Linientreue ESC-Alternative

Ganz ohne Queer: Putin bringt Sowjet-Songcontest zurück

Schon 2008, nach dem Sieg von Conchita Wurst beim ESC, kam in Russland die Idee einer russischen Gegenveranstaltung auf. Heuer soll es so weit sein.
Nick Wolfinger
04.02.2025, 16:15

Geht es nach Russlands Präsident Putin, soll ein längst vergessenes Show-Format der Sowjet-Ära ins Fernsehen zurückkehren. Von 1977 bis 1980 wurde in Polen das Interwizja Festival abgehalten – als sowjetische Alternative zum seit 1956 veranstalteten "westlichen" Eurovision Song Contest (ESC). Am Montag, den 3. Februar, verordnete Putin per Dekret die Durchführung eines neuen Intervision-Festivals ("Intervideniye") in Moskau im September.

Mitarbeiterinnen des polnischen Fernsehens nahmen Anrufe für das Publikumsvoting beim Interwizja in Sopot entgegen, Ende der 1970er-Jahre
Mitarbeiterinnen des polnischen Fernsehens nahmen Anrufe für das Publikumsvoting beim Interwizja in Sopot entgegen, Ende der 1970er-Jahre
TVP.pl

Russland seit 2022 von ESC-Teilnahme ausgeschlossen

Pläne für eine Comeback der Show gab es schon lange, ganz besonders aber seit Russlands Ausschluss vom ESC im Jahr 2022 als Reaktion auf den Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine. Seither wurde die Veranstaltung aber mehrmals verschoben. Heuer soll es aber wirklich so weit sein, versichert man aus Moskau. 25 Länder hätten bereits Interesse angemeldet, behauptet Russlands Vizepremier Dmitry Chernyshenko, der dem Organisationskomitee vorsitzen wird.

Spaß ohne "bürgerliche Perversionen"

Damals stand ideologische Abgrenzung klar im Vordergrund: Regimekritische Inhalte waren ebenso verboten wie "bürgerliche Perversionen", womit Homosexualität gemeint war. Stattdessen sollte Patriotismus, Arbeiterstolz und Völkerverständigung hochgehalten werden, bevorzugt als traditionelle Volksmusik. Aber auch die damals populäre Pop- und Rockmusik war erlaubt, durfte aber nicht zu "frech" oder "hart" sein.

Ganz in diesem Sinne hat Putin nun ein Dekret unterzeichnet, wonach das Event als "Intervision Song Contest" (Intervideniye) nach 55 Jahren Pause noch diesen September wieder stattfinden soll. Die queerfeindliche Komponente wird dabei sicher beibehalten, zählt Putin doch auf die Unterstützung der russisch-orthodoxen Kirche, für die Homosexualität nichts weniger als ein Werk des Teufels ist.

Conchita Wurst als Auslöser?

Nicht zufällig kam russischen Politiker die Idee der Wiederbelebung einer russischen ESC-Alternative unmittelbar nach dem Sieg von Conchita Wurst 2014 in den Sinn. Daher wurde schon 2014 in Sotschi ein "Intervision"-Revival mit Teilnehmern aus elf Ländern abgehalten, das aber schon im Folgejahr ins Wasser fiel.

Der Österreicher Tom Neuwirth gewann 2014 als Conchita Wurst für Österreich den Eurovision Song Contest.
Der Österreicher Tom Neuwirth gewann 2014 als Conchita Wurst für Österreich den Eurovision Song Contest.
REUTERS

Ob "Arbeiterstolz" heute noch so eine große Rolle spielen wird, darf aber bezweifelt werden. Dass wohl kaum Lieder mit Kritik an den jeweiligen Regierungen zu hören sein werden, versteht sich angesichts der autoritären, auf totale Meinungskontrolle ausgerichteten Politik Russlands ebenso von selbst.

Mit China, ohne Polen

Diesmal sollen auch die "neuen Freunde" aus den Reihen der BRICS-Staaten, also Indien, Brasilien, China, Südafrika und der Iran, dabei sein. Ob wie angekündigt auch wirklich alle ehemaligen GUS-Staaten dabei sein werden, darf bezweifelt werden. Gilt doch spätestens seit dem Ukraine-Krieg das Verhältnis zwischen Russland und vielen ehemaligen Mitgliedsstaaten der Sowjetunion als besonders angespannt. Insbesondere Polen dürfte als stärkster osteuropäischer Verbündeter der Ukraine wohl kaum an einer Teilnahme interessiert sein.

Zugesagt haben aus diesen Reihen bis jetzt nur Belarus, Kasachstan und Aserbaidschan. Damit läge man nach derzeitigem Stand bei acht Teilnehmerländern – während Außenminister Lawrow im Dezember noch 25 Teilnehmerstaaten angekündigt hatte.

{title && {title} } NW, {title && {title} } 04.02.2025, 16:15
Weitere Storys
Es gibt neue Nachrichten auf Heute.atZur Startseite