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"Halo Infinite" im Test: Master Chief besser denn je

"Halo Infinite" ließ Fans lange warten, doch nun ist der Master Chief zurück. Und die Wartezeit hat sich auf den Bombast-Shooter definitiv gelohnt.

Rene Findenig
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    Egal ob Neulinge oder Kenner, "Halo Infinite" ist ein Shooter-Epos geworden, da darf man sich von Schimpftiraden nicht beirren lassen. 
    Egal ob Neulinge oder Kenner, "Halo Infinite" ist ein Shooter-Epos geworden, da darf man sich von Schimpftiraden nicht beirren lassen.
    Xbox

    Die Kult-Shooter-Reihe "Halo" ist dafür bekannt, das Ego-Shooter-Genre geprägt zu haben. Veteranen und Fans zugleich warteten daher sehnlichst auf den nächsten Titel "Halo: Infinite", die Fortsetzung zum Vorgänger aus dem Jahr 2015. Um das Warten auf den verschobenen Titel zu erleichtern, haben Microsoft und Entwickler 343 Industries den Multiplayer-Modus bereits einige Tage vorab veröffentlicht. Der Release hat nach nur einem Tag die Shooter-Fans im Sturm erobert.

    Mehr als 250.000 Spieler waren zum Höhepunkt gleichzeitig online. Damit konnte "Halo" sich einen Platz auf der Liste der meistgespielten Games auf der Plattform Steam ergattern. Der spontane Release war ein überaus schlauer Schachzug von den "Halo"-Entwicklern. Aktuell sind Fans vom neuen "Call of Duty: Vanguard" und "Battlefield 2042" beiderseits enttäuscht. Die zwei beliebtesten Shooter-Franchises konnten die Ansprüche in den aktuellen Kritiken und Rezensionen nicht erfüllen.

    Riesige Erwartungen und gewaltige Emotionen

    "Halo" holt sich damit noch zusätzliches Klientel. Nun ist auch die Einzelspieler-Kampagne zu "Halo: Infinite" da. Ein Clou: Wer sich einen Vorgeschmack mit dem Multiplayer-Modus holen wollte, kann sich diesen gratis auf Steam oder der Xbox herunterladen. Nötig ist nur ein Microsoft/Xbox-Live-Konto. Wer lieber zuschauen möchte: Täglich gibt es Dutzende Streams auf Twitch und YouTube. Der Test zeigt, dass sowohl Kampagne als auch Multiplayer-Modus vollauf überzeugen können.

    Titel wie "Halo" haben es bei den Fans aber auch ungewohnt schwer. Der Supersoldat Master Chief ist sinnbildlich die Shooter-Ikone schlechthin, der Name "Halo" das Aushängeschild der Xbox-Konsolen. Entsprechend riesig sind die Erwartungen zu jedem neuen Game der Reihe. Und entsprechend kochen die Emotionen hoch: Jüngst musste ein Subreddit auf der Plattform Reddit geschlossen werden, weil er von Gewalt- und Morddrohungen enttäuschter Fans überquoll.

    Gelungene, spannende Handlung umgesetzt

    Egal ob Neulinge oder Kenner, "Halo Infinite" ist ein Shooter-Epos geworden, da darf man sich von Schimpftiraden nicht beirren lassen. Einzelspieler steigen in der Kampagne einige Zeit nach "Halo 5: Guardians" ein und erleben, wie der Master Chief in seiner Kryo-Kapsel von einem All-Piloten geborgen wird. Dieser bringt ihn auch gleich auf den aktuellen Stand: Der Ring Zeta Halo wurde teilweise zerstört, der Verbannten-Anführer Escharum triumphierte und wir müssen das All retten.

    Es dauert nicht lange, bis sich der Master Chief seine Schießeisen und eine neue KI-Begleiterin namens "Die Waffe" schnappt, um den Kampf gegen die Verbannten und Escharum aufzunehmen. Aus Spoiler-Gründen verraten wir an dieser Stelle nicht mehr, doch die Handlung zeigt durchaus Tiefgang, hält die Spannung dank gut durchdachter Plot-Twists hoch, führt tolle neue Charaktere ein und hat trotz Ballereien auch einige Passagen zu bieten, in denen es ruhig und emotional zugeht.

    Schlusspunkt wird hier keiner gesetzt

    Wer als Neuling nun nur Bahnhof versteht, kann beruhigt sein. Zwar wird die Story erst so richtig intensiv, wenn man den bisherigen Werdegang des Master Chiefs kennt, abseits davon ist der Wissensvorsprung der "Halo"-Kenner beim Start von "Infinite" aber nicht riesig groß. So setzen uns die Entwickler einen neuen, unbekannten Feind vor und lassen uns durch Andeutungen und Geschehnisse spielerisch herausfinden, was rundherum eigentlich gerade passiert. Nur ab der Mitte und vor allem gegen Ende hin werden immer mehr vergangene Geschehnisse der gesamten "Halo"-Reihe angesprochen und das Ende wird etwas offener erzählt, als man es eigentlich erwarten würde.

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    Klar ist: Schlusspunkt wird hier keiner gesetzt und Neulinge werden nach dem Abspann das eine oder andere Geschehnis in der "Halo"-Welt nachlesen müssen, wenn sie die volle Spieltiefe erfassen wollen. Neben der atmosphärischen Story ist das zweite Highlight des Spiels das Gegner-Design. Die Verbannten sind brandgefährliche, schlaue und bösartige Feinde, ihr Anführer ein hasserfüllter, aber überraschend schlauer Tyrann, dessen Intentionen für den Spieler positiverweise nachvollziehbar sind. Generell sind so gut wie alle Haupt- und Nebencharaktere sehr liebevoll und detailliert ausgearbeitet worden, das ist eine absolute Neuheit im "Halo"-Universum. 

    Actionknaller mit spektakulärem Gunplay 

    Das Gameplay ist knackiger denn je und geht auch Anfängern direkt ins Blut. Gespielt wird aus der Ego-Perspektive gegen Horden an Feinden, geballert auf Planeten-Oberflächen, in riesigen Raumschiffen oder Fabriks-artigen Gebäuden. In Sachen Action, Kampf-Freiheiten und Inszenierung messen sich die beiden Shooter-Giganten "DOOM Eternal" und "Halo Infinite" auf Augenhöhe. Während das jüngste "DOOM" noch etwas flüssiger, temporeicher und vor allem durch den Sound treibender abläuft, punktet "Halo Infinite" mit größeren Arenen, spannenderen Bossen und mehr Gegner-Vielfalt. Was jedoch die Waffen, das Feedback und den Einsatz von Zusatz-Gadgets betrifft, gibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Videospiele.

    Bei den Waffen kehren bekannte wie die Assault Rifle ebenso zurück, wie neue eingeführt werden. Das Arsenal unterscheidet sich deutlicher als jemals zuvor voneinander, verschossen werden unter anderen Laser, Kugeln, aber auch Raketen und Bolzen. Das Treffer-Feedback ist großartig, besser hat das momentan kaum ein Shooter drauf. Egal ob die Waffen verreißt, wenn wir abdrücken oder sich zurückgeworfene Feinde vor Schmerz krümmen, während Körperteile zerfetzt werden, das Ballern ist technisch beeindruckend umgesetzt worden. Dass auch die Waffen-Soundeffekte richtig fett daherkommen, ist das Tüpfelchen auf dem i. Übrigens: ganz so hart und brutal wie die Glory Kills in "DOOM" geht es in "Halo" letztlich nicht zu.

    "DOOM" und "Halo" mit Match auf höchstem Niveau

    Warum immer der Vergleich mit "DOOM"? Weils sich auch andere Teile des Kampfgeschehens recht ähnlich spielen. So schwingt man sich mit einem Greifhaken durch die teils riesigen Arenen, um sich aus der Schusslinie zu bringen (kann damit aber auch Objekte, Waffen und Feinde fassen), dasht mit Anzug-Düsen in Deckung oder nutzt einen Schutzschild vor anfliegenden Geschossen. Da versteht es sich auch von selbst, dass die vielen Gadgets im Laufe des Spiels aufgerüstet werden können, allzu komplex ist die Upgrade-Mechanik allerdings nicht. Ebenso teilt sich das neue "Halo" mit "DOOM" verschiedene einsetzbare Granaten und auch Nahkampfangriffe. 

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    Vier Schwierigkeitsgrade hat "Halo Infinite" zu bieten, wobei man im niedrigsten nur wild auf Dauerfeuer setzen muss, im höchsten dagegen superschnell reagieren und auf fließende Schuss-Dash-Gadget-Kombos setzen muss, um eine Chance zu haben. Ganz große Klasse ist – und hier sticht "Halo" "DOOM" endgültig aus – die Gegner-KI. Auch Standard-Feinde stürmen nicht einfach wild auf den Master Chief los, sondern suchen sich geschickt Deckung, schleichen sich seitlich oder von hinten an und werden angeschossen und verwundet schließlich wild und aggressiv. Oder auch, wenn wir etwas angeschlagen sind.

    Mehr Freiheiten bei den Missionen vorhanden

    Gut gelungen ist auch die Gegner-Varianz, neben den Standard-Aliens finden sich auch besonders starke Exemplare mit zusätzlichen Waffen und knackige Bosse,  die selbst in niedrigeren Schwierigkeitsgraden eine willkommene Herausforderung darstellen. Bei den Bossen nämlich hilft Dauerfeuer nichts mehr, sie müssen taktisch ausgekontert oder in der Spielwelt in Fallen gelockt werden. Was bei all den großartigen Eindrücken jedoch verwundert: Einen Koop-Modus, wie in andere "Halo"-Teile bisher geboten haben, gibt es dieses Mal bisher nicht. Dafür hat der Spieler freiere Wahl beim Vorankommen: Die ersten Missionen sind fix vorgegeben, danach darf man in Game-Basen teils selbst entscheiden, wohin der Weg führt.

    Mehr denn je werden dabei auch Nebenmissionen geboten, die vom Auskundschaften mysteriöser Orte bis hin zur Zerstörung wichtiger Waffensysteme reichen. Diese Nebenmissionen gleichen sich glücklicherweise kaum, immer mal wieder gibt es Neues zu tun und es kommt auch in diesen Sub-Quests zu netten Geschehnissen, wenn man beispielsweise von einem Ziel abgelenkt wird, um einen befreundeten Trupp zu retten oder eine Feind-Festung zu erstürmen. Eroberte Feindes-Basen werden danach zu Schnellreisepunkten, in denen man sich mit Waffen und Fahrzeugen versorgen kann. In futuristischen Jeeps und Panzern feuern KI-Soldaten kräftig mit, teils wird hier in die Third-Person-Perspektive umgeschaltet.

    Die Spielwelt ist nicht ganz so opulent wie erwartet

    Etwas verwundert, dass "Halo Infinite" grafisch zwar am Gipfel der Zeit ist, aber aus der Spielwelt nicht mehr herausgeholt wurde. Der Planet zeigt sich über weite Strecken saftig grün mit beeindruckenden Spiegelungen in Wasserflächen und atemberaubenden Mond-Erscheinungen, je länger man spielt, umso mehr vom Gleichen gibt es aber. Unterbrochen werden die schönen Eindrücke von düsteren Festungen sowie Fabrikshallen oder felsigen Schluchten, auch hier gleicht sich das Gesehene schnell. Von Wüsten und Eisgebieten ist gar keine Spur, Level-Abwechslung konnten ältere "Halo"-Titel besser. Technisch aber ist es ein Jammern auf hohem Niveau, alles läuft knackscharf und flüssig ohne jegliche Ruckler und Bugs ab.

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    Insgesamt wirkt die Spielwelt etwas leer. Hin und wieder trifft man beim freien Erkunden und der Suche nach Storyfetzen in Form von Audio-Logbüchern zwar auf ein paar Alien-Lebewesen oder Feinde, richtig Leben einhauchen wie man es etwa von einem "Far Cry" kennt, konnten die Entwickler dem Planeten aber nicht. Anders als in der Ubisoft-Reihe wird man in "Halo Infinite" dafür aber auch nie förmlich gezwungen, Tausende Aufgaben zu erledigen und von Nebenquest zu Nebenquest zu jagen. Wer wirklich viel Zeit in der Kampagne verbringt und dabei auch Sammelobjekte sucht und Nebenmissionen abgrast, wird rund 20 Stunden beschäftigt sein, geradlinig durch die Hauptmissionen schafft man es aber unter der Hälfte der Zeit.

    Im Multiplayer ist jede Menge Können gefragt

    Top-Grafik, technisch Weltklasse und ein Sound, der jeden "Halo"-Fans jubeln lässt sowie zum Besten zählt, das Videospiele zu bieten haben, wenngleich bei der Spielwelt mehr möglich gewesen wäre: Die Kampagne von "Halo Infinite" überzeugt, vor allem das Gunplay ist einer Legende wie dem Master Chief würdig und "Halo Infinite" ist eines der größten Games für die Xbox Series X überhaupt. Und der Multiplayer? Dass dieser kostenlos für alle Zocker ist, ist wahrlich ein Geniestreich. Für Anfänger gibt es ein toll konzipiertes Tutorial, das langsam an die Kämpfe gegen Experten heranführt, wer mehr trainieren will, kann zudem KI-Feinde unterschiedlicher Schwierigkeitsstufen dazuschalten und Erfolge feiern lassen.

    Geht es auf den zehn (abwechslungsreicheren) Karten gegen menschliche Feinde, stehen verschiedene Modi zur Verfügung, in die alle Spieler mit derselben Waffen-Ausrüstung starten. Fühlt sich oldschool an, gefällt aber. Geboten werden Gruppen-Matches 4-vs-4 oder 12-vs-12, unter anderem mit eroberbaren Superwaffen oder zu haltenden Objekten. Zwei Dinge unterscheidet die "Halo"-Multiplayer-Erfahrung von "Call of Duty" und "Battlefield": Die Spielfiguren können jede Menge einstecken und der Spieler muss aufgrund gleicher Waffen-Voraussetzungen Können beweisen, kann sich nicht mit Glück durchschummeln. Kosmetische Items können zudem mit Echtgeld erworben werden, bessere Waffen oder Boni nicht. Top!