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Frauen in Geldnot verkaufen Nacktbilder auf Onlyfans
Auf Onlyfans lassen längst nicht mehr nur Promis oder Kinks die Hüllen fallen. Frauen erzählen, wie sie das Zusatzeinkommen durch die Pandemie rettet.
Spätestens seit Bella Thorne im letzten Jahr mit ihren Bildern innerhalb von 24 Stunden eine Million Dollar verdient hat, ist die Plattform Onlyfans vielen ein Begriff. Das Portal funktioniert wie Instagram, nur müssen die Nutzer*innen bezahlen, um den meist erotischen Content zu sehen. Anfangs tummelten sich auf dem 2016 gelaunchten Webdienst vor allem Promis, Fetischisten sowie Sexarbeiter*innen. Seit Corona ein Loch in viele Geldbeutel gerissen hat, eröffnen aber auch immer mehr Privatpersonen einen Onlyfans-Account und stellen ihre intimen Fotos und Videos gegen eine Abo-Gebühr ins Netz.
Auch in der Community unserer Kollegen von "20 Minuten" gibt es Frauen, die in Zeiten von Corona auf Onlyfans setzen. Drei Leserinnen erzählen, weshalb sie sich dazu entschieden haben, ihre Nacktbilder online zu verkaufen und welche Rolle die Pandemie dabei gespielt hat.
„"Onlyfans ist momentan mein Hauptjob, weil ich in Kurzarbeit bin"“
Nachdem ihre Aktbilder auf Instagram immer wieder gelöscht wurden, eröffnete die 26-jährige Linda einen Onlyfans-Account.
Die gelernte Pharma-Assistentin Linda (26) aus Zürich ist seit letztem Sommer auf Onlyfans aktiv: "Ich bin seit zehn Jahren als Hobby-Model tätig, unter anderem auch im Dessous- und Aktbereich. Meinen Onlyfans-Account namens Ravenchild habe ich erst recht spät, im August letzten Jahres, eröffnet. Eigentlich war es eine spontane Entscheidung, weil meine Bilder auf Instagram und Facebook immer wieder gelöscht wurden. Sie waren angeblich zu freizügig, obwohl ich die intimen Stellen entweder verschwommen dargestellt oder mit einem Balken bedeckt habe. Also hatte ich keine Plattform, wo ich meine ästhetischen Nude-Bilder zeigen konnte.
Ich stand vor der Wahl, entweder eine eigene Homepage einzurichten oder einen Onlyfans-Account zu machen. Mir war relativ schnell klar, dass Onlyfans die bessere Option ist, weil ich dort mit meinen Fotos Geld verdienen kann. Der Verdienst von rund 1000 Franken im Monat kommt mir sehr gelegen, da ich momentan in meinem Job im Überwachungsbereich in Kurzarbeit bin und nicht voll verdiene. Momentan ist Onlyfans mein Hauptjob und ich bin sehr froh darüber, dass ich einen Account eröffnet habe. Außerdem hilft es nicht nur finanziell, sondern ich habe auch etwas zu tun in dieser instabilen Zeit."
„"Ich war arbeitslos und Onlyfans der letzte Ausweg"“
Als Corona kam, steckte Anna* mitten in der Jobsuche. Bis heute hat sie noch keine Stelle gefunden, Onlyfans ist ihre einzige Einnahmequelle.
Die gelernte Bürokauffrau Anna* (23) setzte im Mai letzten Jahres alles auf die Karte Onlyfans. Wegen Corona fand die Genferin keinen Job , ihre letzte Option, sich etwas dazu zu verdienen, war ein Account auf der Paid-Content-Plattform, wo sie unter dem Namen kandylingerie zu finden ist: "Ich war wirklich verzweifelt. Ich habe monatelang einen Job gesucht und mich oft beworben, aber nie ist etwas Festes daraus geworden. Die Pandemie und die dazugehörigen Maßnahmen haben es mir sehr schwer gemacht. Ich musste sogar zurück zu meiner Mutter ziehen, weil ich mir die eigene Wohnung nicht mehr leisten konnte.
Als ich nicht weiter wusste, kam mir die Idee, Nackt- und Unterwäschebilder online zu stellen und damit Geld zu verdienen. Wie viel ich verdiene, möchte ich nicht sagen, aber ich kann sagen, dass Onlyfans mir sehr geholfen hat: Ich habe trotz Pandemie etwas zu tun und verdiene endlich mein eigenes Geld. Für eine eigene Wohnung reicht es aber leider nicht."
„"Onlyfans ist ein toller Nebenverdienst, der nicht zu unterschätzen ist"“
Mareike* (22) postet gerne freizügige Bilder auf Onlyfans, um sich so etwas dazu zu verdienen.
Leserin Mareike* (22) arbeitet im Alterszentrum. Sie möchte nicht, dass ihr Umfeld etwas von ihrem Account erfährt. Dennoch postet sie gerne und oft Bilder auf der Paid-Content-Plattform: "Ich habe letztes Jahr einen Account eröffnet, weil ich gerne die Kontrolle über meine Bilder habe. Auf Onlyfans kann ich sehen, wer mich abonniert und weiß: Die Leute zahlen, um genau diesen Content von mir zu sehen. Mir ist das lieber, als freizügige Bilder auf Instagram zu posten, wo sie jeder und jede sehen und darüber reden kann. Die Entscheidung, einen Account zu eröffnen, ist mir nicht schwer gefallen.
Eigentlich wollte ich meine Stelle als Pflegerin aufstocken und mehr Stunden arbeiten, was jedoch nicht möglich war. Da hat mir Onlyfans in die Karten gespielt, es ist schließlich ein schöner Nebenverdienst, den man nicht unterschätzen sollte. Im Monat verdiene ich dank meiner Bilder bis zu 2000 Franken dazu – das spare ich für die Zukunft. Manchmal gönne ich mir aber auch neue Unterwäsche oder Ähnliches. Das Geld war dennoch nicht der Hauptgrund für meine Entscheidung. Ich mache gerne schöne, ästhetische Bilder von mir – manchmal eben auch etwas freizügigere. Da das mit meinem Job im Alterszentrum nicht gut zu vereinbaren ist, bin ich für eine diskrete Plattform dankbar."
*Name geändert.
„"Wenn das Geld lockt, vergisst man die Risiken"“
Lilian Suter ist Medienpsychologin an der ZHAW.
Frau Suter, welche Gefahren kann ein Onlyfans-Account mit sich bringen?
Vielen Creators geht es ums Ausleben der eigenen Persönlichkeit. Man muss aber vorsichtig sein und darauf achten, was man teilt und was man von sich preisgibt. Auch wenn die Beiträge auf Onlyfans hinter einer Bezahlschranke sind, heißt es nicht, dass sie auch dort bleiben. Ein Screenshot ist schnell gemacht und genauso schnell weitergeleitet. Irgendwann können die Aktivitäten auch ins reale Leben schwappen. Die Leute erfahren von den Nacktbildern auf Onlyfans und man wird darauf angesprochen – damit muss man rechnen. Genauso wie mit dem Feedback der Mitmenschen. Es kann gut sein, dass es nicht von allen gutgeheißen wird. Außerdem besteht die Gefahr, dass man sich von den sogenannten Fans überreden lässt, Dinge zu zeigen, die man ursprünglich nicht zeigen wollte, oder weiter zu gehen als geplant, nur weil sie es sich wünschen.
Denken Sie, dass sich junge Frauen dessen nicht bewusst sind?
Ich denke schon, dass es eine Persönlichkeitsfrage ist. Je gefestigter man ist, und das kommt nun mal mit dem Alter, desto weniger lässt man sich zu etwas verleiten. Jungen Frauen ist es oft nicht bewusst, was es bedeutet, dass die eigenen Bilder online sind und was das für Konsequenzen haben könnte. Man vergisst die Risiken schnell. Vor allem, wenn man das Geld schon sehen kann.
Einige der Frauen eröffnen einen Account aus Geldnot.
Das birgt mit das größte Risiko. Denn macht man etwas nur des Geldes wegen, ist die Chance, dass man es später bereut, viel höher, als wenn man sich bewusst dazu entscheidet, seine Sexualität auf der Plattform auszuleben. Sobald ein Foto auf Onlyfans hochgeladen ist, ist es im Internet, und dann kann man das auch nicht so einfach rückgängig machen – dessen muss man sich stets bewusst sein.
Was raten Sie jungen Frauen, die Onlyfans beitreten wollen?
Sie sollten die Entscheidung nicht leichtsinnig treffen, sondern sich das gründlich überlegen. Sie könnten den Kontakt zu anderen suchen, die bereits einen Account haben und sich dort informieren. Sie müssen sich in erster Linie bewusst werden, was Onlyfans wirklich ist, sich ein Bild davon machen und auch die unschönen Seiten mit einbeziehen. Abgesehen von den Gefahren, bringt so ein Account auch sehr viel Arbeit mit sich. Von «schnellem Geld» kann nicht wirklich die Rede sein, wenn es längerfristig funktionieren soll – es braucht Willen, Verständnis und Zeit.