Wien-Wahl
Haben Sie Mitleid mit Frau Hebein, Herr Bürgermeister?
"Heute" sprach mit Wiens Stadt- und SPÖ-Chef über die Grünen, die Punschkrapferl-Koalition sowie Corona. Und erfuhr etwas über Wiens "First Wadln".
„Heute“: 41,6 Prozent bei der Wien-Wahl, 46 Mandate im Gemeinderat: Sie haben das rote Bollwerk gehalten. Ist das eine Genugtuung oder mehr eine Erleichterung – oder weder noch?
Michael Ludwig: "Na ja, es ist deshalb so wichtig, weil starke Kräfte sich bemühten, in Wien eine Veränderung herbeizuführen und jetzt die Möglichkeit besteht, die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Es ist kein Zufall, dass Wien nicht nur die lebenswerteste Stadt ist, sondern gerade wieder in einem neuen Ranking auch noch zu einer der innovativsten Städte weltweit gewählt worden ist. Das zeigt, dass wir gute Rahmenbedingungen haben, auch durch diese Corona-Krise zu kommen. Wenn ich zum Beispiel an das öffentlich finanzierte Gesundheitswesen denke oder an viele Maßnahmen, die wir jetzt gesetzt haben, um die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt zu unterstützen."
„Heute“: Ist das gute Wahlergebnis ein Auftrag an Sie und an die SPÖ, jetzt auch im Bund mehr Verantwortung zu übernehmen?
Michael Ludwig: Mit Bund muss man präzisieren, was mit Bund gemeint ist. Mit der Bundesregierung haben wir intensive Kontakte, weil wir auch die Rolle Wiens stärker berücksichtigt haben wollen. Wir sind der Wirtschaftsmotor in Österreich und würden uns eigentlich wünschen, dass wir unterstützt werden und nicht – so wie in den letzten Monaten, insbesondere bis zum Wahltermin – als Problem dargestellt werden. Ungerechtfertigterweise. Wenn sich die Frage auf die Bundes-SPÖ bezieht, sind wir ein wichtiger Teil der Gesamtsozialdemokratie – und werden uns da unserer Verantwortung entsprechend einbringen.
„Heute“: Ich frage auch deswegen nach, weil Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke immer wieder als möglicher SPÖ-Bundeskanzlerkandidat gehandelt wird...
Michael Ludwig: Ich habe eine sehr hohe Meinung von Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke. Das ist auch der Grund warum ich ihn ersucht habe, diese Funktion zu übernehmen. Er hat dieser Erwartungshaltung vollends entsprochen. Er hat ein ausgeglichenes Budget 2019 zustande gebracht und auch Rücklagen gebildet. Das heißt, wir sind für diese Krisensituation gut vorbereitet und von daher ist er ein ganz wichtiger Player im Team, in der Stadtregierung und ich schätze seine Tätigkeit außerordentlich.
„Heute“: Also würden Sie ihn vermissen, sollte es ihn dorthin ziehen?
Michael Ludwig: Richtig, aber diese Frage stellt sich jetzt nicht. Die nächste Nationalratswahl ist turnusmäßig in vier Jahren. Außer der Herr Bundeskanzler macht, was er auch sonst macht – die Wahlen vorzuverlegen. Aber ich gehe davon aus, dass sie in vier Jahren stattfindet.
„Heute“: Sie gehen also davon aus, dass Türkis-Grün die volle Periode bleibt?
Michael Ludwig: Wenn man sich die Vergangenheit anschaut, ist es nicht ganz auszuschließen, dass früher gewählt wird. Mir ist es wichtig, dass man in der Krise zusammenhält und ich habe immer alle eingeladen, diese Corona-Krise zum Anlass zu nehmen, über die Parteiengrenzen, über die Ressortgrenzen, über die Bundesländergrenzen hinweg zusammen zu arbeiten und zu kooperieren. Denn das wird eine Grundvoraussetzung sein, dass wir durch diese Gesundheitskrise kommen, dass wir aber auch Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort, für den Arbeitsmarkt, für das Bildungssystem setzen. Wir haben alle gemeinsam viel zu tun.
„Heute“: Kommen wir zu den laufenden Koalitionsgesprächen mit den Neos. Was hat letztendlich den Ausschlag gegeben, es mit den Pinken zu versuchen?
Michael Ludwig: Es ist eine Entscheidung nicht gegen eine Partei, sondern für einen neuen Weg. Ich habe damit die Tür geöffnet für eine erste sozial-liberale Koalition Österreichs. Wenn ich mir da die vergleichbaren Projekte anschaue, wie zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland, wo es die ersten sozial-liberalen Koalitionen 1956 in einem Bundesland, in Nordrhein-Westfalen, gegeben hat und dann gut zehn Jahre später auch auf der Bundesebene, ist es vielleicht eine Perspektive für andere Kooperationen auch in anderen Teilen Österreichs.
„Heute“: Was hat gegen die Weiterführung der Koalition mit den Grünen gesprochen?
Michael Ludwig: Wie gesagt, das war keine Entscheidung gegen eine Partei. Das war keine Entscheidung gegen die Grünen, sondern es war mein Wunsch, einmal die Tür zu öffnen für ein neues Projekt, für einen neuen Weg, um auch neue Möglichkeiten auszuloten, um das Parteienspektrum für neue Kooperationsformen zu erschließen.
„Heute“: Sie öffnen die Tür, auch die Grünen haben zuletzt sehr oft betont, dass ihre Tür bezüglich Koalitionsgesprächen offen ist. Da wird’s ganz schön ziehen im Rathaus...
Michael Ludwig: Mir macht das gar nichts. Frischluft ist immer was Gutes.
„Heute“: Das heißt, es gab auch keine Gründe gegen die ÖVP, sondern einfach so viele gute Gründe für die Neos?
Michael Ludwig: Ich habe im Wahlkampf schon großen Wert daraufgelegt, dass wir einen Wettstreit der Ideen pflegen und keine persönlichen Untergriffe. Das ist im Großen und Ganzen von allen politischen Mitbewerbern eingehalten worden. Ich habe auch nach dem Wahlgang angekündigt, dass ich mit allen Vertretern der Parteien Gespräche führe. Das habe ich auch getan. Es hätte vier Optionen gegeben. Ich habe vor der Wahl die Koalition mit der FPÖ ausgeschlossen, das gilt jetzt auch nach der Wahl. Aber ich habe selbstverständlich auch mit dem Noch-Vizebürgermeister Dominik Nepp ein Gespräch geführt und dann mit jenen drei Parteien, die für eine Koalition in Frage gekommen wären. Das waren drei atmosphärisch sehr gute Gespräche mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in den Sondierungsverhandlungen. Aber ich habe immer jedes Gespräch gleich eingeleitet: mit der Schwerpunktsetzung der SPÖ und auch mit meinen persönlichen Schwerpunkten. Und man hat dann in den Sondierungen gesehen, wo es mehr Möglichkeiten gibt, diese Projekte umzusetzen.
„Heute“: Es gab nicht einen konkreten Punkt bei den Grünen oder bei der ÖVP, wo man gesagt hat, mit vielem können wir, aber das geht nicht?
Michael Ludwig: Nein. Es hat Punkte gegeben, wo sich bei allen drei Parteien gezeigt hat, dass wir uns sehr schnell einigen könnten und es hat auch andere Punkte gegeben, wo das nicht der Fall ist. Nachdem ich zugesichert habe, dass wir ja vertrauensvoll mit diesen Gesprächen umgehen, werde ich über keine Details berichten.
„Heute“: Stört Sie die Bezeichnung „Punschkrapferl-Koalition“?
Michael Ludwig: Nein, ich habe selber ja Punschkrapfen kredenzt, weil das mit der Farbe Rosa und auch einem starken roten Punkt an der Spitze des Punschkrapfens deutlich gemacht hat, dass wir unsere Gastgeberfunktion nutzen wollten, um ein positives, sympathisches, emotionelles und kulinarisch gutes Angebot zu machen. Ich esse ja auch gerne Punschkrapfen. Ich esse aber auch alle anderen kulinarischen Angebote (lacht).
„Heute“: Wie verlaufen die Verhandlungen mit den Neos? Wird’s was?
Michael Ludwig: Es läuft sehr gut. Es gibt bei manchen Punkten unterschiedliche Sichtweisen, aber alle Gespräche sind getragen von einer positiven Bereitschaft zu einem positiven Ergebnis zu kommen. Es sind nun die ersten Gespräche geführt worden. Aber wir haben ein sehr enges Zeitkorsett. Mein Wunsch ist es, dass wir Mitte November zu einem Abschluss kommen und dass wir bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates am 24. November dann auch schon die neue Stadtregierung präsentieren können.
„Heute“: Wie würden Sie Christoph Wiederkehr beschreiben?
Michael Ludwig: Jung, hoch motiviert, engagiert, reflektiert. Das ist mir schon im Wahlkampf aufgefallen: Ein junger Mann, der Potential hat.
„Heute“: In einem aktuellen Interview mit dem „Biber“ hat er zugegeben, dass er schon neun Mal gekifft hat...
Michael Ludwig: Da unterscheidet er sich von mir. Ich habe null Mal gekifft.
„Heute“: Hat er mit 30 Jahren die nötige Reife für das Vizebürgermeister-Amt?
Michael Ludwig: Er hat im Wahlkampf bewiesen, dass er sehr reif agiert und jetzt hat er eine gute Möglichkeit zu zeigen, dass er all das, was er angekündigt hat, in der Praxis umsetzen kann. Ich glaube, das wird eine gute Zusammenarbeit und eine gute Mischung aus Engagement und Lebenserfahrung.
„Heute“: Die Neos haben ja angekündigt, die SPÖ ins Wadl beißen zu wollen. Haben Sie schon die dicke Hose angezogen?
Michael Ludwig: Nein, ich glaube, ich bin ein Mensch, der immer an einer inhaltlichen Diskussion interessiert ist. Und ich habe starke, muskulöse Wadln. Also da braucht wer schon starke Zähne.
„Heute“: Was unterscheidet Christoph Wiederkehr von Birgit Hebein?
Michael Ludwig: Jeder Mensch, der in der Politik tätig ist, ist auch Projektionsfläche für Betrachterinnen und Betrachter. Daher muss man immer unterscheiden, wie die Menschen wirklich sind im Vergleich zum Bild, das sie in der Öffentlichkeit abgeben. Ich habe mit beiden eine sehr professionelle Gesprächsbasis und von daher wird sich das, wie ich hoffe, durch die geänderte Koalition nicht ändern.
„Heute“: Was haben Sie bei der Zusammenarbeit an Frau Hebein geschätzt und was weniger?
Michael Ludwig: Das würde ich nicht so zusammenfassen. Es hat im Rahmen der Koalition gute Sachen gegeben und auch so manche Irritationen. Aber das würde ich nicht überbewerten. Wichtig ist, dass man immer zum Wohl der Stadt zusammenarbeitet.
„Heute“: Tut sie Ihnen persönlich leid?
Michael Ludwig: Warum?
„Heute“: Weil sie offenbar sehr auf Rot-Grün gebaut hat – und jetzt vielleicht sogar ihren Chefinnnen-Posten räumen muss.
Michael Ludwig: Das müssen die Grünen intern entscheiden, wie sie weiterverfahren. Niemand von uns in der Politik ist pragmatisiert. Das weiß jede Frau und jeder Mann, der ein politisches Mandat übernimmt. Das gilt auch für mich. Daher muss einem immer bewusst sein, dass, wenn man in der Politik tätig ist, die Macht verliehen bekommt, allerdings immer nur befristet. Und das ist in einer Demokratie gut so.
„Heute“: Wie stark haben Sie die Pop-up-Radwege, etc. geärgert?
Michael Ludwig: Also ich habe die Bedeutung von Pop-up-Radwegen als nicht besonders großartig eingeschätzt. Ich bin sehr dafür, dass wir an einem guten Radwegenetz arbeiten und ich war schon dabei, als Rudi Schicker als letzter sozialdemokratischer Verkehrsstadtrat ein dichtes Radwegenetz in Wien geschaffen hat. Aber man sollte immer Maßnahmen setzen, insbesondere im Verkehrswesen, wo ein Miteinander aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer gewährleistet ist. Also da macht es Sinn, dass man sich nicht an kurzfristigen Projekten orientiert, sondern dass man langfristig Maßnahmen setzt, die für alle Menschen in der Stadt gut sind. Der Verkehr ist etwas sehr emotionsbeladenes und damit sollte man sehr sensibel umgehen.
„Heute“: Der Gürtelpool hat auch für Wirbel gesorgt. Er war eigentlich auch eine Idee des roten Bezirks Rudolfsheim-Fünfhaus. Sie haben sich aber nicht dagegen gewehrt, dass die Grünen das Projekt quasi gekapert haben...
Michael Ludwig: Ich war nicht bei der Eröffnung dort, die Frau Vizebürgermeisterin (Anm.: Birgit Hebein) schon. Ich habe andere Projekte der Stadtentwicklung für wesentlicher und deutlich wichtiger erachtet. Wenn man die Gelegenheit nutzt, sich dort zu präsentieren, darf man nicht verwundert sein, dass man damit in Verbindung gebracht wird.
„Heute“: Wie schaut der weitere Fahrplan der Koalitionsgespräche aus?
Michael Ludwig: Also ich gehe davon aus, wenn wir in dem Tempo, das wir jetzt gehen, weiter verfahren, geht sich das aus. Das wäre mir sehr recht, weil dann könnten wir Mitte November die notwendigen Beschlüsse in den beiden Parteien treffen und dann – wie gesagt – am 24. November bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates die Stadtregierung präsentieren.
„Heute“: Sie wollen ja an Ihrem Stadträte-Team festhalten. Bleibt es bei der Anzahl von sieben amtsführenden Stadträten? Wird es eine Reorganisation der Ressorts geben?
Michael Ludwig: Ja. Und zwar unabhängig davon, wie wir uns innerhalb der Koalition verständigen, halte ich es für sinnvoll, dass man manche historisch gewachsenen Ressortzuständigkeiten verändert. Das ist jetzt eine gute Gelegenheit und deshalb wollen wir das jetzt tun. Deswegen haben wir die Arbeitsgruppen nicht entlang der Ressortgrenzen zusammengesetzt, sondern breiter geführt und werden in der inhaltlichen Diskussion sehen, ob es vielleicht sinnvollere Kooperationen in den Ressorts gibt.
„Heute“: Wie ist Ihre Einschätzung der Corona-Performance der Bundesregierung?
Michael Ludwig: Mir war in dieser Krise immer wichtig, dass wir über die Parteigrenzen hinweg gut zusammenarbeiten. Wir in Wien waren sehr irritiert, dass im Wahlkampf permanent Angriffe der Bundesregierung auf Wien kamen – noch dazu völlig ungerechtfertigt. Wenn man jetzt die Zahlen sieht, haben wir in Wien unterdurchschnittliche Entwicklungen. Sie steigen, ja – wie in ganz Österreich. Aber es ist nicht so, wie seitens der Bundesregierung der Eindruck erweckt wurde, dass Wien das Problem ist. Ich glaube, dass genau diese falschen Botschaften mitverantwortlich dafür waren, dass die Zahlen in anderen Bundesländern gestiegen sind. Ich weiß von vielen Telefonaten, wo mir die Menschen in anderen Bundesländern mitgeteilt haben, dass das ja alles ein Wiener Problem sei. Und dass dadurch der Eindruck entstanden ist, das tangiert sonst niemanden. Von daher würde ich mir wünschen, dass gerade in dieser schweren Situation alle an einem Strang ziehen und dass das Miteinander im Vordergrund steht. Und nicht dass man aus parteipolitischem Interesse heraus, um zum Beispiel in einem Wahlkampf Einfluss zu nehmen, gegen den Wirtschaftsmotor in Österreich vorgeht, nämlich die Stadt Wien.
„Heute“: Der Vorwurf lautet ja auch, dass Wien geschlafen hätte.
Michael Ludwig: Bei welchem Beispiel soll das der Fall sein?
„Heute“: Zum Beispiel gab es in Wien nach dem Sommer Probleme beim Contact Tracing...
Michael Ludwig: Das heißt, wenn man Wien mit anderen Bundesländern vergleicht, dass es hier schlechter ist als woanders? Das ist unrichtig. Die Pandemie ist eine große Herausforderung für alle, die da tätig sind, das ist klar. Ich wüsste jetzt nicht, warum es in Wien schlechter ist als in anderen Teilen Österreichs. Ich höre nur von Meldungen, dass manche schon ankündigen, dass sie mit der Situation nicht fertig werden. Wir haben uns, wie ich meine, zeitgerecht darauf eingestellt, dass wir mehr Personal einstellen. Wir haben so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Contact Tracing wie kein anderes Bundesland. In einer Großstadt sind wir besonders gefordert und wie man an den Zahlen sieht, haben wir derzeit einen unterdurchschnittlichen Prozentsatz im österreichweiten Vergleich. Also ich wüsste jetzt nicht, warum wir glauben sollten, dass es in Wien schlechter ist als woanders. Aber da muss man immer unterscheiden zwischen den verlautbarten Botschaften und dem was wirklich ist, der Realität.
„Heute“: Dass die Zahlen schlecht sind, ist unbestritten...
Michael Ludwig: Aber es geht darum, dass man ständig behauptet, dass es in Wien schlechter ist als woanders. Wenn ich mich da an die regelmäßigen Mahnungen des Innenministers (Anm.: Karl Nehammer, ÖVP) erinnere. Hat man irgendwann den Innenminister zu einem anderen Bundesland gehört? Oder zu ganzen Regionen, die unter Quarantäne gestellt worden sind? Wo waren da die mahnenden Worte?
„Heute“: Das waren zumeist ÖVP-regierte Regionen...
Michael Ludwig: Ja schon, aber das ist genau das was ich meine. Man sollte in der Krise nicht parteipolitisch funktionieren, sondern das Interesse der Bevölkerung im Auge haben. Das vermisse ich leider. Wir haben als Stadt Wien die Maßnahmen der Bundesregierung unterstützt, auch in einer Phase als wir gesehen haben, dass nicht alles was die Bundesregierung erzählt hat, zutreffend war. Trotzdem haben wir gesagt, wir sollten irgendwie gemeinsam Sicherheit schaffen und nicht Irritation in der Bevölkerung auslösen. Es gibt Pressekonferenzen, wo angekündigt wird, dass bei der nächsten Pressekonferenz etwas berichtet wird. In der Zwischenzeit wird eben nicht mit den politisch Verantwortlichen in den Bundesländern und den Sozialpartnern gesprochen und das unterscheidet uns in Österreich schon von der Bundesrepublik Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel geht nämlich erst dann an die Öffentlichkeit, nachdem sie mit allen gesprochen hat. Das schafft auch Sicherheit. Bei uns ist es immer umgekehrt. Da gibt es eine Pressekonferenz, wo man immer von den Mitgliedern der Bundesregierung hört, es ist alles schwierig und nachher werden Gespräche geführt. Ich finde es sollte umgekehrt sein. Vielleicht ist das eine altmodische Ansicht aus Wien, aber wir handhaben das im Alltag auch so.
„Heute“: Weitere Maßnahmen in Wien. Was wird es konkret geben für Gesundheit, für Soziales, für wirtschaftliche Auswirkungen der Krise?
Michael Ludwig: Wir haben vor kurzem das dritte Corona-Paket im Gemeinderat beschlossen; Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft, insbesondere für die Hotellerie, für die Gastronomie. Wir haben gemeinsam mit dem WAFF für zwei Zielgruppen besondere Unterstützung vorgesehen. Zum einen für die ganz Jungen, für jene die eine Lehrstelle suchen mit Lehrstiftungen, mit überbetrieblichen Lehrwerkstätten zusätzlich zu dem was wir mit Privaten machen. Und wir haben mit der Aktion 50+ eine besondere Förderschiene für jene, die 50 und älter sind, weil die in jetziger Situation besonders auf dem Arbeitsmarkt unter Druck kommen. Wir haben im Gesundheitswesen die Möglichkeiten für Akutbetten und Intensivbetten ausgeweitet, und auch das gesamte Spitalswesen jetzt darauf abgestimmt und wir überlegen jetzt natürlich entsprechend den Schritten, die jetzt von der Bundesregierung kommen, was wir da unterstützend tun können.
„Heute“: Wien hätte da die Ressourcen?
Michael Ludwig: Wien hat gut gewirtschaftet und im Unterschied zu jenen, die das immer ankündigen, wirklich ein ausgeglichenes Budget geschafft und hat so Rücklagen in der Größenordnung von 750 Millionen Euro. Also von daher haben wir einen sehr gut funktionierenden Haushalt und werden natürlich alle Möglichkeiten einsetzen, um die Wirtschaft zu stabilisieren und den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Wir drängen aber immer stark darauf, dass, wenn die Bundesregierung Schritte setzt, gleichzeitig überlegt wird, wie der Einnahmeausfall wieder kompensiert wird. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland den Vorschlag, dass man 75% des Entfalls abdeckt. Irgendwas werden wir mindestens in diese Richtung tun müssen. Es sind jetzt schon viele Unternehmen am Limit. Ohne Unterstützungsmaßnahmen ist ein Teil der Wirtschaft kaputt.