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Pestizid-Einsatz bei Haselnüssen kritisiert
Für den Haselnuss-Anbau in Chile setzen Landwirte Pestizide ein, die in der EU verboten sind. Diese sollen stark krebserregend sein - ist auch Nutella betroffen?
Auf chilenischen Haselnuss-Plantagen wird vermehrt mit hochschädlichen Pestiziden gearbeitet, die in der EU verboten sind, vermeldet "deutschlandfunkkultur.de".
Aus Angst, ihre Arbeit zu verlieren, schweigen krebserkrankte Erntehelfer häufig. Dabei lassen sich die Krebsraten in der Anbauregion nicht länger verstecken. Agrichile, die chilenische Tochterfirma von Ferrero, ist jener Lieferant, von dem den Berichten zufolge auch Nutella seine Haselnüsse beziehen soll.
Jorge Uslar, der seit 2007 für Agrichile Haselnussbäume pflanzt, erzählt bei der Jahreskonferenz: "Ich habe mittlerweile 380 Hektar Haselnuss-Plantagen. Und ich werde noch mehr anbauen, jedes Jahr 50 Hektar mehr." In den letzten Jahren sei die Haselnuss-Produktion in Chile um 130 Prozent angestiegen.
Zwar ist das (noch) wichtigste Land die Türkei, Ferrero will jedoch weiter in Chile investieren. Manager Alessandro Boccardo erklärt: "Chile hat einen Vorteil im Vergleich zum Rest der Welt: Es gibt keine Klimaextreme. Und auf der Südhalbkugel haben wir den Vorteil der umgekehrten Jahreszeiten."
Der Gemüse- und Obstanbau ist in Chile einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige. Allerdings gerät die Maule-Region, in der vor allem die Haselnüsse angebaut werden und in der auch die Konferenz stattfand, regelmäßig unter Verruf. Grund dafür ist der unkontrollierte Einsatz von giftigen Pestiziden.
In Chile sind Mittel erlaubt, die EU-weit streng verboten sind, darunter Diazinon, Paraquat und Azinphos-Methyl. Bei den Stoffen handelt es sich um Insektizide. Maria Muñoz, Forscherin an der Katholischen Universität in Talca, hat die Auswirkungen von Pestiziden auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Region untersucht.
"Es gibt zwei gefährliche Herbizide, die hier sehr stark angewandt werden. Eines ist Roundup, auch bekannt als Glyphosat, und das andere ist Paraquat. Beide sind gefährlich, aber Paraquat ist noch schädlicher und es ist nachgewiesen, dass es Krebs verursacht. In Chile ist es immer noch nicht komplett verboten."
Sie erklärt, dass die Erntehelfer häufig Schutzkleidung tragen, oft jedoch nicht wissen, mit welchen Substanzen sie die Pflanzen behandeln. Zudem befinden sich viele Schulen neben den Plantagen, die keinerlei Warnung über den Einsatz der Mittel erhalten.
In Chile ist Krebs die zweithäufigste Todesursache. Besonders hoch sind die Raten in der Maule-Region. Das bestätigt Elsa Labraña: "Wir sind die Region mit der höchsten Magenkrebs-Rate im ganzen Land. Und es gibt hier nicht nur Magenkrebs, sondern auch Lebensmittelallergien, Brustkrebs, Lungenkrankheiten, Parkinson, Demenz. Wir glauben, dass diese Krankheiten mit der Agro-Industrie zusammenhängen."
Das Pesticide Action Network Chile stellte in der Haupstadt Santiago Mitte März einen Bericht über hochgefährliche Pestizide vor. Dabei kam heraus, dass im Land über 400 Pestizide registriert sind, von denen mehr als 100 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Vereinten Nationen (UN) als hochgefährlich eingestuft wurden.
Ehemaliger Erntehelfer Lázaro Aburto bestätigt, dass auf den Haselnuss-Plantagen Paraquat verwendet wird: "Es gibt immer wieder Arbeiter mit Vergiftungen. Aber die Leute hier haben Angst. Sie verstecken ihre Krankheiten aus Angst, dass die Unternehmen etwas mitbekommen und einem dann keine Arbeit mehr geben."
Agrichile streitet die Verwendung des Pestizids jedoch ab. Per Mail erklärt das Unternehmen, Paraquat würde seit 2014 nicht mehr auf den Plantagen verwendet. Die Zulieferer würden zudem verlangen, dass auf ihren Plantagen keine Substanzen angewendet werden, die innerhalb der EU verboten sind.
Uslar sagt dazu, dass auf seinen Plantagen kein Paraquat verwendet werde, würde jedoch "unterschreiben", dass andere Zulieferer das Mittel sehr wohl einsetzen. Agrichile bezieht etwa zwei Drittel seiner Nüsse von derartigen Zulieferern. Ob diese ausreichend kontrolliert werden, ist fraglich.
Uslar verwendet hingegen sehr wohl eine andere "vermutlich krebserregende" Substanz auf seinen Feldern: Glyphosat. Dabei handelt es sich um das meistverkaufte Herbizid am Land. Dennoch ist Paraquat schädlicher und es gibt kein Gegenmittel bei einem toxischen Anfall durch die Substanz.
Agraringenieur Ricardo Castro lebt und arbeitet in der Maule-Region. Er erklärt, dass in den exportierten Haselnüssen keine Rückstände von Paraquat nachgewiesen werden können. Das Mittel werde nicht direkt auf die Nüsse, sondern auf den Boden unter den Bäumen aufgetragen.
"Um die Haselnüsse zu ernten, werden sie zunächst mit einer Maschine auf den Boden geschüttelt und dann mit einer Art Staubsauger aufgesaugt. Der Boden muss deshalb komplett kahl sein. Alle Unkräuter, Mikroorganismen und Insekten müssen verschwinden. So wird das Ökosystem und die Biodiversität zerstört, und eine Wüste bleibt zurück."
Laut Castro müsste es zur wirklichen Garantie, dass Paraquat nicht mehr auf den Haselnuss-Plantagen eingesetzt wird, mehr Kontrollen geben. Diese müssten weiters von staatlichen oder unabhängigen Stellen statt privaten Unternehmen durchgeführt werden.
(rfr)