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Falschmeldung über Atom-Explosion in der Türkei
Als wären die Aufnahmen von den verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet nicht schlimm genug, kursieren nun Falschmeldungen.
Einstürzende Häuser, aufgerissene Straßen und verzweifelte Menschen: Die Erdbeben in der Türkei und Syrien haben viel Leid verursacht und verursachen es auch noch weiter. Die Zahl der Todesopfer ist auf über 40.000 gestiegen. Während Rettungsteams versuchen, Überlebende aus den Trümmern zu bergen und nach den Ursachen für das Ausmaß der Katastrophe gesucht wird, verbreiten andere Falschinformationen. So werden in den sozialen Medien etwa alte Fotos und Videos aus dem Zusammenhang gerissen und als aktuell ausgegeben. Auch der folgende Post tut dies.
Alte Aufnahmen, anderer Ort
In diesem Video ist die Explosion im Hafen von Beirut aus verschiedenen Perspektiven zu sehen – die einzelnen Clips wurden zeitlich synchronisiert:
Wer genau hinsieht, erkennt, dass der Clip, der fälschlicherweise mit den Erdbeben in der Türkei und Syrien in Verbindung gebracht wird, in dem zusammengestellten Video bei Minute 0:29 auf der rechten Seite auftaucht:
Von wem das Video der Explosion vom 4. August 2020 aufgenommen wurde, ist nicht bekannt. Wohl aber, wo es aufgenommen wurde: von der Terrasse des japanischen Restaurants Clap Beirut. Dafür sprechen unter anderem die Perspektive und die zu sehenden Bauten, aber auch die Gestaltung der Terrasse, die sowohl im zweckentfremdeten Video als auch auf Aufnahmen des Restaurants zu sehen sind:
Was geschah in Beirut?
Am 4. August 2020 detonierten in im Hafen von Beirut 2750 Tonnen Ammoniumnitrat, das während Jahren fahrlässig und ohne Schutzmaßnahmen dort gelagert war. Die Explosion zerstörte den Hafen und große Teile der angrenzenden Wohngebiete. Mehr als 200 Menschen starben, 6.500 weitere wurden verletzt und rund 300.000 Personen wurden obdachlos.
Ammoniumnitrat kann sowohl für die Herstellung von Dünger als auch von Sprengstoff verwendet werden.
Derzeit kein Kernkraftwerk in der Türkei
Doch es gibt noch einen weiteren, unumstößlichen Beweis dafür, dass die Behauptungen, wonach das Video ein explodierendes Kernkraftwerk in der Türkei zeigt, falsch sind: In der Türkei gibt es derzeit kein Kernkraftwerk und schon gar kein aktives. Es befindet sich aber eines in Bau, wie dem "Power Reactor Information System" (PRIS) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) zu entnehmen ist. Das Kraftwerk Akkuyu wird in Mersin im Süden der Türkei, und damit unweit der Erdbebenregion gebaut. Im Mai 2010 hatten die Regierungen in Ankara und Moskau dazu ein Abkommen unterzeichnet. Federführend ist der russische Staatskonzern Rosatom.
Das aktuellste Update zum Fortschritt des Baus stammt vom 1. Februar 2023. Demnach soll der erste Block spätestens im Jahr 2025 in Betrieb genommen werden. "Die Projektbeteiligten unternehmen jedoch alle Anstrengungen, um die Lieferung von frischem Kernbrennstoff an den Standort des KKW Akkuyu im Jahr 2023, dem 100. Jahrestag der Republik Türkei, sicherzustellen." Ob die Geschehnisse der letzten Tage an dem Plan rütteln, ist offen. Beschädigt worden sein soll nichts: "Hier wurden Erdstöße der Stufe 3 gespürt – unsere Spezialisten haben jedoch keine Schäden an Gebäuden, Kränen und Ausrüstungen festgestellt", so Rosatom-Sprecherin Anastasia Zoteewa gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Fazit
Das auf Social Media geteilte Video zeigt keine Explosion eines Kernkraftwerks in der Türkei. Erstens wurde es im Jahr 2020 in Beirut aufgenommen und zeigt die Explosion eines Ammoniumnitratlagers im Beiruter Hafen. Und zweitens gibt es in der Türkei derzeit auch kein Kernkraftwerk.
Neben dieser Falschbehauptung kursieren in den sozialen Medien noch weitere. Einige davon findest du in der obersten Bildstrecke.