Ukraine

Heeres-Oberst mit Ansage: Ukraine "ist gescheitert"

Oberst Markus Reisner analysiert laufend das Kriegsgeschehen in der Ukraine. Für die laufende Gegenoffensive sieht es nicht gut aus, sagt er.

Roman Palman
Oberst Markus Reisner hält die erste Phase der ukrainischen Gegenoffensive für "gescheitert".
Oberst Markus Reisner hält die erste Phase der ukrainischen Gegenoffensive für "gescheitert".
Screenshot YouTube; Russian Defence Ministry/TASS via Imago

Der große Durchbruch war noch nicht dabei. Seit Wochen kämpfen Ukrainer und Russen erbittert um die Frontline. Die Gegenoffensive ist zwar angelaufen, doch Geländegewinne werden eher mit dem Zollstock gemessen, als auf Karten eingezeichnet. Die Ukrainer dürften aber mittlerweile realisiert haben, dass ihre Taktik nicht den gewünschten Erfolg auf dem Schlachtfeld bringt – und umgeschwenkt haben. Das sagt zumindest Markus Reisner, Oberst des Österreichischen Bundesheeres, am Montag in einem Interview mit ntv.

"Wie mit einer Schachfigur"

Einer der erfolgreichsten Vorstöße sei den Ukrainern südlich von Bachmut gelungen, wo man 500 bis 1.000 Meter zurückerobern konnte. Doch woran hapert es eigentlich? "Sie müssen sich das Gelände dort vorstellen wie ein Schachbrett. Die Linien zwischen den einzelnen Feldern sind Waldzeilen, auch Windschutzgürtel genannt. Wenn Sie eine dieser Linien erobern, dann beherrschen Sie das nächste Feld", erklärt Reisner die Lage. Das Problem sei gewesen, dass die Ukrainer versucht hätten, "von einem Feld ins nächste zu ziehen wie mit einer Schachfigur", was zu schweren Verluste geführt habe.

Deshalb kommt der Kriegsbeobachter zu einem verheerenden Schluss: "Die erste Phase der ukrainischen Offensive ist aus meiner Sicht gescheitert. Man hat versucht, wie aus einem Lehrbuch der US-Armee massiert vorzustoßen." Das sei gescheitert, weil die Russen darauf zu gut vorbereitet gewesen wären.

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    Videoaufnahmen einer russischen Heli-Crew zeigen die schweren Verluste westlicher Panzer bei einer ukrainischen Gegenoffensive bei Saporischschja. (10. Juni 2023)
    Videoaufnahmen einer russischen Heli-Crew zeigen die schweren Verluste westlicher Panzer bei einer ukrainischen Gegenoffensive bei Saporischschja. (10. Juni 2023)
    IMAGO/ITAR-TASS

    "Mittlerweile haben die Ukrainer ihre Taktik geändert"

    Aber man habe aus diesen Fehlern gelernt: "Mittlerweile haben die Ukrainer ihre Taktik geändert. Sie versuchen jetzt, mit kleineren Kräften an den Trennlinien zwischen den Feldern vorzumarschieren, weil dort das Gelände günstiger ist." Statt mit Panzerkolonnen wird nun mit kleinen Sturmgruppen zu Fuß vorgerückt. "Bei der Taktik werden die Fahrzeuge dafür verwendet, die Soldaten bis zu einer bestimmten Stelle zu transportieren, meist mit starkem Bewuchs oder im urbanen Raum, wie zum Beispiel ein bereits befreites Dorf. Von dort aus versuchen diese kleinen Gruppen vorzumarschieren."

    Das sei im Übrigen die gleiche Taktik, die auch die Russen seit Sommer letzten Jahres anwenden. "Sie können so zwar keine großen Durchbrüche erzielen, aber sich Stück für Stück vorarbeiten", sagt Reisner. Der Clou: "Wenn Sie eine dieser Linien zwischen den Schlachtfeldern erobert haben, dann beherrschen Sie automatisch das nächste Feld. Sie springen also von einer Waldzeile zur nächsten." Nur: das dauere alles sehr lange. "Das ist das Dilemma an dieser Kampftechnik."

    "Wie bei einem American Football-Spiel"

    Gleichzeitig hätten sich aber auch die Russen nach den anfänglichen Fiaskos ganz anders aufgestellt. Nach Schätzungen des US-Oberkommandierenden in Europa, General Cavoli, würden etwa 350.000 bis 400.000 Mann auf russischer Seite kämpfen. Das wäre das Doppelte als zu Beginn des Krieges.

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      Ein ukrainischer Leopard 2A4 Kampfpanzer soll bei einer Offensive im Bereich Mala Tokmatschka in der Oblast Saporischschja von russischer Artillerie zerstört worden sein. (8. Juni 2023)
      Ein ukrainischer Leopard 2A4 Kampfpanzer soll bei einer Offensive im Bereich Mala Tokmatschka in der Oblast Saporischschja von russischer Artillerie zerstört worden sein. (8. Juni 2023)
      Russisches Verteidigungsministerium

      "Wir haben deshalb jetzt eine Situation wie bei einem American Football-Spiel. Beide Seiten stehen in einer Ausgangsposition, dann rennen die Spieler beider Teams aufeinander zu, und entweder es gelingt ein Durchbruch oder man ist Schulter an Schulter eingehängt und versucht stärker zu sein als der andere. Die Frage ist, wer hat den längeren Atem?", sagt Reisner.

      Ukraine fehlen immer noch Waffen

      Auf ukrainischer Seite fehle es für eine schnelle Entscheidung immer noch an "wesentlichen Elementen" wie eine Luftwaffe, oder Präzisionssystemen. "Darum ist die Diskussion gerade wieder hochgekocht, ob die USA nicht ATACMS, also Bode-Boden-Raketen liefern sollen, die eine Reichweite von bis zu 300 Kilometer haben", weiß der Offizier. Damit könne die Ukraine den Druck auf die russische Logistik und Führung erhöhen. "Das wäre so, als würde man versuchen dem Football-Spieler, der gegenübersteht, den Boden unter den Füßen wegzuziehen."

      Er glaubt an eine Intensivierung der Gefechte in den nächsten zehn Tagen vor dem NATO-Gipfel. "Die Ukraine möchten noch einmal zeigen, dass sie in der Lage ist, Geländegewinne zu machen", schätzt Reisner. Allerdings könne es auch sein, dass sie "einfach stoisch mit ihrer neuen Taktik weitermacht". Sein Fazit zum Schluss fällt vorsichtig positiv aus: "Das ist ein sehr langwieriger Kampf, aber die Ukraine hat bereits gezeigt, dass sie das durchaus durchhalten kann."

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