"Mumien-Käse"
Geheimnis um ältesten Käse der Welt endlich gelüftet
In manchen Kulturen wird Verstorbenen noch Proviant fürs Jenseits mitgegeben. Bei einem chinesischen Volk war das offenbar Käse.
"Mumienkäse" klingt nicht sonderlich appetitlich. Doch Forscher sind fasziniert von ihm. Denn der Käse hat den Spitznamen nicht ohne Grund bekommen: Er wurde auf Hals und Brust von rund 3.600 bis 4.000 Jahre alten mumifizierten Leichen aus dem Gräberfeld Xiaohe in Xinjiang im Westen Chinas entdeckt – als Grabbeigabe.
2014 fand ein deutsches Forschungsteam heraus, dass es sich bei den Käsebrocken um Kefir-Käse handelt. Nun liefern chinesische Forschende noch mehr Details.
Die Gruppe um Yichen Liu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften analysierte für die Studie die DNA der antiken Brocken und fand so heraus, dass für die Herstellung des Mumienkäses sowohl Kuh- als auch Ziegenmilch verwendet wurden. Aber "interessanterweise scheinen sie in unterschiedlichen Chargen verwendet und nicht gemischt worden zu sein", so das Team. Um ganz sicherzugehen, müssten aber noch mehr Proben analysiert werden.
Kefir-Käse: Inspiriert von eurasischen Völkern
Die Ziegen gehörten dabei laut DNA-Analysen zu einer ehemals weit in Eurasien verbreiteten Gruppe, die sich genetisch von den heutigen domestizierten Ziegen Ostasiens abhebt. Die Forschenden vermuten, dass die Xiaohe nicht nur die Ziegenmilch, sondern auch die Technik der Käseherstellung (siehe Box) von eurasischen Steppenvölkern übernahmen, die als Nomaden im Westen Chinas umherzogen.
Rezept
Der Mumien-Käse wurde mit Bakterien und Hefe, nicht mit Lab hergestellt. Konkret nutzten die Xiaohe Milch und sogenannte Kefirknollen voller Milchsäurebakterien und Hefen. Sie gären stunden- bis tagelang in der Milch und machen aus ihr schließlich trinkbaren Kefir. Durch Entzug der Feuchtigkeit entsteht der feste Kefir-Käse, der bei den Mumien gefunden wurde und lange haltbar war. Weiterer Vorteil: Das fertige Produkt enthält kaum Laktose. Das könnte laut den Forschenden "zum Milchkonsum der Xiaohe beigetragen haben, die wie viele asiatische Bevölkerungsgruppen laktoseintolerant waren".
Weiter konnten die Forschenden nachweisen, dass die Proben das Milchsäurebakterium Lactobacillus kefiranofaciens und den Hefepilz Pichia kudriavzevii enthalten. Beide kommen bis heute in ähnlicher Form in Kefir vor, haben sich aber – wie der Mensch auch – weiterentwickelt.
Das Team zeigte auch, dass die Lactobacillus-Variante enger mit der tibetischen Lactobacillus-Variante verwandt ist als mit der russischen. Das kam überraschend. Denn bislang gingen Fachleute davon aus, dass Kefir seinen Ursprung im heutigen Russland hatte. Die neuen Erkenntnisse widersprechen der Annahme.
"Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Kefirkultur in der nordwestchinesischen Region Xinjiang seit der Bronzezeit gepflegt wird", heißt es in der im Fachjournal Cell veröffentlichten Studie.
Auf den Punkt gebracht
- Forscher haben das Geheimnis um den ältesten Käse der Welt, der als Grabbeigabe auf mumifizierten Leichen im chinesischen Gräberfeld Xiaohe gefunden wurde, gelüftet
- Die DNA-Analyse ergab, dass der Käse aus Kuh- und Ziegenmilch hergestellt wurde und die Kefirkultur in der Region Xinjiang seit der Bronzezeit gepflegt wird, was bisherigen Annahmen widerspricht