Frust und Zukunftsängste
Experte zu AfD-Erfolg: "Beben in Parteiensystem"
Die AfD triumphiert bei den Landtagswahlen in Sachsen, wird in Thüringen sogar stärkste Kraft. Ein Experte ordnet das Ergebnis ein.
Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zeichnet sich für SPD, FDP und Grüne ein Desaster ab. Großer Sieger des Wahlabends ist die AfD, die in Thüringen erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland wird und laut einer aktuellen Hochrechnung auf 32,8 Prozent kommt.
Auch in Sachsen jubelt die rechtsextreme Partei, landet mit 30,8 Prozent der Stimmen nur knapp hinter der CDU (31,8 Prozent). AfD-Chefin Alice Weidel spricht in einer ersten Stellungnahme von einem "historischen Erfolg".
Für die Ampel-Parteien könnte der Wahlausgang in beiden Bundesländern weitreichende Folgen haben. Heftige Kritik hagelte es kurz nach der ersten Hochrechnung sogar aus den eigenen Reihen. "Die Ampel hat ihre Legitimation verloren", schreibt etwa FDP-Vize Wolfgang Kubicki auf seinem X-Account. Und: "Wenn ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft ihr in dieser Art und Weise die Zustimmung verweigert, muss das Folgen haben."
"Einzigartig in Geschichte"
In der ZiB-2 ordnet Politik-Experte Johannes Hillje die Ergebnisse der beiden Wahlen ein: "Die AfD hat de facto keine Koalitionspartner." Sie sei aufgrund ihres Extremismus zudem gar nicht koalitionsfähig. Aus ihrer Minderheitsposition könne die Partei in Thüringen jedoch großen Einfluss, wie beispielsweise auf die Besetzung von Verfassungsrichtern, nehmen.
Den Wahlausgang bezeichnet Hillje als "Beben im deutschen Parteiensystem". Denn: Neben dem Triumph der AfD konnte auch das Bündnis Sahra Wagenknecht aus dem Stand zweistellige Werte erzielen. "Das ist einzigartig in der bundesrepublikanischen Geschichte", so der Experte.
"Kümmerer-Image"
Diese neue Ära sei durch eine Abwendung der etablierten Parteien zu erklären. Außerdem würden die Menschen aktuell flexibler, populistischer und radikaler wählen. Auslöser dafür seien Frust über die Bundespolitik und Zukunftsängste, die gerade von der AfD genutzt und gefördert werden. "Die AfD ist am stärksten dort, wo die Bevölkerung schrumpft", so Hillje. Über den persönlichen Kontakt konnte man so ein harmloseres Bild vermitteln. "So konnte man den rechtsextremen Charakter in ein "Kümmerer"-Image umwandeln", erklärt der deutsche Politikexperte.
Dennoch könne man nicht alle Wähler der AfD als rechtsextrem bezeichnen. Laut Hillje gäbe es Wähler, die sehr populistische seien und eine Skepsis gegenüber der Medien hätten. Gerade bei dieser Wählerschaft könne die AfD ihre eigenen Botschaften verbreiten und "Selbstverharmlosung" praktizieren.
Vorgezogene Wahlen unwahrscheinlich
Mit vorgezogenen Bundestagswahlen rechnet der Experte trotz der alarmierenden Ergebnisse der Ampel-Parteien nicht. "Alle drei Parteien befinden sich in einer Position der Schwäche und stehen im Bund nicht besonders gut da. Es gibt deshalb keinen Grund für vorgezogenen Wahlen, weil man da keine Erfolgschancen haben würde", wird der Experte im Interview deutlich.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Die AfD hat bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen historische Erfolge erzielt, was zu einem politischen Beben im deutschen Parteiensystem führt
- Experten sehen die Gründe für den Erfolg der rechtsextremen Partei in Frust und Zukunftsängsten der Wähler sowie in der Unfähigkeit der etablierten Parteien, diese Sorgen aufzufangen