. Seitdem ist er Lieferfahrer. Bis zu jenem dramatischen Tag in Villach.
Seine Tat ging durchs ganze Land – gefeiert von vielen, aber nicht von allen. "In radikalen Gruppen wurde ich angefeindet. Ich habe sogar Morddrohungen bekommen", sagt A. Vor allem in der Anfangszeit stand die Polizei fast rund um die Uhr vor seiner Wohnung. "Sie haben mich jeden Tag angerufen, gefragt, ob alles okay ist."
Auch heute ist A. noch nicht ganz ohne Polizei-Schutz. "Es geht besser. Aber die Polizei ist immer in der Nähe. Sie fragen regelmäßig nach mir." Angst um sein Leben hatte er trotz der Drohungen nie. Dafür hat er extra seinen Look geändert, ihn erkennt deswegen fast keiner mehr, sagt er. Vielmehr hatte er Sorgen um seine Familie.
Weil das Anfahren eines Menschen strafbar ist, ermittelte die Staatsanwaltschaft. Inzwischen wurde das Verfahren eingestellt. Für A. war das nur Formsache: "Ich wusste, dass ich richtig gehandelt habe."
Statt über sich selbst zu sprechen, lenkt A. den Blick nun auf ein anderes Thema – die Gefahren von TikTok. "Der Täter war ständig auf TikTok. Es hat ihn verändert. Das ist eine Katastrophe", sagt A. eindringlich. Für ihn ist klar: Die Plattform hat eine Mitverantwortung an der Tat. "Europa muss handeln. Diese App kann junge Menschen zerstören."
Auch Abdulhkeem Alshater, Vorsitzender der Freien Syrischen Gemeinde, warnt vor der Plattform. "Eine Freundin meiner Tochter – ein ganz normales österreichisches Mädchen – hat auf TikTok IS-Videos geschaut. Plötzlich wollte sie eine Burka tragen, ohne zu wissen, was das bedeutet." Aus Angst verbot er den Kontakt: "Ich lasse meine Kinder nicht mit dieser Radikalisierung allein."
Alshater fordert schärfere Maßnahmen gegen Extremisten – aber auch eine differenzierte Darstellung in der Öffentlichkeit. "Islamismus ist nicht gleich Islam. Diese Vermischung schadet uns allen – besonders friedlichen Muslimen in Österreich."
A. bleibt trotz allem bescheiden: "Ich bin kein Held. Ich habe einfach getan, was jeder tun sollte. Wenn jemand Hilfe braucht und man kann helfen – dann muss man es tun."
Seine Kinder dürfen TikTok übrigens nicht nutzen: "Ich verbiete es ihnen. Es ist zu gefährlich. Man weiß nie, was sie dort sehen." Viele syrische Familien sehen das ähnlich.