Spieletests
"Hades" im Test: Ein wahrlich göttliches Game
Auf dem PC avancierte "Hades" 2020 zu einem der besten Spiele aller Zeiten. Nun ist es auch für Konsolen da und schafft das Kunststück einmal mehr.
Die spannende Flucht von Spielheld Zagreus aus der griechischen Unterwelt fesselte vor einem Jahr Tausende Spieler und Kritiker gleichermaßen. Kein Wunder also, dass das PC-Vorzeigegame von Supergiant Games und Private Division nach einem Ausflug auf die Nintendo Switch nun auch auf die PlayStation- und Xbox-Konsolen drängt. Und gut so, dass man sich damit Zeit gelassen hat! So gibt es nämlich nicht nur das fantastische PC-Spiel auf der Konsole zu erleben, sondern auch feinste Technik mit 4K und 60fps (auf PS5 und Xbox Series X|S, 1.080p auf PS4 und Xbox One) ohne Makel.
Während die PlayStation-Version vor allem mit der superflüssigen Wiedergabe auffällt, wurden dem DualSense-Controller leider keine überwältigenden neuen Feedback-Funktionen spendiert. Sei es drum, "Hades" war schließlich in jeglicher anderer Hinsicht fantastisch und es ist nun auch in der Konsolen-Ausgabe. Neuerungen bietet die Konsolen-Version inhaltlich im Vergleich zur PC-Ausgabe keine. Wieder schlüpft man in die Rolle des Zagreus. Der ist genervt von seinem dauernörgelnden Vater Hades und will sein Glück im Olymp suchen, muss dazu aber erst der Unterwelt entkommen.
Kreislauf aus Kampf und Tod
Was sich einfach anhört, wird allerdings zur Mammut-Aufgabe, denn Zagreus muss sich seinen Weg erst durch vier Ebenen der Unterwelt, darunter den sagenumwobenen Tartarus oder den mythischen Tempel des Styx bahnen. Weil die vier Ebenen aber gespickt mit Monstern und anderen Wesen sind, die es eigentlich unmöglich machen, der Unterwelt zu entkommen, beginnt ein ebenso fesselnder wie spannender Kreislauf. Zagreus stirbt, kann aber als Sohn des Unterwelt-Herrschers und zu dessen Belustigung aus dem väterlichen Haus jederzeit einen neuen Ausbruchsversuch wagen.
Im Kreislauf aus Kampf und Tod des Rogue-like geht es aber nicht unbedingt typisch zu. Wo man normalerweise seine Spielfigur durch Erfahrung auflevelt und so stark genug wird, die nächste Passage zu bewältigen, orientiert sich das Game eher an der Ausrüstung. Dazu sammelt man in jedem Ausbruchsversuch jede Menge Items ein, mit denen man Waffen, Skills und die Stärke der Spielfigur auf Dauer verbessern kann. Verloren gehen mit jedem missglückten Versuch dagegen nur im jeweiligen Durchgang abgestaubte Boni, Spezialgeschenke und Talente.
Auch beim Dutzendsten Mal noch immer frisch
Auch ein anderes System kommt bei "Hades" zum Einsatz, das an Games wie "Nioh" erinnert. Je öfters man bestimmten Feinden gegenübersteht, umso mehr lernt man über sie und ihr Verhalten und kann im nächsten Durchgang besser darauf reagieren. Zudem gibt es auch bei den Waffen eine Lernkurve: Je öfter man sie einsetzt, umso besser beherrscht man sie. Damit die Motivation trotzdem hoch bleibt und man nicht zum hundertsten Mal denselben Spielabschnitt durchforsten muss, gibt es sowohl bei den Raumanordnungen, als auch bei den Feinden ein Zufallsprinzip, das für Frische sorgt.
Mehr als wohl jedes andere Rogue-like setzt "Hades" zudem auf unvorhergesehene Ereignisse, die bei jedem Durchgang neu auftreten können. Das kann von ganz neuen Feinden in bekannten Levels über neue Waffen bis hin zu unerwarteten Fähigkeiten reichen. Nach Glück fühlt sich alles aber nie an: Bekommt man eine besondere Waffe für einen Durchgang in die Hand gedrückt, kann damit auch ein besonders starker und fast unüberwindbarer Gegner in den Tiefen der Unterwelt von "Hades" einhergehen. Dennoch ist die Langzeitmotivation riesig, denn nie weiß man, was genau auf einen wartet.
Smartes Fortschritts-System implementiert
Obwohl "Hades" linear abläuft, hat der Zocker auch ein Stück weit spielerische Freiheit beim Vorankommen. Das geschieht durch die Wahlmöglichkeit des weiteren Wegs. Hat man in einem Raum die vorhandenen Feinde besiegt, kann man meist zwischen mehreren Wegen zum nächsten Raum wählen. Dabei bekommt man auch vorhergesagt, was es im nächsten Areal an Beute abzustauben gibt und kann anhand diesen Informationen auch planen, wie und in welche Richtung man seinen Charakter verstärken und mit welchen Fertigkeiten man ihn ausstatten will. Ein äußerst smartes System!
Generell ist "Hades" knackig, aber nicht frustrierend ausgefallen. Wer es anspruchsvoller mag, kann verschiedene Faktoren wie Feindesstärke erhöhen, wer dagegen nur durchkommen will, dreht einfach alle Schwierigkeitsmultiplikatoren ab. Doch auch im geringsten Schwierigkeitsgrad bleibt "Hades" ein forderndes, wenn auch niemals unfaires oder frustrierendes Abenteuer. Beim Gameplay selbst orientiert sich "Hades" ebenfalls trotz Iso-Perspektive an "Souls-like"-Spielen. Das Tutorial ist direkt in den Game-Beginn verwoben, danach gilt es, zu scheitern, zu lernen und zu obsiegen.
Komplexe Kämpfe und fantastische Waffen
Das Gameplay ist superflüssig und kann mit der hohen Geschwindigkeit anfangs überfordern Schnell merkt man allerdings: Hier gibt es kein wildes Button-Mashing, sondern eine kontrollierte und taktische Steuerung, auf die Zagreus blitzschnell und verlässlich reagiert. Für jeden Kampf ist etwas dabei: Allrounder setzen auf wuchtige Schwerthiebe, flinke Spieler auf Blitzattacken mit den Fäusten und wer lieber auf Distanz bleibt, ist beim Bogen richtig. Jede Waffe verfügt dabei über seine ganz eigenen Angriffsmanöver, Stärken und Schwächen. Wobei die Waffenmechaniken überraschend komplex sind.
Anders als bei einem simplen Hack'n'Slay kommt es darauf an, ob man Gegner von der Seite, von hinten oder frontal attackiert, was sich in ganz unterschiedlichen Schadensberechnungen äußert. Gleiches gilt für die Feindestypen: Manche reagieren auf Pfeile beinahe gar nicht, sind aber überaus empfindlich auf Speerstiche – oder umgekehrt. Zudem kann man je nach verfügbarem Bonus Feinde mit negativen Effekten belegen, sie kurzzeitig paralysieren oder auch in Fallen locken – die Möglichkeiten weiten sich mit Spielfortschritt immer weiter aus. Und das Experimentieren macht unglaublich Spaß.
Sehr viel Freiraum, aber nie überladen
Trotz der Dutzenden, gefühlt Hunderten Waffen- und Kampf-Spezialisierungen wirkt "Hades" nie überladen und lässt die Steuerung auch Anfänger in Windeseile lernen. Besonders stark werden Waffen dann mit besiegten Feinden, die ihr Blut dafür opfern, unseren Gerätschaften so richtig Wumms zu verleihen. Ein wildes Durchmischen der Waffenarten gibt es zudem nicht, so dass die Übersicht immer gegeben ist, Bei den Fluchtversuchen muss Zagreus nämlich im Vorhinein die Waffe seiner Wahl bestimmen. Dennoch motiviert es, sich an den sechs Waffentypen zu versuchen und an ihnen zu lernen.
Genial und meist Zufalls-generiert sind die göttlichen Gaben, die unser Spielheld bei seinen Fluchtversuchen nutzen kann. Dazu zählt etwa eine Blitzschleuder von Zeus oder eine generelle Gegner-Schwächung von Aphrodite. Leider lässt sich abseits der Kämpfe in den Räumen wenig erkunden, nur ab und zu trifft man auf eine Art Checkpoints, in denen sich mythische Gestalten als Gesprächspartner und Questgeber (meist in Form von Kampf- und Zeitlimit-Herausforderungen) und Händler tummeln. Dafür genial: Man scheitert beinahe nie am selben Boss, denn im nächsten Durchgang haben auch die ganz neue Stärken und Schwächen.
Liebevoll bis ins kleinste Details
Ebenfalls langzeitmotivierend ist die Handlung, denn nicht nur bekommt man alles an Unterwelt und Olymp erst nach mehreren Spieldurchgängen mit, auch öffnen sich neue Gameplay-Passagen wie spielbare Ausschnitte aus der Vergangenheit erst, nachdem man einige Passagen erfolgreich absolviert hat. Und auch die NPCs erzählen bei erneuten Durchläufen gerne mal die eine oder andere neue Story oder lassen sich mit Gaben zu Geschenken, Tipps und neuen Story-Fetzen hinreißen. Aber Achtung: Zu viel Freundlichkeit gegenüber einer Figur kann eine andere zum Feind machen!
Es ist unglaublich, wie sehr "Hades" selbst nach mehreren Spielstunden noch mit den liebevollen Details in allen Game-Bereichen überraschen kann. Die Handlung selbst wird dabei zwar meist mit Standbildern und Schriftzügen im Comic-Look präsentiert, das passt aber perfekt auf das eigentlich düster gestimmte Unterwelt-Abenteuer und die englische Sprachausgabe ist aber mit das Beste, das man jemals gehört hat. Apropos Audio: Auch der Soundtrack ist Weltklasse und begeistert mit einer Komposition, die perfekt auf das Unterwelt-Abenteuer zugeschnitten ist.
Das Beste aus dem Reich der Toten
Eine große Prise "Souls-like", dazu eine der geschicktesten Rogue-like-Mechaniken überhaupt, tolle Comic-Grafik, superflüssige Darstellung und blitzschnelles, motivierendes Gameplay: "Hades" ist auch in der Konsolenversion eines der Spiele des Jahrzehnts geworden und fesselt stunden-, tage- und wochenlang. Besonders beachtlich ist, wie locker und intuitiv die Steuerung auch über das Gamepad abläuft. Und auch nach dem x-ten Durchlauf fragt man sich weiter, mit welchem Charakter man noch Geschenke, Feindseligkeiten oder gar Liebe austauschen sollte, um Neues zu entdecken.
Egal ob ein Rogue-like den eigenen Spielgeschmack trifft oder nicht, "Hades" sollte man ausprobieren und das Spiel darf in keiner gut sortierten Game-Sammlung fehlen. Schließlich ist es nicht nur das Vorzeige-Rogue-like überhaupt, sondern auch generell eines der besten Spiele, die das Jahr und Jahrzehnt zu bieten haben. In kaum einem anderen Game wurde so viel Liebe zum Detail aufgewendet und gleichzeitig eine Technik abgeliefert, die jedem Entwickler ein Vorbild sein sollte. "Hades" ist ein Muss, das man einfach nicht mehr aus der Hand legen will und das einen Meilenstein der Videospiel-Geschichte darstellt. Ein wahrlich göttliches Game!