Wien
Deshalb wird Fernwärme in Wien 92 Prozent teurer
Die Preise für Fernwärme in Wien steigen um unglaubliche 92 Prozent. "Heute" hat Wien Energie die wichtigsten Fragen gestellt.
Der Teuerungshammer ist nun auch bei der Fernwärme angekommen: Satte 92 Prozent beträgt der Anstieg in Wien. Bei der Bevölkerung sorgt das für Krisenstimmung und Existenzängste – immerhin ist mit Mehrkosten von 45 Euro monatlich zu rechnen.
"Wir haben keine andere Wahl. Das sind die bitteren Folgen der weltweiten Energiekrise und beispiellos explodierender Großhandelspreise", begründete Wien Energie Geschäftsführer Michael Strebl den harten Schritt in einer ersten Reaktion. Politik und Sozialpartner zeigten sich trotzdem empört. Bürgermeister Michael Ludwig versprach am Donnerstag immerhin ein "Fernwärme-Unterstützungs-Paket".
Die wichtigsten Fragen im Überblick
Doch wie konnte es überhaupt zu diesem krassen Anstieg kommen? Gibt es vielleicht noch einen Ausweg? "Heute" stellte Wien Energie die wichtigsten Fragen rund um die Preisexplosion und die kommende Heizsaison:
"Heute": Wie viele Fernwärmekunden – private und Firmen – gibt es in Wien?
Wien Energie versorgt rund 440.000 Haushalte und 7.800 Großkunden mit Fernwärme.
Welche Kunden sind von der geplanten Teuerung betroffen? Warum manche nicht?
Knapp zwei Drittel der Haushalte unterliegen dem amtlichen Preisbescheid und sind damit von der aktuell eingereichten Preisanpassung betroffen. Bei den übrigen Kund*innen hat Wien Energie Wärmelieferverträge direkt mit Großkunden wie Bauträgern oder Gebäudeeigentümern. Hier gibt es indexierte Energie-Lieferverträge, die sich laufend an Marktpreise wie Erdgas, aber auch den Baukostenindex oder Personalkostenindex anpassen – nach oben, aber natürlich auch nach unten. Bei diesen Kund*innen ist aufgrund der aktuellen Entwicklungen leider ebenfalls mit entsprechenden Mehrkosten zu rechnen.
Wie kommt Wien Energie auf 92 Prozent Preissteigerung?
Diese leider massive Anpassung ergibt sich aus explodierenden Energiepreisen an den internationalen Energiemärkten, an denen Wien Energie auch für die Fernwärmeversorgung einkaufen muss. Allein seit Juni 2021 ist der österreichische Gaspreisindex um mehr als 420 Prozent gestiegen. Dazu kommt die allgemeine Teuerung, etwa auch stark steigende Baukosten, die die Fernwärme zusätzlich stark treffen. Die genaue Berechnung wird der Preiskommission im Verfahren offengelegt.
Sind diese 92 Prozent in Stein gemeißelt?
Das ist das, was Wien Energie als Unternehmen braucht, um die Fernwärme wirtschaftlich zu betreiben.
Ist eine Teuerung von 92 Prozent moralisch gerechtfertigt?
Als Unternehmen müssen wir wirtschaftlich agieren und haben in diesem Fall leider keine andere Wahl. Wir haben die Fernwärmepreise längstmöglich – nämlich seit 2016 – stabil gehalten und tun alles, was wir als Unternehmen tun können, um unsere Kund*innen in dieser Situation zu unterstützen. Etwa mit unserer Ombudsstelle für soziale Härtefälle sowie der Möglichkeit, kulante Zahlungsvereinbarungen bei Zahlungsschwierigkeiten abzuschließen.
Warum fällt die geplante Erhöhung bei anderen Fernwärmeanbietern in Österreich deutlich geringer aus? Warum hat die Welser Fernwärme einen höheren Biomasse-Anteil?
Wir können die Überlegungen anderer Anbieter nicht beurteilen. Die Zusammensetzung der Erzeugung ist von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich und auch die Zahl der versorgten Haushalte. Wien Energie hat das mit Abstand größte Fernwärmenetz Österreichs und einen Versorgungsauftrag für z.B. mehr als zehnmal so viele Haushalte wie Wels.
Wie wird Fernwärme in Wien erzeugt, was wird verbrannt?
Aktuell stammt gut die Hälfte der Wiener Fernwärme aus den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die mit Erdgas betrieben werden. Zur Spitzenabdeckung kommen außerdem Heizkraftwerke zum Einsatz (unter 10 Prozent). Etwa ein Drittel kommt aus der Müllverbrennung, der Rest kommt aus industrieller Abwärme, Biomasse und Erd- und Umgebungswärme. Die exakte Zusammensetzung ist immer auch von der Witterung abhängig.
Fernwärme wurde immer als "grün" verkauft. Eine Mogelpackung?
Fernwärme ist vor allem in Städten eine besonders effiziente und umweltschonende Form der Wärmeversorgung. Die Erzeugung der Wärme geschieht zentral in großen Anlagen und mit unterschiedlichen Technologien und spart damit in Wien heute bereits 1,5 Millionen Tonnen CO2 jedes Jahr. Emissionen entstehen ausschließlich bei der Erzeugung und nicht - anders als etwa bei einer Gastherme - in jedem Haushalt. Schon heute verwendet die Wiener Fernwärme zahlreiche lokale Abwärmequellen wie die Therme Wien, den Manner-Backofen oder die Klimaanlagen der UNO City und baut diese Anwendungen immer weiter aus. Aber aktuell kann leider auch diese effiziente und vielfältige Erzeugung die historischen Preis-Entwicklungen nicht mehr ausreichend abfedern. Bis 2040 wollen wir die Fernwärme komplett klimaneutral erzeugen und damit auch unabhängig von teuren Erdgas-Importen machen.
Gehen Sie aktuell in Anrufen von Kunden unter?
Dass das Thema Energie die Menschen bewegt, merken wir auch in unserem Kund*innen-Service. Bereits seit Herbst 2021 verzeichnen wir so viele Anfragen wie selten zuvor. Die Telefone klingeln derzeit im Schnitt dreimal so oft wie im Vorjahr, auch doppelt so viele Mails wie üblich kommen bei uns an. Wir haben deshalb bereits die Leitungen aufgerüstet und die Teams verstärkt. Unsere Mitarbeiter*innen im Kundenservice geben ihr Bestes, um diesem Ansturm gerecht zu werden.
Was machen Menschen, die sich die geplante Erhöhung nicht leisten können?
Wir tun alles, was wir als Unternehmen tun können, um unsere Kund*innen in dieser Situation zu unterstützen. Etwa mit unserer Ombudsstelle für soziale Härtefälle sowie der Möglichkeit, kulante Zahlungsvereinbarungen bei Zahlungsschwierigkeiten abzuschließen.
Was kann ich als Kunde machen, um meine Kosten zu senken?
Wer Energie spart, spart natürlich auch Kosten. Die Wohlfühltemperatur bewegt sich bei den meisten Menschen zwischen 20 und 22 Grad Celsius, trotzdem wird der Thermostat gern höher eingestellt. Wer die Raumtemperatur nur um 1 Grad Celsius senkt, spart 6 Prozent Heizenergie. Diese geringfügige Anpassung zeigt, wie wichtig die richtige Einstellung beim Heizen ist. Ideal sind Heizungsregler mit integrierter Uhr. Sie ermöglichen ein individuelles und energiesparendes Heizen. In Zeiten, wo die Wohnung nicht genutzt wird, kann die Raumtemperatur um mindestens 3 Grad Celsius abgesenkt werden.
Richtig und sinnvoll lüften: Es macht einen großen Unterschied, ob man immer wieder das Fenster kippt oder stoßlüftet. Durch dauerhaft gekippte Fenster entweicht im Winter mehr Wärme, als frische Luft hereinkommt. Das wirkt sich massiv auf die Heizkosten aus und bringt kaum Frischluft. Als Faustregel gilt, zweimal am Vormittag und zweimal am Nachmittag lüften. So gibt es immer genug frische Luft im Raum und ein optimales Raumklima.
Auch beim Warmwasser lässt sich ohne große Komfort-Einbußen sparen: Ein Energiespar-Duschkopf oder Wasserhahn macht sich schnell bezahlt. Sie reduzieren kaum merkbar die Durchflussmengen und sorgen damit für einen um etwa 50 Prozent geringeren Wasser- und Energiebedarf.
Ab welchem Stichtag soll erhöht werden?
Beantragt ist eine Anpassung per 1. September.