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Flüchtlingskrise an EU-Grenzen spitzt sich zu

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex rechnet mit Maßenmigrationsströmen nach Griechenland. Dies schreibt sie in einem internen Situationsbericht.

Heute Redaktion
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An den EU-Grenzen zur Türkei dürfte sich laut Einschätzung der EU-Grenzschutzagentur Frontex die Flüchtlingskrise in den kommenden Tagen verschärfen. Es werden "Maßenmigrationsströme nach Griechenland erwartet", schrieb die Behörde (Frontex Situation Centre) am Wochenende in einem internen und vertraulichen "Situationsbericht zur griechisch-türkischen Grenze", der dem Nachrichtenblatt "Welt" vorliegt.

In dem Bericht für die politischen Entscheidungsträger in der EU heißt es weiter: "Es wird schwierig sein, den massiven Strom von Menschen, die sich auf die Reise gemacht haben, zu stoppen. Darum ist kurzfristig in den kommenden Tagen noch ein Anstieg des Drucks zu erwarten – auch sogar in dem Fall, dass die türkischen Behörden handeln sollten, um Grenzübertritte zu verhindern".

Schutzvorkehrungen auf höchster Stufe

Der Grund für die Entwicklung liege laut Frontex auch an den sozialen Medien: die dort verbreiteten "Nachrichten erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Maßenbewegung von der Türkei aus hin zu den EU-Grenzen." Die EU-Außenminister wollen in diese Woche über die Lage an der griechisch-türkischen Grenze beraten.

Griechenland setzte unterdessen die Schutzvorkehrungen an seinen Grenzen auf die höchste Stufe herauf, wie Regierungschef Kyriakos Mitsotakis am Sonntagabend nach einer Krisensitzung des nationalen Sicherheitsrats mitteilte.

So sollen die Patrouillen an Land und zu Wasser im Nordosten des Landes verstärkt werden, nachdem die Türkei am Wochenende ihre Grenzen zur EU für Flüchtlinge geöffnet hatte.

Keine Asylanträge für einen Monat

Wie der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas ergänzte, will sein Land zudem einen Monat lang keine neuen Asylanträge mehr annehmen. Er sprach von einer "asymmetrischen Bedrohung der Sicherheit unseres Landes".

Petsas kritisierte zudem die Türkei, die mit der Öffnung ihrer Grenzen diplomatischen Druck ausüben wolle. Ankara sei damit "selbst zum Schlepper" geworden. Die Türkei wirft der EU vor, sich nicht an den 2016 geschlossenen Flüchtlingspakt zu halten.

Aus der griechischen Regierung hieß es am Wochenende, binnen 24 Stunden seien fast 10'000 Migranten an einem "illegalen" Grenzübertritt gehindert worden. Zudem wurden rund 140 Flüchtlinge festgenommen.

Die griechische Polizei drängte die Flüchtlinge am Grenzübergang Pazarkule am Samstag mit Tränengas zurück, daraufhin warfen einige der Migranten mit Steinen.

Gespräche mit der Türkei

EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas wird nach eigenen Worten an diesem Montag in Berlin sein. Er hatte am Wochenende eine baldige Sondersitzung der EU-Innenminister gefordert. Eine EU-Sprecherin erklärte am Sonntag, die Europäische Union sei in konstantem Kontakt mit den türkischen Autoritäten. "Das unerträgliche humanitäre Desaster in und um Idlib verlangt dringend, dass wir handeln."

Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow reist an diesem Montag nach Ankara, um mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan über die Lage in Syrien und Flüchtlingsbewegungen zu sprechen. Wie die bulgarische Regierung am Sonntag mitteilte, werden die beiden bei einem Abendessen "Handlungen erörtern, die zur Bewältigung der Krise in Syrien und zum Stopp des Migrationsdrucks beitragen werden".

Türkei will Migranten nicht aufhalten

Die türkische Regierung hatte tags zuvor angekündigt, dass sie Migranten auf ihrem Weg nach Europa nicht mehr aufhalten werde. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise waren 2015 fast eine Million Flüchtlinge und Migranten von der Türkei aus auf griechische Inseln gelangt.

Damals schloss die EU mit der Türkei ein Abkommen, um den Zustrom einzudämmen. In den vergangenen Jahren nahm die Türkei 3,7 Millionen Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg auf und hinderte sie an der Weiterreise.