Niederösterreich

Gesundheitswesen neu! Ärzteaufstand und Billigtabletten

Das Gesundheitswesen soll groß umgestaltet werden: Die Ärztekammern sollen entmachtet werden, ein Aufstand droht, auch Apotheker sind betroffen.

Das Gesundheitssystem in Österreich soll neu aufgerollt werden. (Symbolbild)
Das Gesundheitssystem in Österreich soll neu aufgerollt werden. (Symbolbild)
Bild: iStock

Ziemliche Unruhe herrscht derzeit in Teilen der Ärzteschaft. Denn geht es nach Bund und Ländern, wird die medizinische Versorgung in Österreich komplett auf den Kopf gestellt - mehr dazu hier.

Politik entscheidet über Ordination

Ein noch nicht öffentlicher Entwurf sieht de facto eine Entmachtung der Ärztekammern vor. Die Interessensvertretung der Ärzte verliert praktisch jegliche Mitbestimmung, wenn es um die Bestellung von Kassenstellen geht. Wo ein Arzt ordinieren darf und wo nicht, bestimmen in Zukunft nur Politik und die Sozialversicherung, bzw. die österreichische Gesundheitskasse.

Alle neuen Kassenärzte sollen sich verpflichten müssen, werktags von 7 bis 19 Uhr, sowie an den Wochenenden zu arbeiten. Ob sich da noch genügend Ärzte finden, die eine Kassenstelle annehmen, ist fraglich.

Wahlärzte an Kandare

Aber auch die Wahlärzte werden an die Kandare genommen: Sie müssen hinkünftig sämtliche private Behandlungen von Patienten elektronisch an die Gesundheitskasse melden. Ganz wie ihre Kollegen, die Kassenärzte. Es besteht für alle Ärzte damit eine Nutzungsverpflichtung der E-Card. Das trifft auf Ablehnung der Wahlärzte und wird auch bei der Patientenschaft auf wenig Gegenliebe stoßen.

Ökonomieprinzip in Apotheken

Selbst für Apotheker ändert sich einiges: Sie haben sich bei der Abgabe von Medikamenten an ein "Ökonomiegebot" zu halten, sprich, das günstigste Präparat auszufolgen. Begeisterung kommt bei den Pharmazeuten nicht auf.

Leistungen der Spitalsambulanzen werden hinkünftig in den niedergelassenen Bereich, also die Kassenordinationen, "transformiert", wie es im noch nicht öffentlichen Entwurf heißt. Damit wollen die Länder, die für die Spitäler zuständig sind, ihr Budget entlasten.

Außerdem soll es zu einer Vereinheitlichung der, ohnedies teils viel debattierten, Ärztehonorare kommen. Grundsätzlich sind sämtliche Änderungen für ganz Österreich vorgesehen.

"Es droht Staatsmedizinsystem"

In der Ärzteschaft war bereits in den letzten Jahren der Unmut über die Arbeitsbedingungen angewachsen. Es brodelt gewaltig in den Ordinationen. Diese von Bund und Ländern geplanten Änderungen könnten das Fass zum Überlaufen bringen. Es droht eine landesweite Niederlegung der Kassenverträge.

Spricht man in den Bundesländern mit Ärztekammerfunktionären, will derzeit keiner offen Stellung beziehen, sondern interne Beratungen abwarten. Ein hoher Wiener Ärztekammerfunktionär bringt die Stimmung auf den Punkt: „Wir sind angefressen. Es droht ein Staatsmedizinsystem.“ Man wolle eine Sitzung mit Kammerjuristen in den nächsten Tagen abwarten. „Die Politik wird nach Gutdünken über Ärzteschaft und Patienten bestimmen“, tönt es hingegen aus Niederösterreich. Auch hier stehen erst interne Beratungen an.

In der steirischen Ärztekammer sieht man „die gesamtösterreichische Standesvertretung der Ärzte gefordert“, so deren Pressesprecher.

"Jeder spürt, dass etwas nicht stimmt"

Bereits vor zwei Wochen hatte Kanzler Karl Nehammer (VP) eine Gesundheitsreform angekündigt. Und: Jeder würde spüren, dass etwas nicht mehr stimme - alles dazu hier.

Wie erschüttert das Vertrauen vieler Österreicher ins Kassensystem ist, zeigt zudem der Fall einer Angestellten (35) mit Kind aus Niederösterreich: "Ich habe mich trotz der finanziellen Mehrbelastung dazu entschlossen, mein Kind ebenfalls privat zu versichern. Dazu habe ich in der vorletzten Maiwoche den Antrag gestellt." Doch bis dato habe sie noch immer keine Rückmeldung erhalten: "Mein Versicherungsberater meinte, dass man derzeit mit den Anträgen auf eine Privatversicherung nicht nachkäme."

Von Super- bis Holzklasse

Bereits vor fünf Jahren hatte der Obmann der Salzburger Gebietskrankenkasse vor einer Drei-Klassen-Medizin gewarnt - mehr dazu hier. Die ersten beiden Klassen wären demnach Spitzenbeamte, Politiker, Promis und Menschen, die Spitzenmediziner privat kennen sowie zahlungskräftige Privatversicherte. Die dritte Klasse, die Holzklasse, sind dann die Versicherten aus der Gebietskrankenkasse.