Wien

FPÖ will Klima-Aktivisten ins Erziehungscamp stecken

Turbulente Szenen bei der Räumung des Stadtstraßen-Protestcamps. Geht es nach der FPÖ, sollen die Aktivisten direkt ins nächste Camp gesteckt werden.

Leo Stempfl
Teilen
Die Wiener FPÖ will die Baustellenbesatzer in einem Umerziehungslager internieren.
Die Wiener FPÖ will die Baustellenbesatzer in einem Umerziehungslager internieren.
Denise Auer

Es sind die kleinen Freuden im Leben. "Ein guter Tag beginnt mit einer geräumten Baustelle", freut sich FPÖ-Verkehrssprecher Toni Mahdalik. "Die Räumung des Protestcamps im 22. Bezirk war längst überfällig und ist eine freudige Botschaft an diesem sonst grauen 1. Februar", sagt er in einer Aussendung. Endlich seien die Anrainer von diesen "linksradikalen" und "dauerbekifften" Protestierenden befreit.

Klimacamp wird aufgelöst – Riesen-Einsatz der Polizei >>

Während der Räumung ist er sogar selbst vor Ort, gibt bereitwillig Interviews, in denen er die Aktivisten beschimpft. Diese wiederum bedrängen den FPÖ-Abgeordneten und stören dessen Interviews mit dem Brüllen von Parolen. Der Wiener FPÖ-Landesparteisekretär Michael Stumpf rückte deswegen rasch zur Verteidigung aus. "Statt sich bekifft in einem Protestcamp zu vergnügen, sollten die jungen Leute in ein Erziehungscamp gesteckt werden, in dem man ihnen Manieren beibringt", forderte Stumpf.

1/50
Gehe zur Galerie
    Riesiger Polizei-Einsatz in der Wiener Donaustadt
    Riesiger Polizei-Einsatz in der Wiener Donaustadt
    Denise Auer

    Lage bleibt angespannt

    Bereits seit 8 Uhr früh lief die Räumung, Aktivisten besetzen immer wieder Bagger und LKW. In der Zwischenzeit wurde das Protestcamp umzäunt. Als Besatzer diese Baustellenzäune durchbrachen, setzte die Polizei Pfefferspray ein, es kam zu 12 Festnahmen. Durch den Pfeffersprayeinsatz sollen zwei Polizisten verletzt worden sein. Gegen 13 Uhr war das Camp vollständig geräumt, die Hütten wurden daraufhin abgetragen.

    Die Stadt Wien war bereits unmittelbar nach Bekanntgabe der Räumung zur Stelle, um das Projekt "Stadtstraße Aspern" zu verteidigen. Alle Voraussetzungen für den Bau der 3,2 Kilometer langen Straße seien vorhanden, nach der fünf Monate dauernden Besetzung will man nun rasch mit den Bauarbeiten fortfahren. "Ohne diese Wohnungen steigen die Mietpreise in ganz Wien, die Menschen ziehen vermehrt ins Umland, es kommt in der Folge zu mehr Pendlerverkehr und Bodenversiegelung im Umland", ergänzte Planungsstadträtin Ulli Sima später.

    "Die Stadtstraße ist demokratisch legitimiert, ausführlich geprüft und in allen Instanzen genehmigt und beschlossen – alles unter Federführung der Grünen", bekräftigt Erich Valentin, SPÖ-Gemeinderat und Vorsitzender des Ausschusses für Mobilität. "Das Angebot der Stadt an die Aktivist*innen, gemeinsam über Klimavorhaben zu sprechen, bleibt jedoch weiter aufrecht."

    Versagen

    Der vormalige Koalitionspartner reagiert hingegen mit harten Worten. "Das ist ein trauriger Tag für den Klimaschutz, für die Zivilgesellschaft – und ganz besonders für die SPÖ", so Grünen-Landesparteivorsitzender Peter Kraus in einer ersten Reaktion. Jene Gesprächsangebote seien eine Farce gewesen, über Alternativen überhaupt nicht gesprochen worden.

    Lukas Hammer, Klimaschutzsprecher der Grünen, erinnert zudem an die ausgesendeten Klagsdrohungen an Aktivisten, die unter anderem auch 13-Jährige trafen sowie den Brandanschlag auf eine Hütte, in der acht Besatzer schliefen. Die Auflösung des Protests zeige "das komplette Versagen der SPÖ-NEOS-Regierung".

    Der Kampf geht weiter

    Hier reihen sich auch die NGOs WWF, Greenpeace und Global2000 ein. "Dass der friedliche Protest junger Umwelt-Aktivist*innen durch eine polizeiliche Räumung beendet wird, ist eine politische Bankrotterklärung und zeigt, dass der versprochene Dialog zu keinem Zeitpunkt ernst gemeint war", sagt WWF-Bodenschutzsprecherin Maria Schachinger. Das Geld solle lieber für den Ausbau von Öffis und Radwegen verwendet werden.

    "Die Stadt Wien hat heute der Klimabewegung und den jungen Menschen in Wien den Kampf angesagt. Sie begegnet dem friedvollen Protest der jungen Aktivistinnen und Aktivisten für eine bessere, grüne Zukunft mit unverhältnismäßiger Härte", findet auch Greenpeace-Klimaexpertin Klara Maria Schenk. "Eines muss Bürgermeister Ludwig klar sein: Er kann eine besetzte Baustelle räumen, aber er kann die Klimabewegung nicht stoppen."

    Ähnlich sieht es Global2000-Geschäftsführerin Agnes Zauner. Nach dem (vorläufigen) Aus für den Lobau-Tunnel sei es nun daran, auch "den Bau der sinnlosen Stadtstraße zu unterbinden". Sozialer Wohnbau und Klimaschutz dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden.