Gas-Dilemma
Gewessler platzt der Kragen: "Ein untragbarer Zustand!"
Eigentlich wollte Österreich vom Russen-Gas loskommen. Doch unter Energieministerin Leonore Gewessler stiegt zuletzt der Anteil sogar wieder an.
Seit dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 verfolgt die österreichische Bundesregierung die Strategie, die Abhängigkeit von Wladimir Putins Erdgas zu reduzieren. Laut posaunt wurde, dass Österreichs Plan sei, vollkommen unabhängig von russischen Gas-Importen zu werden. Zum Ärger der grünen Energieministerin Leonore Gewessler gelang das bisher aber nicht, im Gegenteil. Wie sie selbst kürzlich öffentlich machte, stieg der Anteil sogar wieder an. Ende des Jahres 2023 sind immer noch zwischen 76 und 90 Prozent des hierzulande verwendeten Gases aus Russland importiert worden.
Der Verbrauch von Gas ist in Österreich indes zuletzt deutlich um 12,5 Prozent gesunken. Nur zu einem kleinen Teil konnte allerdings der Bedarf durch andere Quellen, etwa Flüssiggas-Terminals, gedeckt werden. Wie wolle man da schnellstmöglich den Anteil an russischem Gas um 50 Prozent senken und 2027/2028 völlig unabhängig von russischem Gas werden, wie es Vizekanzler Werner Kogler und Gewesslers Partei-Chef zuletzt plante? Dazu war die Energieministerin, die bereits in der Vergangenheit die heimischen Vorgänger-Regierungen scharf kritisiert hatte, am Sonntagabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderatorin Margit Laufer.
„Das ist ein untragbarer Zustand“
"Mir rinnt's kalt den Rücken runter"
Kennt sie den Vertrag der OMV mit der Gazprom? Nein, gestand Gewessler, sie müsse sich als Ministerin an die Gesetze halten. Die OMV sei eine Aktiengesellschaft, sie habe nur über die E-Control Zugang zum "relevanten Teil", die sei wiederum zur Verschwiegenheit verpflichtet. Klar sei aber: "Wir müssen raus aus diesem Vertrag, wir müssen raus aus russischen Gaslieferungen, wir müssen raus aus dieser Erpressbarkeit." Warum gehe in anderen europäischen Staaten ein Ausstieg, aber in Österreich nicht? "Das ist ein untragbarer Zustand", so Gewessler dazu, dass das zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs nicht gelungen ist.
„Mir rinnt's kalt über den Rücken runter, wenn ich mir vorstelle, mit unseren Gasrechnungen schicken wir Geld nach Russland, das mithilft, diese Bomben zu zahlen.“
"Die Abhängigkeit wird von Worten nicht weniger", so die Ministerin, es scheitere bisher am Willen. Deswegen habe sie eine Gasdiversifizierungspflicht vorgeschlagen, mit der Energie-Versorger dazu gesetzlich verpflichtet werden sollen, einen gewissen Anteil an nicht-russischem Gas einzukaufen. "Das wird jetzt die Nagelprobe für alle, die sagen, ja ich will raus", so Gewessler. Sie liefere Vorschläge, "Nichtstun halte ich für fahrlässig". Es seien nun alle gefordert, angefangen von der OMV über die ÖBAG bis hin zum Finanzministerium, da mitzuziehen, appellierte die Ministerin.
Es sei auch eine Studie beauftragt worden, um den wirtschaftlich besten Weg für den Ausstieg festzulegen. "Mir rinnts kalt über den Rücken runter", so Gewessler, die im ORF ein Stück einer russischen Bombe präsentierte, die auf die Ukraine abgeworfen worden sei. Sie sei fassungslos, dass mit österreichischem Geld, mit dem russische Gasrechnungen gezahlt würden, solche Bomben mitfinanzieren würden.
Gewessler hatte drei Vorschläge auf Tisch gelegt
"Ich will mit diesem Stufenplan sicherstellen, dass wir 2027 raus sind aus dieser Abhängigkeit", so die Ministerin. Die Abhängigkeit "ist das Teuerste, vor dem wir stehen". Es seien alle gefordert, Verantwortung zu übernehmen und die Maßnahmen auch umzusetzen, so die Ministerin. Sie werde ein "gutes Gesetz" vorlegen und alles dafür tun, dass es auch schnell beschlossen werde.
Gewessler präsentierte bereits in der Vergangenheit drei Vorschläge, um die Abhängigkeit vom russischen Gas zu reduzieren. Sie könne das als Ministerin nicht alleine beschließen, es brauche den Konsens und die parlamentarische Mehrheit, teilweise ist sogar eine Verfassungsmehrheit notwendig, hieß es. Die Ministerin legte den Fokus auf drei Punkte:
- 1
Gesetzliche Verpflichtungen
Würden die Energieversorger nicht aus eigenen Stücken tätig werden, dann brauche es gesetzliche Verpflichtungen. Konkret sprach Gewessler eine rechtliche Diversifizierungsverpflichtung an. Wer in Österreich Gas anbietet, soll künftig eine stückweise Reduzierung von russischen Importen vorweisen müssen. Außerdem soll auch die Nennung einer Alternative für den Fall, dass der Hauptanbieter ausfällt, zwingend vorgeschrieben werden. - 2
Ausstieg aus dem OMV-Vertrag
Gewessler plädiert auch für die Vorbereitung des Ausstiegs aus den langfristigen OMV-Verträgen. Geschehe das nicht, drohe erneut eine Situation, in der Russland das eigene Gas als Druckmittel, die Politikerin sprach von "Waffe", einsetze. Eine möglichst rasche Beendigung der Knebelverträge sei jedenfalls im Sinne der Versorgungssicherheit und ökonomisch vernünftig. Um die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, wird das Klimaschutzministerium das Wirtschaftsforschungsinstitut mit einer Analyse der wirtschaftlichen Gefahren einer längeren Abhängigkeit sowie den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Vertragskündigung beauftragen. - 3
Neue Sicherheitsstrategie
Zudem brauche es eine neue Sicherheitsstrategie für Österreich. Dazu gehöre auch die Energieversorgung. Das Energieministerium habe die relevanten Passagen bereits ausgearbeitet. Nun gehe es um die rasche Umsetzung. So sollen die notwendigen Verhandlungen mit den involvierten Akteuren rasch beginnen.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Die österreichische Energieministerin Leonore Gewessler ist frustriert über den steigenden Anteil von russischem Gas im Energiemix des Landes, trotz des Ziels, unabhängiger zu werden
- Sie drängt auf eine gesetzliche Verpflichtung zur Diversifizierung und präsentiert einen Stufenplan, um die Abhängigkeit bis 2027 zu beenden
- Außerdem betont sie die Notwendigkeit, Verantwortung zu übernehmen und Maßnahmen zu ergreifen, um das Ziel zu erreichen