Vorwurf des Völkermords

Experte verrät – das droht Israel bei Verurteilung

Israel muss sich wegen des Vorwurfs des Völkermordes vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verantworten. Das droht bei einer Verurteilung.

20 Minuten
Experte verrät – das droht Israel bei Verurteilung
Südafrika beschuldigt Israel des Völkermords. Im Bild eine Demonstration in der südafrikanischen Hauptstadt Kapstadt.
RODGER BOSCH / AFP / picturedesk.com

Südafrika beschuldigt Israel des Völkermordes und hat diesbezüglich Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingereicht. Völkerrechtsexperte Matthias Hartwig hat mit dem "Heute"-Schwesternmedium "20 Minuten" über den Fall gesprochen und erklärt, was eine Verurteilung für Israel bedeuten würde. 

Herr Hartwig, Südafrika verklagt Israel wegen Völkermordes vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Weshalb?

Hartwig: Vorab zum Verständnis: Südafrika kann Israel nur wegen Völkermordes vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) verklagen – nicht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder wegen Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht. Also dem Kriegsvölkerrecht, das unter anderem dem Schutz von Zivilpersonen dient. Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht unterliegen nicht der Gerichtsbarkeit. Jedoch unterliegen beide Staaten der Völkermord-Konvention. Zudem können beim IGH nur Staaten angeklagt werden, keine Personen.

Was sind die konkreten Vorwürfe?
Der IGH muss beurteilen, ob Israel einen Krieg mit der Absicht führt, einen Genozid zu begehen. Südafrika bezieht sich in seiner Klage darauf, dass Israel eine totale Blockade über den Gazastreifen errichtet hat. Die Versorgung mit Wasser, Nahrung, Strom und Energie wurde unterbunden oder stark eingeschränkt.

Des Weiteren wirft Südafrika Israel die massive Bombardierung des Gazastreifens vor, die zu erheblichen Zerstörungen der Infrastruktur geführt und damit der Bevölkerung die Lebensgrundlage entzogen hat. Die von der UNO veröffentlichte Zahl der zivilen Opfer, auf die sich Südafrika bezieht, ist exorbitant. Damit von einem Völkermord gesprochen werden kann, muss eine Absicht bestehen, eine ethnisch definierte Gruppe zu vernichten. Laut Südafrika ist dies der Fall.

Und die Klage des Völkermordes?
Die einzigen Informationsquellen, die momentan zur Verfügung stehen, sind israelische und palästinensische. Die Zahl der Toten beruht auf Informationen des Gesundheitsministeriums der Hamas. Die UNO hält diese für verlässlich – jedoch stammen sie von einer der beiden Kriegsparteien. Es ist beispielsweise nicht nachgewiesen, wie viele Todesopfer tatsächlich Zivilisten waren oder Hamas-Kämpfer. Um eine Entscheidung zu treffen, bedarf es einer genauen Aufnahme der Tatsachen. Das wird noch einige Jahre dauern.

Wie sieht das unter dem Kriegsrecht aus?
Es ist komplex: Das humanitäre Völkerrecht gilt grundsätzlich in zwischenstaatlichen Konflikten. Ob es sich um einen solchen bei dem gegenwärtigen Krieg handelt, wird infrage gestellt, da Israel Gaza, beziehungsweise Palästina, nicht als einen Staat anerkennt. Aber auch wenn der Konflikt nicht als zwischenstaatlich angesehen wird, müssen die Konfliktparteien Grundregeln des humanitären Völkerrechts, wie insbesondere den Schutz der Zivilbevölkerung, beachten. Dies steht aber nicht zur Entscheidung vor dem IGH.

Jeder Krieg bringt Opfer. Sprechen wir nun von konkreten Kriegsverbrechen?
Auf internationaler Ebene wird die Frage derzeit sehr kontrovers diskutiert – bisher gab es dazu keine konkrete Antwort.

Welche Rolle spielt Südafrika?

Man hofiert afrikanische Diktatoren, prangert aber Israel an.
Viele Staaten pflegen eine Doppelmoral. Auch Europa ist ist nicht frei davon. Als 2023 Aserbaidschan an Bergkarabach von der Versorgung aus Armenien abschnitt und dann zurückeroberte und die Armenier fliehen mussten, wurde nur sehr verhalten protestiert. Aserbaidschan ist derzeit ein wichtiger Energielieferant für Europa und man pflegt gute Beziehungen. Auch wenn ein Staat bei befreundeten Staaten ein Auge zudrückt, nimmt ihm das nicht das Recht, wegen Völkerrechtsverstössen einen anderen Staat zu verklagen.

Weshalb darf Südafrika als unbetroffener Staat Israel überhaupt verklagen?
Eigentlich kann ein Staat nur klagen, wenn er selbst betroffen ist. Es gibt aber Völkerrechtsverstöße, die gegenüber allen Staaten bestehen. Dazu zählt auch Genozid.

Wie wird der Internationale Gerichtshof entscheiden?
In der Hauptsache wird der IGH wahrscheinlich erst in einigen Jahren entscheiden, wenn der Konflikt hoffentlich beendet sein wird. Ich vermute, dass der IGH im Februar eine einstweilige Anordnung erlassen wird. Darin wird er von Israel verlangen, gewisse militärische Aktionen zu unterlassen, die zu unverhältnismässigen Schäden unter der Zivilbevölkerung führen. Weiter könnte er von Israel verlangen, mehr humanitäre Hilfe zu gewähren. Das ist jedoch derzeit nur Spekulation.

Was, wenn Israel tatsächlich verurteilt wird?
Die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs ist bindend. Doch hier gibt es einen Unterschied zum nationalen Recht: Halten wir uns nicht an das Urteil, kommt der Gerichtsvollzieher. Das Völkerrecht sieht nur vor, dass der UN-Sicherheitsrat das Urteil des IGH durchsetzen kann. Allerdings ist dieser oft durch das Veto eines ständigen Sicherheitsratsmitglieds blockiert.

Wird Israel verurteilt, hält sich dann aber nicht an die Entscheidung, steht das Land zwar am Pranger – mehr passiert aber nicht. Die "Prangerwirkung" ist allerdings nicht zu unterschätzen.

1/65
Gehe zur Galerie
    <strong>22.12.2024: Einwegpfand kommt – das wird ab Jänner neu bei Spar</strong>. Um Verwirrung zu vermeiden, setzt Spar ab Jänner auf speziell ausgebildete Pfandberater. <a data-li-document-ref="120078758" href="https://www.heute.at/s/einwegpfand-kommt-das-wird-ab-jaenner-neu-bei-spar-120078758">170 Getränkeartikel mussten überarbeitet werden.</a>
    22.12.2024: Einwegpfand kommt – das wird ab Jänner neu bei Spar. Um Verwirrung zu vermeiden, setzt Spar ab Jänner auf speziell ausgebildete Pfandberater. 170 Getränkeartikel mussten überarbeitet werden.
    SPAR/ Peakmedia Dominik Zwerger
    20 Minuten
    Akt.