Ukraine
Sicherheitsforscher zerschlägt im ORF alle Hoffnungen
Der Ukraine-Krieg tobt weiter mit horrenden Verlusten. Eine diplomatische Lösung werde es aber noch lange nicht geben, mahnt Gerhard Mangott.
China und Frankreich wollen baldige Friedensgespräche für die Ukraine. Der französische Präsident Emmanuel Macron setzt dabei auf den Einfluss der Chinesen auf den Kreml. Deren Staatschef Xi Jinping solle "Russland zur Vernunft bringen", sagte der Europäer am Donnerstag bei seinem Besuch in Peking. Xi lässt sich aber nicht drängen, hält weiter vorsichtig distanziert zu Russland.
Am Freitag folgte dann ein Treffen von Russlands Außenminister Sergei Lawrow mit der türkischen Regierung in Ankara. Dabei erklärte er, dass Friedensgespräche zur Beilegung des Ukraine-Kriegs möglich wären.
Allerdings nur unter der Bedingung, wenn russische Interessen berücksichtigt würden: "Es geht um die Prinzipien, auf denen die neue Weltordnung basieren wird." In der schönen neuen Welt des Kremls soll die USA zudem keine Vorherrschaftsstellung mehr einnehmen.
Doch auch die Ukraine hat Bedingungen. So fordert Kiew vor Beginn von Friedensverhandlungen den Abzug russischer Truppen aus allen besetzten Gebieten – da wird die 2014 annektierte Halbinsel Krim dazugezählt.
Doch kann das zusammengehen? Sind Friedensverhandlungen wirklich möglich? In der ZIB2 Freitagnacht nahm Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck dazu Stellung.
Aktuell Nein, stellte der Sicherheitsforscher klar. Beide Konfliktparteien würden derzeit Bedingungen stellen, die die jeweils andere Seite nicht akzeptieren könne. "Worüber sollte dann auch verhandelt werden?" Es sei derzeit nicht die Zeit für eine politische Lösung, es sei alles auf dem Schlachtfeld zu entscheiden, hieß es dazu kürzlich erst auch aus dem Kreml.
Verhandlungen werde es erst bei Erschöpfung beider oder Dominanz einer Kriegspartei geben, schätze Mangott im ORF-Interview. Auch hier zeichnet sich kein Zwang zur Diplomatie ab, beide Armeen seien von den skizzierten Szenarien weit entfernt.
Was ist mit China?
"China ist zwar unzufrieden mit diesem Krieg und der russischen Vorgangsweise, aber Russland ist ein wichtiger Verbündeter gegen die USA, den man nicht verprellen will", erklärte der Innsbrucker Professor den aktuellen Kurs. Und solange China die russischen Ansprüche decke bzw. unterstütze, sei auch von Peking kein weiterer Druck zu erwarten.
China bekomme von Russland aktuell das nicht nach Europa exportierte Öl zum Schleuderpreis nachgeworfen, liefere im Gegenzug dringend benötigte Halbleitertechnologien. Aber: Auch hier übe sich die Chinesen in Zurückhaltung, weil sie mögliche Sanktionen der USA fürchten würden. Der nordamerikanische Markt sei für das Reich der Mitte noch zu wichtig, um diese einfach abschütteln zu können.
Sind Atombomben in Belarus eine Gefahr?
"Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß", dass der Ankündigung der Stationierung von taktischen Atombomben in Belarus auch entsprechende Taten folgen werden, sagte Mangott weiter. "Obwohl sich strategisch nichts ändert, ist es ein weiterer Faktor, der Angst erzeugen soll". Im weiter westlich gelegenen Kaliningrad haben die Russen bereits seit Jahren Atombomben stationiert.
Taktische Nuklearwaffen sind für den Einsatz in einer Schlacht gedacht und können auch relativ nahe an den eigenen Positionen eingesetzt werden. Die europäischen Bürger sollen durch dieses Drohszenario aber eingeschüchtert und beeinflusst werden, die eigenen Regierungen zu Friedensbemühen zu drängen.
"Da ist Russland nicht berechenbar genug"
Die Russen hätten in ihrer Militärdoktrin absichtlich eine Unsicherheit hinsichtlich des möglichen Einsatzes taktischer Nuklearwaffen erzeugt. So hatte der Kreml immer wieder durchblicken lassen, diese etwa bei einem Angriff auf die Krim einsetzen zu wollen.
Mangott mahnte zu Vorsicht, ausschließen könne man nichts: "Da ist Russland nicht berechenbar genug. Ein solcher Einsatz ist möglich, wenn nicht wahrscheinlich." Deswegen sei auch das ein Risiko, das es zu beachten gelte.
Offensive gegen Offensive
Siege an der Front bleiben durch "Entscheidungs- und Einschätzungsfehler der Kommandeure bis zum Generalstab hinauf" aus. Zudem seien (zu) viele Reservisten und "Mobiks" – also mobilisierte Männer – an der Front, die zu unerfahren und schlecht ausgebildet wären. "Die russische Winteroffensive war ganz offensichtlich nicht erfolgreich", sagte Mangott mit Blick auf die geringen territorialen Zugewinne und riesigen Verlusten.
In den nächsten Wochen werde dafür eine ukrainische Gegenoffensive erwartet, welcher der Politikwissenschaftler wegen der westlichen Waffen mehr Erfolge ausrechnet.
"Russland wird im Oktober militärisch verloren haben"
Unterdessen brennen sich Wladimir Putins Truppen unter extremen Verlusten jeden Tag weiter durch ihr durchaus gewaltiges Arsenal aus Sowjetwaffen. Beinahe 10.000 schwere Kriegsgeräte hat die russische Armee bereits verloren – und das ist nach der konservativen Zählung durch "ORYX" auf Basis von visuell bestätigten Wracks.
Eine solche Abnutzungsrate könne selbst Russland nicht lange durchhalten, schätzt der Militäranalyst Marcus Keupp von der ETH Zürich: "Das ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ihnen die Reserven ausgehen." Und das wird ihm zufolge dramatische Folgen haben: "Russland wird den Krieg im Oktober militärisch verloren haben."
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