Ukraine
Heeres-General warnt im ORF: "nicht unterschätzen"
Haben die Wagner-Söldner Bachmut eingenommen? In der ZIB2 mit Armin Wolf gab Bundesheer-General Bruno Günther Hofbauer eine Lage-Einschätzung.
Es ist eine Schlacht zwischen Ruinen um Ruinen, in welchen sich aber unmittelbar eine Entscheidung abzeichnen könnte. Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, brüstete sich am Montag, die ostukrainische Stadt Bachmut "im rechtlichen Sinne" erobert zu haben.
Via Telegram behauptete er, die russische Flagge auf dem Rathaus gehisst zu haben, ein selbst veröffentlichtes Video soll ihn dabei zeigen:
Kiew und auch der Verbündete USA dementiert: die Kämpfe würden ungebrochen weitergehen. "Ich bin dankbar für unsere Kämpfer, die in der Nähe von Awdijiwka, Marjinka und Bachmut kämpfen. Vor allem Bachmut! Dort ist es heute besonders schwierig", sagte Ukraines Präsident Wolodimir Selenski Sonntagabend.
John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, erklärte ebenso, dass die Ukrainer noch nicht aus der Stadt verdrängt worden seien.
Die Schlacht um Bachmut ist die am längsten andauernde der einjährigen russischen Offensive in der Ukraine. Die vor Beginn des Krieges 70.000 Einwohner zählende Stadt ist weitgehend zerstört und verlassen. Die strategisch nur mäßig bedeutende Gemeinde in der Industrieregion Donbass hat aber angesichts der seit Monaten andauernden Gefechte mit großen Verlusten für beide Seiten eine hohe symbolische Bedeutung erlangt.
Doch was stimmt nun? Konnten die Russen Bachmut wirklich einnehmen? Was sind die Konsequenzen? Das analysierte Generalmajor Bruno Günther Hofbauer Montagnacht in der ZIB2 mit Armin Wolf.
Das sagt Bundesheer-General in der ZIB2
Auch der Planungschef des Österreichischen Bundesheeres betont die eher symbolische Bedeutung von Bachmut für beide Kriegsparteien. Die russische Seite brauche nach Monaten ohne durchschlagende Erfolge – diese konnte nicht einmal die Winteroffensive liefern – endlich einen Sieg, den sie an der Heimatfront verkaufen könne.
Für die Ukraine sei die Stadt derweil ein Symbol der Widerstandskraft. Ein Verlust hätte aber strategisch kaum schlimme Folgen, denn schon wenige Kilometer weiter sind schon die nächsten Verteidigungslinien.
Russen mangelt es an Führung
Jetzt, mit dem Einsetzen der Schlammsaison, sei das Einkesseln und das Umfahren der Stadt mit Panzern, wieder stark erschwert. Das hätte noch auf gefrorenem Boden passieren müssen, so der Heeres-Offizier. Doch warum konnte die russische Armee den Winter nicht nutzen?
"Wir gehen davon aus, dass derzeit die Soldaten und Offiziere nicht in der Lage sind, qualifiziert anzugreifen", sagt Hofbauer. Wladimir Putins Armee habe in den ersten Monaten viel erfahrenes Führungspersonal verloren und habe dieses nicht ausreichend nachbesetzen können.
Viele der aktuell eingesetzten Truppen, seien etwa in Belarus ausgebildet worden. Das zeige, dass die Trainingskapazitäten der russischen Armee ausgeschöpft seien.
"Ukrainische Offensive wird kommen"
Auf der anderen Seite dürfte bald wieder Bewegung zu sehen sein: "Die ukrainische Offensive wird kommen", ist er sich sicher. Diese werde auch sicher, wie schon im vergangenen Jahr, von Präsident Wolodimir Selenski politisch eingefordert.
Ein Erfolg an der Front würde aber eine "örtliche massive Überlegenheit" voraussetzen. Die westlichen Panzer könnten diese Stoßkraft liefern, allerdings hatten die Russen selbst genug Zeit, sich darauf vorzubereiten. Und: In der Luft ist Russland überlegen, die Ukrainer könnten nur auf ihre Flieger und Drohnenabwehr hoffen.
Waffen und Schritt nach vorne
Die heftige Kritik an zu geringen Waffenlieferungen des Westens durch seinen Kameraden Oberst Markus Reisner ("Zu viel, um zu sterben, und zu wenig, um zu leben.") relativiert Hofbauer etwas: "Es geht jetzt schon einen Schritt nach vorne, mit hunderten Fahrzeugen, die aus dem Westen kommen". Der Faktor Zeit werde deshalb in der näheren Zukunft für die Ukraine spielen.
Er warnt aber vor zu hohen Erwartungen: "Die Geschichte sollte uns lehren, Russland nicht zu unterschätzen." Die russische Armee könne aufgrund ihrer riesigen Reserven auch viele Verluste wegstecken. Der Krieg könnte deshalb noch lange dauern. Das auch, weil "Russland alles tun wird, um die eroberten [und bereits annektierten] Gebiete zu halten."
Atombomben und die Informationsfront
Die jüngste Ankündigung Wladimir Putins, taktische Atombomben an der EU-Grenze stationieren zu wollen, wischt der Generalmajor aber als simples Säbelrasseln vom Tisch.
Das sei nicht mehr als eine "Schlagzeile für die Informationsfront auf zwei Seiten." Einerseits zeige der Kreml so nach innen, dass man Weißrussland enger an sich binde und zum anderen solle damit der Westen eingeschüchtert werden. Allerdings, so betont der Generalmajor, seien nuklear bestückbare Waffenträger schon seit Jahren in Kaliningrad stationiert. "Und das liegt noch weiter westlich."
Putins Armee soll auf "Niederlage" zusteuern
Ein Ex-Verbündeter von Wladimir Putin übte gleichzeigt scharfe Kritik am Kreml. Der ehemalige Separatistenführer der selbsternannten Volksrepublik Donezk, Igor Girkin, warnte laut "Newsweek" am Sonntag in seinem Telegram-Kanal davor, dass die russischen Truppen in der Ukraine auf eine "militärische Niederlage" zusteuern würden.
Als russischer Nationalist unterstützt Girkin zwar die Invasion der Ukraine, doch seine Kritik an der Durchführung und dem Kreml wird immer lauter. Die staatlich gelenkten Medien würden in ihrer Propaganda, die tatsächlich horrende Situation in der Ukraine "beschönigen", beklagt er weiter.
Dieser "Mangel an wahrheitsgemäßen Informationen" habe Russland blind für den Ernst der Lage gemacht: "Es hat eine extrem negative Auswirkung auf die Situation im gesamten Land, in unserem gesamten Staat. Ich habe keine Angst zu sagen, dass wir auf eine militärische Niederlage zusteuern", wird er vollständig zitiert.
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International gesucht
Igor Girkin ist ein ehemaliger Offizier der russischen Geheimdienste FSB bzw. GRU und war ab 2014 einer der militärischen Führer der separatistischen Volksrepublik Donezk. Er gilt als einer der Haupttäter hinter dem Abschuss von Malaysa-Airlines-Flug MH17 und wurde von der Untersuchungskommission für schuldig befunden. Beim Absturz der Maschine starben damals 298 Personen.
Seither ist Girkin international zur Fahndung ausgeschrieben. Die Geheimdienstabteilung des ukrainischen Verteidigungsministeriums hatte zuletzt wegen des Vorwurfs von Kriegsverbrechen ein Kopfgeld in Höhe von 100.000 US-Dollar auf den Russen ausgesetzt. Öffentlich tritt er auch unter dem Pseudonym Igor Strelkow in Erscheinung.
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