Pager-Explosion im Libanon

Geheimdienst-Expertin: "War nicht Israels letztes Ass"

Die ehemalige israelische Geheimdienstmitarbeiterin Shira Kaplan erklärt, warum Israel jetzt bereit ist, gegen die Hisbollah vorzugehen.

20 Minuten
Geheimdienst-Expertin: "War nicht Israels letztes Ass"
Shira Kaplan arbeitete bei der Unit 8200, einer Eliteeinheit des israelischen Geheimdienstes. Sie ordnet den Angriff auf die Hisbollah ein.
Foto: Dagmar Caminada

Am Dienstag wurde die schiitische Terrororganisation Hisbollah von der koordinierten Explosion Tausender Pager überrascht. Der israelische Geheimdienst Mossad soll die Funkmeldeempfänger abgefangen und mit Sprengstoff präpariert haben. Der Hersteller aus Taiwan weist alle Schuld von sich, eine Spur zu den manipulierten Nachrichtensendern führt nun ausgerechnet nach Österreich, "Heute" berichtete.

Bei zahlreichen Pager-Explosionen im Libanon gab es mindestens zwölf Toten und über 2.750 Verletzten.
Bei zahlreichen Pager-Explosionen im Libanon gab es mindestens zwölf Toten und über 2.750 Verletzten.
REUTERS/Mohamed Azakir TPX IMAGES OF THE DAY

Gegenüber dem "Heute"-Partnermedium "20 Minuten" erklärt die ehemalige Mitarbeiterin des israelischen Militärieheimdienstes warum Israel jetzt bereit ist, gegen die Hisbollah vorzugehen.

Die einzige Person, die den Krieg um Israel stoppen kann, ist Donald Trump.
Shira Kaplan
Ehemaliges Mitglied des israelischen Geheimdienstes und Cybersicherheit-Investorin

Frau Kaplan, hinter der Pager-Attacke steht Israel – oder gibt es daran noch irgendwelche Zweifel?

Shira Kaplan: Israel hat meines Wissens bislang in keiner Weise offiziell die Verantwortung übernommen – aber wir können davon ausgehen, dass es so ist.

Wer ist Shira Kaplan:
Shira Kaplan (41) ist eine israelische Unternehmerin und Investorin im Bereich Cybersicherheit, die seit 13 Jahren in der Schweiz lebt. Sie hat an der Harvard Universität Politikwissenschaft studiert und verfügt über einen Master in Finanz- und Bankwesen der HSG. Zuvor diente sie in der Unit 8200, einer Eliteeinheit des israelischen Geheimdienstes.

Das ist nach dem Attentat auf Hamas-Leader Hanija in Iran schon die zweite erfolgreiche hochkomplexe Operation. Wer denkt sich solche Pläne aus?

Kaplan: Israel verfügt über sehr kreative Menschen in verschiedensten Organisationen – sei das der Auslandsgeheimdienst Mossad, der Inlandsgeheimdienst Schin Bet oder der IDF-Geheimdienst. Aber auch unsere Staatsmänner sind kreativ: Ehud Barack oder der verstorbene Ishak Rabin sind zum Beispiel mehrmals als Frauen verkleidet zu geheimen Treffen gereist, ohne aufzufliegen. Unsere Fähigkeit zu überleben basiert auf dieser Kreativität – ohne sie wären wir Israelis schon lange tot.

VIDEO einer Überwachungskamera: Die Pager-Explosion in einem Geschäft

Wie wahrscheinlich ist eine Beteiligung der USA an der Pager-Aktion?

Kaplan: Das kann ich nicht sagen. Wir haben zurzeit eine sehr milde Administration in den USA, daher denke ich eher nicht. Ich glaube – und das ist nicht als Unterstützung zu verstehen, ich bin wertemäßig klar eine Demokratin –, ich glaube, die einzige Person, die den Krieg um Israel stoppen kann, ist Donald Trump. Dasselbe gilt übrigens auch für den Ukraine-Krieg.

Bleiben wir im Libanon: Was war das Hauptziel dieser Aktion? Die Hisbollah zu schwächen?

Kaplan: Es geht hier sicher nicht um eine bloße Provokation. Es ist eher so, dass Israel an einem Punkt angelangt ist, wo es bereit ist, mit der Hisbollah aufzuräumen. Stillsitzen ist ganz einfach keine Option mehr.

Aber Israel hat diese raffiniert und wohl sehr aufwendig vorbereitete Karte damit auch aus der Hand gegeben und verspielt, was möglicherweise auch einen Zugzwang mit sich bringt. Ist das zwangsläufig der Auftakt für eine Bodenoffensive im Libanon?

Kaplan: Die Kommunikation gehört zu den wertvollsten und verletzlichsten Teilen jeder Organisation. Es ist wahrscheinlich, dass die Israelis die Kommunikation auf diesen Pagern mitverfolgen konnte. Auch deshalb ist hier eine wertvolle Karte aus der Hand gegeben worden. Aber ich bin mir sicher, das war nicht das letzte Ass im Ärmel der Israelis. Ich kenne die Pläne Israels nicht. Es kann sein, dass das der Anfang von etwas Größerem ist, ja.

Die Hisbollah ist keinesfalls zu schwach, um sofort zurückzuschlagen. Sie hat weiterhin Hunderttausende Raketen in Richtung Israel bereit.
Shira Kaplan

Wie effektiv wurde die Hisbollah mit der Aktion geschwächt? Ist eine sofortige Reaktion ausgeblieben, weil sie sich zuerst wieder ordnen muss?

Kaplan: Die Hisbollah ist keinesfalls zu schwach, um sofort zurückzuschlagen. Sie hat weiterhin Hunderttausende Raketen in Richtung Israel bereit. Aber was sich hier abspielt, ist ein sehr kompliziertes Schachspiel. Da muss jeder Schritt genau abgewogen werden.

Jetzt noch eine persönliche Frage: Obwohl Sie und Ihre Familie nach einem früheren Auftritt in den Schweizer Medien an Leib und Leben bedroht worden sind, geben Sie uns weiter mit vollem Namen Auskunft. Warum nehmen Sie das auf sich?

Kaplan: Ich hoffe, dass nichts von dem, was ich gesagt habe, irgendjemanden verletzt. Aber die Schweiz ist eine Demokratie und es muss hier möglich sein, eine unabhängige Analyse abzugeben. Ich verstecke mich nicht unter dem Tisch. Und wenn es Bedrohungen gibt, erwarte ich von den Behörden, dass sie dagegen vorgehen.

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    Screenshot Facebook/Markus Reperich; Google Street View

    Auf den Punkt gebracht

    • Die ehemalige israelische Geheimdienstmitarbeiterin Shira Kaplan erläutert, warum Israel nun bereit ist, gegen die Hisbollah vorzugehen, nachdem die schiitische Terrororganisation durch die Explosion Tausender Pager überrascht wurde, die vermutlich vom israelischen Geheimdienst Mossad präpariert wurden
    • Kaplan betont, dass Israel an einem Punkt angelangt ist, wo es nicht mehr stillsitzen kann, und dass die Aktion möglicherweise der Beginn von etwas Größerem ist, obwohl sie nicht das letzte Ass im Ärmel Israels darstellt
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