Gesundheit

Gentherapie sei Dank! Blinder kann wieder sehen

Eine Erbkrankheit machte ihn mit 18 Jahren blind. Dank einer revolutionären Therapie hat er 40 Jahre später Hoffnung.

Sabine Primes
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Retinitis pigmentosa war bisher eine unheilbare Krankheit. Jetzt könnte ein erster Schritt Richtung Therapie gemacht sein.
Retinitis pigmentosa war bisher eine unheilbare Krankheit. Jetzt könnte ein erster Schritt Richtung Therapie gemacht sein.
Getty Images/iStockphoto

Die Diagnose Retinitis pigmentosa ließ den heute 58-jährigen Mann aus Frankreich als Jugendlichen erblinden. Damals gab es keinerlei Heilungschancen für die erbliche Erkrankung. Bis heute.

Retinitis pigmentosa ist die Bezeichnung für eine Gruppe von erblichen Augenerkrankungen, die eine Zerstörung der Netzhaut (Retina), des sehfähigen Gewebes am Augenhintergrund, zur Folge hat. Das Adjektiv pigmentosa beschreibt die bei der Untersuchung des Augenhintergrunds sichtbaren, typischen Pigmentablagerungen in der Netzhaut.
Diese noch unheilbare Erbkrankheit ist eine der häufigsten Ursachen des Sehverlustes im mittleren Erwachsenenalter und kann vererbt werden. Der gesamte Prozess verläuft schleichend bzw. schubweise und erstreckt sich meistens über Jahrzehnte hinweg. Ursache dieser Symptome ist ein allmählicher Untergang der Lichtsinneszellen (Photorezeptoren) der Netzhaut des Auges, meist zunächst der für Nacht- und Dämmerungssehen verantwortlichen Stäbchen. Später kommen die für das Lesen und das Farbsehen wichtigen Stäbchen hinzu, die sich im Zentrum der Netzhaut befindlichen Zapfen. Meist tritt im Jugendalter oder in den mittleren Lebensjahren Nachtblindheit ein, das Gesichtsfeld verengt sich, Kontrast- und Farbsehen, später auch die Sehschärfe verschlechtern sich, sodass die Sehkraft allmählich nachlässt. Die Ausmaße können bis zur Erblindung reichen.

An der Behandlung dieser Art der erblichen Erblindung arbeiten Forschende um Prof. Dr. Botond Roska von der Universität Basel und Prof. Dr. José-Alain Sahel von der Universität Pittsburgh seit über zehn Jahren. Dafür setzen sie sogenannte optogenetische Gentherapien ein. Das berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin "Nature Medicine". 

Optogenetik als Schlüssel zur Heilung?

Bei Optogenetik handelt es sich um eine Technik, bei der Zellen genetisch so verändert werden, dass sie lichtempfindliche Proteine produzieren. 
Im Fall des blinden Mannes versuchten die Forscher, die Lichtsensibilität der Netzhaut des Patienten wiederherzustellen. Dazu schleusten sie bestimmte Gene in sogenannte Ganglienzellen der Netzhaut ein, damit diese das lichtempfindliche Protein ChrimsonR herstellten. Dieses spezielle Protein absorbiert bernsteinfarbenes Licht, das für Netzhautzellen sicherer ist als das blaue Licht, das sonst häufig in der Optogenetik verwendet wird. Das Team entwickelte zudem eine spezielle Brille, die mit einer Kamera ausgestattet ist. Die Kamera erfasst die Umgebung und projiziert die Bilder, umgewandelt in bernsteinfarbenen Lichtwellenlängen, auf die Netzhaut.

Sehverbesserung nach sieben Monaten

Etwa fünf Monate, nachdem der Patient die Gentherapie erhielt, begann das Training mit der Brille. So stabilisierte sich die Produktion des lichtempfindlichen Proteins ChrimsonR in den Zellen der Netzhaut. Sieben Monate später berichtete der Patient über Anzeichen einer Sehverbesserung.

Bei einem Versuch sollte der Patient Knöpfe drücken, um anzugeben, ob sich ein Glas auf dem Tisch vor ihm befand oder nicht. Dabei trug er eine Kopfhaube mit Elektroden, die ein Elektro-Enzephalogramm (EEG) seiner Gehirnaktivität aufzeichneten. Die Auswertung der EEG-Messungen zeigte, dass sich die Aktivität im visuellen Kortex seines Gehirns entsprechend änderte, je nachdem, ob das Glas vorhanden war oder nicht. Damit konnten die Forschenden bestätigen, dass die Gehirnaktivität tatsächlich mit einem visuellen Objekt in Verbindung stand und die Netzhaut nicht mehr blind war.
Bei einem Versuch sollte der Patient Knöpfe drücken, um anzugeben, ob sich ein Glas auf dem Tisch vor ihm befand oder nicht. Dabei trug er eine Kopfhaube mit Elektroden, die ein Elektro-Enzephalogramm (EEG) seiner Gehirnaktivität aufzeichneten. Die Auswertung der EEG-Messungen zeigte, dass sich die Aktivität im visuellen Kortex seines Gehirns entsprechend änderte, je nachdem, ob das Glas vorhanden war oder nicht. Damit konnten die Forschenden bestätigen, dass die Gehirnaktivität tatsächlich mit einem visuellen Objekt in Verbindung stand und die Netzhaut nicht mehr blind war.
nature.com

Breite Anwendung dauert noch

Für diese Art der Behandlung von Blindheit kommen nur Patienten infrage, deren Sehnerv noch intakt ist und die aufgrund verschiedener Arten neurodegenerativer Fotorezeptor-Erkrankungen das Augenlicht verloren haben, wie José-Alain Sahel betont. "Es wird aber noch einige Zeit dauern, bis diese Therapie den Patienten angeboten werden kann".