Wirtschaft
EU-Chefin sagt Notfallmaßnahme gegen Strom-Teuerung an
Die Energiepreise explodieren überall, jetzt zieht die EU die Reißleine. Bei einem Sondertreffen soll der Strommarkt an die Kandare genommen werden.
Die bis zu 10 Milliarden schwere Schieflage der Wien Energie ist nur die Spitze des Eisbergs und die Folge von Gas- und somit auch Strompreisen die – im Gegensatz zur Artemis-Rakete der NASA – bereits bis zum Mond geschossen sind. Nun will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die davongaloppierenden Energiepreise kräftig zügeln. Eine Reform des Strommarktes in der EU soll her.
"Die in die Höhe schießenden Strompreise zeigen gerade aus verschiedenen Gründen die Grenzen unseres jetzigen Strommarktdesigns auf", so von der Leyen laut "Wiener Zeitung" im Rahmen einer internationalen Konferenz in Slowenien am Montag.
Das System, das für andere Umstände entwickelt worden sei, sei nicht mehr zweckmäßig: "Deshalb arbeiten wir jetzt an einer Notfallmaßnahme und an einer Strukturreform des Strommarktes". Dazu wurde für den 9. September ein Sondertreffen einberufen.
Was uns jetzt den Haushaltsbudgets der EU-Bürger zum Verhängnis wird: die Preise auf dem europäischen Strommarkt werden aktuell von den Gaskraftwerken vorgegeben. Weil schon vor der russischen Invasion in der Ukraine und besonders seither der Gaspreis nach oben katapultiert wurde, zieht dieser den Strompreis mit.
Das sogenannte Merit-Order-System hätte ursprünglich Kraftwerken im Erneuerbaren-Sektor zugute kommen sollen, da diese billig produzieren und gleichzeitig höherer Gewinne einstreifen konnten, weil sich der Preis nach dem letzten, zur Deckung des Strombedarfs zugeschalteten Kraftwerk richtet.
Eine Reform des europäischen Strommarktes könnte unter anderem so aussehen, dass dieser Mechanismus (vorübergehend) ausgesetzt wird. Verbraucher würden dann etwa für den günstiger produzierten Strom aus Sonne und Wind deutlich weniger bezahlen – und Putin würde nicht mehr den gesamten Energiemarkt mit seiner Gasverknappung kontrollieren können.
Bei dem Sondertreffen könnte nun genau das durchgeboxt werden. Tschechien, das noch bis Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft innehat, wäre jedenfalls bei einer solchen Entkopplung von Strom- und Gas-Preisen dabei. Auch einen gesamteuropäischen Preisdeckel sah der zuständige Industrie- und Handelsminister Jozef Sikela kürzlich noch als "reale Möglichkeit."
"Wir müssen diesen Irrsinn endlich stoppen"
Bundeskanzler Karl Nehammer hatte sich erst am Wochenende für genau so eine Maßnahme ausgesprochen: "Wir müssen diesen Irrsinn, der sich derzeit auf den Energiemärkten abspielt, endlich stoppen. Und das geht nur durch eine europäische Lösung. [...] Es muss jetzt endlich etwas passieren, dieser Markt wird sich in der derzeitigen Form nicht von selbst regulieren."
Man dürfe "nicht zulassen, dass Putin jeden Tag über den europäischen Strompreis entscheidet", donnerte Nehammer, der sich mit "aller Kraft für ein nachhaltiges Lösungsmodell einsetzen" will.