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"GRID Legends" im Test: Endlich wieder ein Arcade-Racer

Fast zeitgleich mit dem eher simulationslastigen "Gran Turismo 7" kommt "GRID Legends" um die Kurve – und begeistert jene, die Arcade-Racer lieben.

Rene Findenig
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Die Startprobleme wurden beseitigt: "GRID Legends" ist ein Hit und braust mit Vollgas daher.
Die Startprobleme wurden beseitigt: "GRID Legends" ist ein Hit und braust mit Vollgas daher.
Codemasters

Mit gleich zwei Rennspiel-Leckerbissen werden PS-Fans jetzt fast zeitgleich belohnt. Einerseits wirft das simulationslastigere "Gran Turismo 7" seinen Schatten voraus und wird wohl zeigen, was technisch auf der PlayStation 5 möglich ist, andererseits darf man bereits Arcade-Racer "GRID Legends" ohne Rücksicht auf Verluste auf PC, PlayStation und Xbox so richtig Gas geben. Und es gibt tolle Nachrichten: Wie der "Heute"-Test zeigt, haben die Entwickler im Vergleich zu unseren Vorschau-Sessions nach anständig nachpoliert und die Technik zum von "GRID Legends" zum Glänzen gebracht!

Mit "GRID Legends" wollen die Macher Spieler auf der ganzen Welt miteinander verbinden. Das Game bietet Crossplay zwischen allen Plattformen, bis zu 22 Spieler können sich dabei in den Rennen messen, bei technisch raffinierten 120 Hertz und 4K-Auflösung. 130 Autos in neun Klassen gehen zum Start auf die 22 Strecken, unter den neun gebotenen Modi findet sich auch das neue Electric Boost mit durchfahrbaren Toren. Außerdem dürfen Spieler in die Singleplayer-Rennen anderer Spieler einsteigen und dort mitmischen. Obendrauf gibt es im Arcade-Racer einen rund zehn Stunden langen Story-Modus,

Kein Tiefgang, aber eine unterhaltsame Handlung

Rennspiele wie "F1 2021" haben ebenso wie andere Sporttitel eigene Story-Modi in den jüngsten Jahren etabliert, unter einer Sache leiden sie aber fast alle: Sie können kaum auf jedes Geschehnis im Gameplay oder die Leistung des Spielers reagieren. So sieht man meistens fulminante Siegesfeiern, verheerende Niederlagen oder Konkurrenzkämpfe mit Kameraden in den Videosequenzen, egal ob man Matches knapp oder haushoch gewonnen oder verloren oder auf der Strecke die Teamkollegen richtiggehend abgeschossen oder nicht einmal zu Gesicht bekommen hat.

Überraschend und durchaus positiv ist aber die Art und Weise, mit der Codemasters "Driven to Glory" in "GRID Legends" umgesetzt hat. Echte Schauspieler matchen sich hier um den Titel des allergrößten Rennfahrers in Szenen mit realistischer Grafik, die aus einem Hochglanz-Kinofilm stammen könnte. Die Handlung bietet Emotionen, spannende Duelle und rasante Racing-Action, zumindest beim bisher Gesehenen bleiben aber die großen Überraschungen aus. Dass die Handlung gut unterhalten kann, wollen wir dem Game aber gar nicht absprechen. 

Namenlosigkeit des Fahrers als zweischneidiges Schwert

Der Story-Modus versetzt euch in die Rolle des namenlosen "Fahrer 22", zu dem wenig bis nichts bekannt gemacht wird. Er taucht fast aus dem Nichts auf, als der Teamchef von Seneca Racing verzweifelt nach einem zweiten Fahrer sucht, der in der Grid World Series einspringen soll. Die Wahl von "Fahrer 22" ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits werden so alle Spieler an die Rolle des Charakters herangeführt, andererseits können wir uns kaum mit ihm identifizieren, da so gut wie alles Persönliche bei der Figur ausgespart wurde.

Von Rennen zu Rennen unterhält die Handlung trotzdem recht gut und liefert vor allem das notwendige Drama ab, um die Bewerbe mit etwas mehr Spannung und Nervenkitzel in Angriff zu nehmen. Auch die schauspielerische Leistung muss sich nicht verstecken – die Emotionen sind glaubhaft, die Dialoge mehr als nur Geplänkel und die Dynamik in den Zeiten zwischen den Rennen spürbar. Wer sich von der linearen Erzählung nicht stören lässt, wird zwischen der Asphalt-Action durchaus gut unterhalten. Mit dem neuen Rivalen-System kommt dazu ein äußerst motivierendes Element ins Spiel.

Rivalen-System als großes Highlight des Spiels

Das Rivalen-System reagiert nämlich darauf, ob man respektvoll oder mit der Brechstange fährt. Wer Gegner oder Streckenbegrenzung zum "Anbremsen" von Kurven nutzt oder sich sonst unfaire Vorteile verschafft, wird im Spiel nicht gern gesehen. Geht man einem KI-Fahrer zu sehr auf die Nerven, wird man sein "Rivale" und beinhart attackiert, Abdrängmanöver inklusive. Übrigens machen auch die KI-Fahrer Fehler, schießen mal zu schnell in die Kurve oder drehen sich auf nassen Strecken – und erleiden auch Motorschäden. Erst langsam verzeihen Spieler wieder Crashes und fahren dann "normal".

Rammt man zu oft andere Racer, wird man zu deren Rivalen und beinhart attackiert.
Rammt man zu oft andere Racer, wird man zu deren Rivalen und beinhart attackiert.
Codemasters

KI-Konkurrenten fighten hart, aber nicht bis aufs Blut. Sind sie zu langsam, machen sie irgendwann auch Platz, haben sie aber die Chance, nutzen sie den Windschatten eiskalt aus. Die KI überraschte insgesamt mit einer der besten Reaktionsweisen, die man in einem Rennspiel je erlebt hat und hielt das Renngefühl immer frisch. Was ebenfalls gefällt: Der Schwierigkeitsgrad lässt sich jederzeit anpassen. Das ist nötig, denn das gesamte Spiel ist zwar tendenziell sehr leicht ausgefallen, einige spezielle Veranstaltungen auf den Strecken sind dann aber auf einmal überraschend knifflig geraten.

Gameplay wurde nun drastisch verbessert

Im Karriere-Modus kann man abseits der Story dreistellige Spielstunden-Anzahlen verbringen, denn der ist mit rund 250 Veranstaltungen, die man nach und nach mit verschiedensten Kategorien wie Trucks, Drifts oder Supercars und Eliminationsrennen freischaltet, richtig fett ausgefallen. Toll ist auch das neue "Hop in"-Feature im Gegensatz zu Einzelspieler-Erlebnissen: Spieler können ohne Lobby und Wartezeit in auch laufende Multiplayer-Partien einsteigen. Was allerdings nervt: Für das Fortkommen benötigt man oft Tuning-Upgrades der Autos, die man erst per Grind freifahren muss.

Nachgebessert haben die Entwickler übrigens beim Fahrgefühl: In der Vorschau ließen sich alle Wägen fast identisch steuern und pickten egal ob bei Regen oder Sonnenschein immer perfekt auf der Straße. Nun wird auf nassen Strecken spektakulär gedriftet und Trucks fühlen sich spürbar schwerer und behäbiger an als fauchende Supersportwagen jenseits der 300 lm/h. Und: Auch Schäden gibt es. Da fliegt schon mal ein Reifenfetzen oder Blechteil durch die Luft und es funkt, was das Zeug hält – Ausfälle gibt es aber meist nur nach mehreren, heftigen Crashes und nicht bei jeder kleinsten Berührung.

Fahrgefühl ist für einen Arcade-Racer spektakulär

Super sieht die Grafik aus: Auch wenn das Spiel nicht Wert auf Effekte bis ins kleinste Detail legt, bringt der Racer die Geschwindigkeit schön auf den Bildschirm, gefällt mit guten Kameraeinstellungen, schönen Schadensanimationen und 130 unterschiedlich gestalteten Fahrzeugen. Besonders schön sind die Licht- und Wettereffekte ausgefallen, Licht blitzt durch die Wolken und die Sonne spiegelt sich sogar in der Strecke. In den Fahrzeugen spiegeln sich selbst bei Highspeed beeindruckend Umgebungen und Konkurrenten, je nach Untergrund spritzen Schlamm, Wasser und Schotter sichtbar auf.

Nur abseits der Strecke wird es etwas detailarm, weswegen Racer wie ein "Forza" grafisch doch die Nase vorne haben. Die Steuerung der Boliden geht sofort ins Blut, auch mit dem Gamepad fühlen sich die Fahrzeuge fantastisch an. Perfekte Drifts und gut getimte Überholmanöver hat man nach nur wenigen Spielminuten intus. Optional kann übrigens der Schaden an Fahrzeugen sowohl fahrtechnisch als auch optisch an- und ausgeschaltet werden. Auch beim Sound ist alles gut: Fette Motoren-Geräusche werden mit treibender, funkiger Musik zu einem echten Rennspiel-Soundtrack zusammengemixt.

Endlich wieder ein echt guter Arcade-Racer

Spieler dürfen im Game auch zu einem Renn-Editor greifen, der überraschend Einsteiger-freundlich ausgefallen ist und nur ein wenig Beschäftigung damit erfordert. Bestimmen darf man etwa, welche Klassen im Rennen antreten dürfen oder wie das Wetter ausfallen soll. Das ermöglicht beispielsweise verrückte Rennen, in denen sich kleine Drift-Flitzer mit riesigen Trucks auf der Strecke herumplagen. Einen Gummiband-Effekt gibt es schlussendlich nicht wirklich – aber auch kein freies Abstands-Rennen: Bei nicht zu vermeidenden Unfällen stecken die ersten Verfolger schnell wieder im Windschatten.

"GRID Legends" bietet genau das, was man lange Zeit bei Rennspielen schmerzlich vermisst hat: Pure Arcade-Action und packende Positionsgefechte, ohne großes Einstellungsmanagement, Vorbereitungszeit oder Feinabstimmungen. Es handelt sich um ein Rennspiel, mit dem man Stunden verbringen kann oder am Abend nach dem Job nur eine schnelle Runde dreht, bei dem man alleine durch die Gegend kurven oder so gut wie alle Inhalte mit Freunden erleben darf – und das auch nach Dutzenden Rennen und Spielstunden einfach nur extrem viel Spaß macht.