Welt

Heeres-General warnt: "Muss auf alles gefasst sein!"

Ist Putin geschwächt? Droht ein Bürgerkrieg in Russland? General Robert Brieger sagt in der ZIB2, was wahrscheinlich ist und wie Europa handeln muss.

Roman Palman
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    Am 24. Juni 2023 kam es zum Aufstand der Söldnergruppe Wagner in Russland.
    Am 24. Juni 2023 kam es zum Aufstand der Söldnergruppe Wagner in Russland.
    REUTERS

    Der Wagner-Aufstand erfasste am Samstag den Westen des Russlands im Sturm. Vom ukrainischen Kriegsgebiet aus rollte eine Marschkolonne der Söldner plötzlich auf Moskau zu. Der Kreml ließ in einer Panikreaktion zahlreiche Straßensperren und sogar Schützennester samt befestigten MG-Stellungen in der Hauptstadt errichten, um die rasant anrückenden Söldner zu empfangen. Derweil schossen diese auf ihrem Vormarsch Armee-Hubschrauber und Flugzeuge vom Himmel.

    Doch dann war die Meuterei plötzlich ebenso schnell zu Ende wie sie auch begonnen hatte, rund 200 Kilometer vor Moskau machten die Söldner wieder kehrt – auf Befehl von Jewgeni Prigoschin selbst.

    Er hatte mit dem belarussischen Präsidenten offenbar einen Geheim-Deal ausgehandelt. Darin soll allen Wagner-Mitgliedern Straffreiheit gewährt werden, die Anklage gegen den Söldner-Führer selbst wurde fallengelassen, er muss nach Belarus ins Exil.

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      Dieser Videoscreenshot soll Jewgeni Prigoschin am Abend des 24. Juni 2023 beim Verlassen von Rostow am Don zeigen. Kurz zuvor hatte er den Wagner-Aufstand überraschend abgeblasen.
      Dieser Videoscreenshot soll Jewgeni Prigoschin am Abend des 24. Juni 2023 beim Verlassen von Rostow am Don zeigen. Kurz zuvor hatte er den Wagner-Aufstand überraschend abgeblasen.

      Doch seit seinem Auszug aus Rostow am Don, wo Prigoschin von Russen bejubelt wurde, ist er untergetaucht. Litauen fordert deshalb eine Stärkung der NATO-Ostflanke. 

      Jetzt fragt sich die Welt: Was ist da in Russland eigentlich passiert? Diese und viele anderen Fragen sind am Tag danach noch völlig offen. In der ZIB2 mit Martin Thür versuchte der Leiter des Militärausschusses der Europäischen Union, Bundesheer-General Robert Brieger, einige Antworten darauf zu finden.

      Dabei berichtete der hochrangige Offizier, dass auch er selbst erst durch die Medien von dem Aufstand erfahren hatte. Zumindest die europäischen Nachrichtendienste hatten diesen offenbar nicht akut kommen sehen. Ob die Amerikaner etwas wussten, könne er nicht kommentieren so Brieger weiter. Eines sei aber klar gewesen: Das Verhalten Prigoschins und dessen immer heftiger werdende Fehde mit dem russischen Verteidigungsministerium habe ganz klar auf einen Konflikt hingesteuert.

      Leiter des Militärausschusses der Europäischen Union und Bundesheer-General Robert Brieger zum Wagner-Aufstand in der ZIB2 mit Martin Thür am 25. Juni 2023.
      Leiter des Militärausschusses der Europäischen Union und Bundesheer-General Robert Brieger zum Wagner-Aufstand in der ZIB2 mit Martin Thür am 25. Juni 2023.
      Screenshot ORF

      Als die Meldungen dann die Runde machten und die Wagner-Söldner auf Moskau vorrückten, seien die "Krisenmechanismen der EU aktiviert" worden. Doch selbst jetzt, nach dem Rückzug und dem Geheim-Deal sei noch keine Entspannung der Lage eingetreten. Der Krieg in der Ukraine gehe unvermindert weiter, es sei keine Verhaltensänderung der russischen Armee an der Front zu beobachten, weiß der General.

      Die Aussichten für die Zukunft sind ungewiss: die Optionen würden von einem Bürgerkrieg bis hin zu einem Wiedererstarken der Macht Wladimir Putins reichen. Einen russischen Bürgerkrieg – "ein Wiederaufflammen von revolutionären Bewegungen, die einen geschwächten Präsidenten Putin ablösen" – könne man nicht ausschließen, wenngleich auch dieses "kein wahrscheinliches Szenario" sei.

      Eine innere Destabilisierung Russlands bleibe zwar eine innerrussische Angelegenheit, die aber durchaus auch Folgen für die EU haben könne. Seien es Flüchtlingsströme oder auch die Möglichkeit, dass einer der 6.000 Atomsprengköpfe in falsche Hände geraten könnte.

      Brieger mahnt: "Europa ist gut beraten, sich militärisch und politisch zu stärken. [...] Man muss, vereinfacht gesagt, auf alles gefasst sein."

      Insgesamt bleibe der Kreml-Despot aber als geschwächter Akteur zurück. Es bleibe nun abzuwarten, wie dieser seine Macht nun wieder festigen gedenkt. Die EU-Strategen rechnen aber offenbar damit, dass er zumindest mittelfristig fest im Sattel sitzen dürfte.

      (K)eine Auswirkungen auf Ukraine-Krieg

      "Natürlich versucht die Ukraine ihrerseits, diese turbulente Entwicklung in Russland für eigene Maßnahmen auszunützen", so der Offizier im ORF weiter. Direkte Folgen des Wagner-Aufstands gab es dennoch an der Front kaum, die Söldner hatten sich bereits nach dem Fall Bachmuts von der Front zurückgezogen.

      Eine Detaillierung Russlands könnte jedoch doch eine Verhaltensänderung in der Ukraine zur Folge haben: komme etwa ein noch radikalerer Despot an die Macht, könne auch eine Generalmobilmachung drohen. Andererseits könne eine Schwächung der Kreml-Macht auch die künftige Verhandlungsposition der Ukraine stärken.

      Doch kann die russische Armee ohne die Wagner-Söldner überhaupt noch Erfolge einfahren? Robert Brieger sagt Ja: "Diese Privatarmee war und ist ein Werkzeug Russlands, um in der Ukraine und auch weltweit wie in Afrika Stellvertreterkriege und Maßnahmen von besonderer Brutalität auszuführen. Die russische Armee ist aber stark genug, den Wegfall von 20.000 Soldaten zu kompensieren." Das könne etwa durch eine neue (Teil-)Mobilmachung geschehen.

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        ALEX WROBLEWSKI / AFP / picturedesk.com