Wien
Frau von ICE-Terrorist will jetzt 30.500 € vom Staat
Sie saß 21 Monate als mutmaßliche Terror-Komplizin aus dem Gemeindebau in U-Haft. Nun wurde Shehrazad A. freigesprochen – und spricht mit "Heute".
Er bekam lebenslang, sie spazierte Donnerstagnacht als freie Frau aus der Wiener Justizanstalt Josefstadt: Dem mutmaßlichen ICE-Attentäter Qaeser A., der laut Anklage mit Stahlseilen Züge in Deutschland zum Entgleisen bringen wollte, und seiner Gattin war diese Woche am Landesgericht der Prozess gemacht worden. Gegenüber "Heute" packt nun Shehrazad A. über ihr Leben an der Seite eines "Familiendespoten" aus und spricht über ihre 21 Monate unschuldig hinter Gittern.
➤ "Die Anschuldigungen, die gegen mich erhoben wurden, haben mich sehr geschmerzt. Ich wusste die ganze Zeit, dass ich unschuldig bin", sagt die 33-Jährige gebürtige Irakerin.
Shehrazad A. kuschelt sich bei dem Interview in eine dicke Winterjacke; die dunklen Haare unter der Kapuze sind offen. Das war nicht immer so. "Sie trägt kein Kopftuch mehr, das war ihr wichtig", sagt Astrid Wagner, ihre Verteidigerin. Am Donnerstag boxte Wagner die der Mittäterschaft beschuldigte Frau vor Gericht heraus. Der Freispruch der Geschworenen fiel einstimmig aus. Wagner hatte bereits im Vorfeld des Prozesses auf die optische und innere Veränderung bei ihrer Mandantin Bezug genommen. "Meine Klientin hat für sich erkannt, dass das Kopftuch in der westlichen Welt eine Barriere darstellt. Sie wollte aber, dass man ihre Worte hört und nicht auf das Kopftuch schaut, daher hat sie sich dafür entschieden, es abzulegen", so die Juristin. Shehrazad A. spricht mittlerweile auch sehr gut Deutsch – siehe Video-Interview oben.
"Verurteilungseifer bei dieser Frau"
Wie berichtet, stand sie an der Seite ihres Mannes, der wegen vielfachen Mordversuchs verurteilt wurde, vor Gericht. Das Paar lebte unauffällig mit vier Kindern in einem Gemeindebau in Simmering. 2018 soll Qaeser A. bei vier Anschlagsversuchen in Deutschland gescheitert sein. Dass seine Frau als Mittäterin eingesperrt und angeklagt wurde, sieht Verteidigerin Astrid Wagner als "Verurteilungseifer der Staatsanwaltschaft, der es offenbar ein Anliegen war, auch meine Mandantin zu verurteilen."
„Star-Anwältin Astrid Wagner: "Man kann paradoxerweise sogar sagen: Erst im Gefängnis wurde meine jahrelang unterdrückte Klientin frei."“
Die Kripo hatte auf Terror-Utensilien des IS-Fanatikers DNA-Spuren. Letztlich waren die Beweise aber nicht ausreichend. "Nach dem Urteilsspruch ist meine Klientin, die nach außen hin versuchte, stark zu sein, zusammengebrochen", schildert Anwältin Wagner. "Sie hat das alles noch nicht verkraftet." Nähe zu radikal-islamischem Gedankengut ortet sie bei Shehrazad A. nicht: "Sie befand sich in dieser durch Zwangsheirat zustande gekommenen Ehe in einem inneren Gefängnis und wurde permanent nur von ihrem Gatten unterdrückt", so Wagner. "Der Mann war ein Familientyrann. Erst in der Haft hat sie Selbstbewusstsein erlernt – man kann paradoxerweise sogar sagen: Erst im Gefängnis wurde sie frei."
Shehrazad A. will Gemeindewohnung
Das neue Leben von Shehrazad A. in Freiheit – ein Hürdenlauf. "Sie hat keine Wohnung und musste die Nacht im Hotel verbringen Jetzt sind wir drauf und dran, eine Wohnung zu finden. Sie fängt bei null an." Die 33-Jährige selbst ist guter Dinge: "Ich bin schon am Suchen. Vielleicht gibt mir die Stadt eine Wohnung."
➤ Und noch einen sehnlichen Wunsch artikuliert sie: "Ich will unbedingt meine Kinder wieder haben. Immer, wenn sie mich in der Haft besucht haben, konnte ich Tränen in ihren Augen sehen. Das schmerzt und ich wünsche mir Normalität."
„Shehrazad A.: "Ich weiß: Menschen hassen Terror und haben Angst davor. Ich bin keine Terroristin."“
Die Kinder, die erst 15, 13, 6 und 4 Jahre alt sind, wurden vom Jugendamt untergebracht. "Ich hoffe, ich kann sie bald wieder sehen und in die Arme nehmen", so die Frau. Von den entsetzlichen Anschuldigungen grenzt sie sich scharf ab. "Ich weiß: Menschen hassen Terror und haben Angst davor. Aber ich bin keine Terroristin, ich bin eine nette Frau. Ich bin ein guter Mensch."
30.500 € Haftentschädigung
Das Jugendamt wird nun genau prüfen, ob die Kinder zu Shehrazad A. zurückdürfen. Anwältin Wagner gibt sich kämpferisch: "Sie gehören zur Mutter und stehen meiner Mandantin zu." Außerdem werde es noch ein finanzielles Nachspiel geben: "Ich mache Haftentschädigung beim Staat geltend. Shehrazad saß fast zwei Jahre in Untersuchungshaft, da kommt schon einiges zusammen." Für die 616 Tage in der Josefstadt wären es tatsächlich 30.500 Euro.