Kritische Situation 

Gang-Gewalt eskaliert: "Besser ausgerüstet als Polizei" 

In Stuttgart eskaliert die Banden-Gewalt. Laut einem Experten hat Baden-Württemberg hat die kleinste Polizeidichte. Das sei ein Problem.

20 Minuten
Gang-Gewalt eskaliert: "Besser ausgerüstet als Polizei"
Die Stuttgarter Polizei verfüge über zu wenig Ressourcen, beklagt die Gewerkschaft.
Marijan Murat / dpa / picturedesk.com

Schießereien, Aufmärsche und ein Handgranaten-Angriff: Zwei verfeindete Banden halten den Großraum Stuttgart in Atem. Laut dem deutschen Politikwissenschaftler Mahmoud Jaraba gestalten sich die Ermittlungsprozesse der Polizei besonders schwierig. Der Hauptgrund dafür sind laut dem Experten die unzureichenden polizeilichen Ressourcen, um gegen solche Gangs vorgehen zu können.

"Die Banden sind besser ausgerüstet als die Polizei. Sie haben mehr Mitglieder als die Behörden, sind gut formiert und haben leichten Zugang zu Waffen und anderen Technologien." Zudem investieren die Gruppen gemäß Jaraba viele Ressourcen zur Ausweitung ihres Netzwerkes. Zu ihrem Waffenbestand gehören nicht nur Klappmesser und einfache Revolver, sondern Maschinenpistolen, Schalldämpfer und sogar Handgranaten.

Bundesweit kleinste Polizeidichte

Auch die Gewerkschaft der Polizei in Baden-Württemberg nennt gegenüber ARD die geringe Polizeidichte als Grund, weshalb die Gewalt im Großraum Stuttgart derart eskalieren konnte. Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass es mit 273 Personen in keinem anderen Bundesland so wenige Polizistinnen und Polizisten pro 100.000 Einwohnern gibt wie in Baden-Württemberg (Stand 2022).

Das Thema scheint für die verantwortlichen Behörden heikel: Anfragen zu den Polizei-Ressourcen beim baden-württembergischen Innenministerium, der Polizei Stuttgart und dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann blieben bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet. Auch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA BW) beantwortet die Frage bezüglich der Polizeidichte nicht und verweist an das Innenministerium.

Laut LKA-Sprecher David Fritsch handelt es sich bei den Vorfällen im Großraum Stuttgart um ein neues Kriminalitätsphänomen, das mit keinem anderen Verfahren in Deutschland vergleichbar ist. "Die Motivation für das gezeigte Verhalten liegt nach hiesigem Eindruck vor allem in der Suche nach Anerkennung und Bestätigung innerhalb der Gruppierungen, im Streben nach materiellem Gewinn und oft auch nach einer kriminellen Karriere."

Dem LKA sei kein weiteres Verfahren in Baden-Württemberg bekannt, bei dem ein so hoher Personaleinsatz über einen so langen Zeitraum vorlag. "Die Ermittlungen werden aktuell von über 130 Beamtinnen und Beamten des LKA BW und der betroffenen regionalen Polizeipräsidien geführt." Die Gewalttaten und die dahinterstehenden Gruppierungen seien seit Anfang 2023 fest im Fokus des LKA: "Deren Bekämpfung hat höchste Priorität."

56 Personen festgenommen

Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl vergangene Woche zur Bandenkriminalität in Stuttgart vor den Medien. Man bekämpfe die kriminellen Auseinandersetzungen "hartnäckig und konsequent". "Wir haben hier einen langen Atem und wir geben auch keinen Millimeter nach", sagte er.

Bisher habe man im Zusammenhang mit der Bandenkriminalität 56 Personen festgenommen, 2.500 Personen kontrolliert, 138 Durchsuchungen durchgeführt und 24 Schusswaffen sichergestellt. Das LKA BW sagt gegenüber 20 Minuten, dass neben den 24 Schusswaffen 115 Waffen sichergestellt wurden. Zudem habe man 400 Fahrzeuge kontrolliert.

Nach den Ermittlungen der letzten Monate, so Strobl, habe man sich dazu entschieden, die Ermittlungsarbeit nachzuschärfen. Explizit wurden sechs Maßnahmen vorgestellt. Unter anderem soll neu das LKA alle Ermittlungen rund um die Führungsriege der Banden und den dazugehörigen harten Kern übernehmen. Die regionalen Polizeipräsidien übernehmen gleichzeitig die Umfeldermittlungen der Gruppen. Sie kümmern sich also um die Unterstützer der Gruppen und Personen, die sich mit ihnen verbunden fühlen. Zudem haben das LKA und die Polizeipräsidien eine Sonderkommission mit 135 Beamten gegründet.

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    REUTERS
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