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Grünberg zu Veith: "Fehlt dir das Normalsein?"

Heute Redaktion
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Kira Grünberg (re.) traf in Salzburg Anna Veith zum Interview.
Kira Grünberg (re.) traf in Salzburg Anna Veith zum Interview.
Bild: Tom Sports Consulting

Zwei Powerfrauen im Gespräch! Kira Grünberg traf in Salzburg Ski-Ass Anna Veith – und talkte mit ihr über die Hochzeit, Popularität und Freundschaften.

Kira Grünberg: Anna, ich fang einfach gleich mit dem an, was mich brennend interessiert: Dein Name. Fenninger ist Geschichte, Du heißt jetzt etwas mehr als ein Jahr schon Veith. Wie war das damals – hast Du mit Dir gerungen oder sofort gewusst, dass Du den Namen von Deinem Mann annehmen willst?

Anna Veith: "Mir war das sofort klar, dass ich das machen will. Für mich war das eine Entscheidung fürs Leben, ein Bekenntnis, dass man zusammengehört. Und mir ist das sehr wichtig, dass man einfach gleich heißt und irgendwann dann die Kinder auch gleich heißen."

Grünberg: Cool, ich finde ja auch das ist was ganz Normales. Ist eine gute Entscheidung, denn dann weiß man sofort: Die gehören zusammen.

Veith: "Auf jeden Fall ist mir aufgefallen, dass, seit ich Veith heiße, mich die Leute mehr mit Anna anreden, was ich sehr schön finde. Auf jeden Fall bin ich sehr froh mit meiner Entscheidung – denn ich definiere mich nicht über einen Namen sondern über meine Persönlichkeit, und die ist dieselbe geblieben.

Grünberg: War die Heirat voll romantisch?

Veith: "Ja."

Grünberg: Ich will das auch, am liebsten am Eifelturm in Paris ... Uns verbindet noch mehr – wir beide haben ja jeweils unsere Biografie geschrieben, mit Co-Autor Manfred Behr – wie war dieses Mammutprojekt für Dich?

Veith: "Mir war wichtig, meine ganze Geschichte, all das was ich erlebt hab, mal in Ruhe aufzuarbeiten. Das war meine Motivation. Durch die Verletzung war ich ja erstmal komplett lahmgelegt, habe Stillstand verspürt und mir gedacht, jetzt ist der richtige Zeitpunkt mich damit zu beschäftigen. Insgesamt war es sehr viel Arbeit, das hatte ich echt unterschätzt. Aber jetzt, so im Nachhinein fühlt es sich an wie eine echte Errungenschaft was da entstanden ist über mich und mein Leben."

Grünberg: Für mich war das wie eine echte Psychotherapie und die beste, die ich gemacht habe. Wie ist das mit Deiner Popularität – kannst Du in Salzburg eigentlich noch heimlich rausgehen, so das Dich keiner erkennt?

Veith: "Das funktioniert eher nicht. Aber ich habe es akzeptiert und mich daran gewöhnt. Inzwischen ist das ein Stück Normalität geworden – und ehrlich gesagt, manchmal genieße ich es sogar, wenn sich jemand für mich interessiert. Das war auch ein Thema, mit dem ich mich in meinem Buch befassen konnte – und auf jeden Fall kann ich diese Popularität jetzt viel mehr wertschätzen als noch vor einigen Jahren."

Grünberg: Fehlt Dir das Normalsein nicht manchmal, dieses unbekannt sein und einfach ungeschminkt auf die Straße gehen zu können?

Veith: "Inzwischen mach ich das oft genauso. Gehe ungeschminkt raus, weil ich mir denke: ich habe nichts zu verbergen. Ich bin ich – ich habe da wirklich umdenken gelernt, und das tut gut."

Grünberg: Wie war das bei Dir als Du klein warst – hast Du einen Traumberuf gehabt?

Veith: "Ich wollte schon immer einfach nur Skifahren. Das hab ich richtig gern gemacht und ich bin da quasi reingewachsen. Und als mir dann irgendwann klar war, dass das auch ein Beruf ist, war es genau das was ich wollte. Aber als 5-Jährige hab ich ansonsten nie über Wunschberufe nachgedacht."

Grünberg: Und wenn es nicht geklappt hätte?

Veith: "Meine Absicherung war die Hotelfachschule – aber dort wurde mir schnell klar, dass ich das eigentlich nicht machen will. Ich bin dadurch sogar noch motivierter ans Skifahren rangegangen. Und mit der Frage, was, wenn es nicht klappt – mit der habe ich mich nie beschäftigt. Das mach ich jetzt auch nicht, wenn es um die Zeit nach meiner Karriere geht. Das ist jetzt kein Thema. Wie geht es Dir eigentlich mit Deinem Studium?"

Grünberg: Das schieb ich gerade vor mir her, da fehlt mir momentan die Motivation – aber ich hab gerade einfach genug zu tun. Ein anderes Thema, das mich sehr interessiert: Kochst Du eigentlich gerne?

Veith: "Wenn, dann mit dem Manuel gemeinsam, aber nur, wenn wir müssen. Wir haben ja den Vorteil, dass wir quasi in Manuels Hotel wohnen. Wir müssen einfach nur was bestellen. Nach dem Training ist das ideal, ich komme heim und das Essen steht praktisch am Tisch. Ist perfekt für den Körper zum Regenerieren."

Grünberg: Gibt es einen Ort, wo Du gern hingehst wenn Du merkst, dir fehlt gerade Kraft oder Motivation? Wir haben im Ort eine kleine Kapelle, da bin ich in so einer Situation sehr gerne.

Veith: "Bei mir ist das kein direkter Ort, wo ich sag – da muss ich hin. Aber was ich gut finde bei uns draußen in der Natur – Obertal und Untertal – da kann man wandern, da gibt es schöne, noch geheimere Plätze. Mir ist es einfach wichtig rauszugehen, allein zu sein, keinen sehen und die Natur zu spüren."

Grünberg: Was ist deine größte Stärke neben dem Skifahren? Also Stärke, die nichts mit dem Sport zu tun hat?

Veith: "Was ich von meiner Mama gelernt hab, ist, dass ich gut auf andere Menschen eingehen kann, wenn ich nicht mit mir beschäftigt bin. Wenn ich mir Gedanken mache, warum geht es dem anderen gerade nicht gut – da sehe ich eine Stärke, die ich gerne noch mehr ausleben würde."

Grünberg: Wie ist das bei Dir beim Skifahren. Machst Du das ähnlich wie der Marcel, dass Du jedes kleine Detail genau analysierst?

Veith: "Nicht so extrem wie Marcel. Für mich ist ganz wichtig, dass ich auf mein Gefühl höre. Zum Beispiel im Super-G, meiner stärksten Disziplin, brauche ich einfach ein gutes Gefühl, um meine Leistung zu bringen. Da reagiere ich auf das, was ich spüre."

Grünberg: Wie viel Prozent entscheidet bei Dir wirklich der Sportler und wie viel das Material?

Veith: "Naja, nachdem der Sportler ja auch über das Material entscheidet ..."

Grünberg: Aber wie viel macht das aus?

Veith: "Mir ist Vertrauen ins Material sehr wichtig. Bei mir ist es so, dass, wenn ich etwas gefunden habe, was für mich perfekt funktioniert, ich dann gerne dabei bleibe und das weiterentwickle. Aber nach der Verletzung hab ich gemerkt, ich kann das Material, das ich vorher gefahren bin, nicht fahren, weil ich körperlich noch nicht wieder auf dem Niveau bin. Das war eine große Herausforderung."

Grünberg: Würdest Du sagen, im Skisport hast Du so gute Freundschaften entwickelt, wo man dann auch später was zusammen macht – oder überwiegt Konkurrenz die Freundschaft?

Veith: "Bei mir ist das so, dass ich meine beste Freundin im Kader gehabt habe. Die hat aber lange schon aufgehört und ist jetzt zweifache Mama. Bei der Kirchi (Michaela Kirchgasser; Anm.) ist es so, dass es sich über die Jahre entwickelt hat. Anfangs waren wir Zimmerkolleginnen, jetzt ist es echte Freundschaft. Heuer fahren wir sogar gemeinsam in den Urlaub und ich bin mir sicher, das bleibt auch über die Karriere hinaus bestehen. Beim Skifahren ist es so, dass du alleine am Start stehst und die Konkurrentinnen nicht siehst und bis ins Ziel nicht weißt, wie es war. Das ist beim 100-m-Lauf oder Boxen anders."

Grünberg: Gibt es eine Person, die Du gerne kennenlernen möchtest?

Veith: "Gerade hat sich so ein Wunsch erfüllt – wir haben oft über Dich geredet, beim Buchprojekt, weil so ein Schicksal jeden bewegt. Ich wollte immer gerne wissen, wie es Dir geht. Ansonsten sind Sportler interessant und es ist spannend zu erfahren, was wirklich dahintersteckt. Mich würde auch interessieren was der Klitschko denkt, wenn er in den Ring steigt..."

Grünberg: Glaubst du, dass Du den schönsten Tag Deines Lebens schon erlebt hast, oder dass der noch kommt?

Veith: "Das kann man schwer beantworten, weil man nicht weiß, was noch kommt. Ich durfte schon so viele schöne Tage erleben."

Grünberg: Also wenn keiner mehr käme, wärst Du zufrieden?

Veith: "Ja."

(red)

Kira Grünberg traf zum Auftakt ihrer großen Interview-Serie für das #WirhabeneinZiel-Projekt Ski-Star Anna Veith.

"Wir haben ein Ziel" ist ein Projekt des Sportministeriums, das den Spitzensport in Österreich auf moderne Beine stellt.

Ex-Stabhochspringerin Grünberg ist seit einem Trainingsunfall im Jahr 2015 querschnittgelähmt. Sie ist Botschafterin für das Projekt Rio.