Florian Krammer im Interview

"Es wird wieder zu einer Pandemie kommen"

Aufgrund vieler zirkulierender Influenza-A-Subtypen geht der Virologe davon aus, dass es wieder zu einer Pandemie kommt. Die Frage sei nur, wann.

Christine Scharfetter
"Es wird wieder zu einer Pandemie kommen"
Virologe Florian Krammer
iStockphoto.com; EVA MANHART / APA / picturedesk.com; Collage: heute.at

Die Coronavirus-Pandemie haben wir vorerst hinter uns gelassen, auch wenn sich stetig neue Varianten des Erregers bilden und munter verbreiten. Doch SARS-COV-2 ist nicht das einzige Virus, das eine Pandemie auslösen kann.

Fachleute rund um den Globus sind in Alarmbereitschaft. Nicht nur das MERS-Coronavirus aus dem Nahen Osten bereitet ihnen Sorgen, auch das Influenza-A-Virus H5N1 - besser bekannt als Vogelgrippe - zeigt eine ganz neue Entwicklung. "So etwas hat es vorher noch nicht gegeben", äußerte sich der deutsche Virologe Christian Drosten erst kürzlich besorgt im RND-Interview.

Österreich bereitet sich vor

In Österreich wurde Anfang des Jahres Virologe Florian Krammer als Leiter des neuen Ludwig-Boltzmann-Instituts für Wissenschaftskommunikation und Pandemievorsorge an der MedUni Wien berufen. Die Aufgabe: Besser auf die nächste Pandemie vorbereitet zu sein.

Im "Heute"-Interview hat der Professor für Impfstoff-Forschung (Vakzinologie) an der Icahn School of Medicine in New York, verraten, wie hoch die Gefahr einer neuen Pandemie wirklich ist und wie die Vorbereitungen laufen.

Wie wahrscheinlich ist eine Pandemie beispielsweise durch das MERS-Virus oder die Vogelgrippe?

Florian Krammer: MERS-CoV wird gelegentlich, vor allem im Nahen Osten, von Kamelen auf Menschen übertragen. 2015 kam es auch zu einer größeren Anzahl von Mensch-zu-Mensch-Übertragungen in Südkorea, der Ausbruch wurde allerdings eingedämmt. Aber MERS-CoV hat sicher das potenzial, in Zukunft eine Pandemie auszulösen. H5N1 hat sich seit 2020 in Geflügel und Wildvögeln stark verbreitet, ist im März in den USA in Kühe übergesprungen und verbreitet sich dort, wahrscheinlich vor allem über Milch sowie Melkmaschinen.

Man kann aber schwer vorhersagen, wann.

Grundsätzlich ist aber nicht nur H5N1 ein Problem, es zirkulieren 19 verschiedene Influenza-A-Subtypen in (Wild-)Tieren. Solche Influenzaviren haben in den letzten etwa 100 Jahren vier Pandemien ausgelöst - 1918, 1957, 1968 und 2009. Es ist also wahrscheinlich, dass es wieder zu einer Pandemie kommt. Man kann aber schwer vorhersagen, wann.

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    <strong>2009</strong> führte eine Influenzavirus-Variante des Subtyps A(H1N1) zu einer Pandemie. Die Erkrankung wurde umgangssprachlich häufig als <strong>Schweinegrippe</strong>, von offiziellen Stellen eher als Neue Grippe, bezeichnet. Im August 2010 erklärte die WHO die Phase der Pandemie für die Schweinegrippe für beendet. Eine Studie, die 2012 in "The Lancet Infectious Diseases" erschienen ist, schätzte die Todesfälle für das erste Jahr, als das Virus zirkulierte, auf 151.700 bis 575.400.
    2009 führte eine Influenzavirus-Variante des Subtyps A(H1N1) zu einer Pandemie. Die Erkrankung wurde umgangssprachlich häufig als Schweinegrippe, von offiziellen Stellen eher als Neue Grippe, bezeichnet. Im August 2010 erklärte die WHO die Phase der Pandemie für die Schweinegrippe für beendet. Eine Studie, die 2012 in "The Lancet Infectious Diseases" erschienen ist, schätzte die Todesfälle für das erste Jahr, als das Virus zirkulierte, auf 151.700 bis 575.400.
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    Warum sind alle Fachleute derzeit aufgrund der H5N1-Ausbrüche bei Kühen derartig besorgt?

    Erstens kommen Influenza-A-Viren, wie H5N1, normalerweise in Kühen nicht vor. Es ist also schon mal erstaunlich, dass H5N1 das geschafft hat. Aber das eigentliche Problem ist, dass das H5N1-Virus, das ja ein Vogelgrippevirus ist, in Kühen mutiert und sich an Säugetierzellen anpasst. Damit kann es dann wahrscheinlich auch in Menschen besser wachsen.

    Das ist natürlich eine gefährliche Situation, die man unter Kontrolle bringen muss.

    Das ist natürlich eine gefährliche Situation, die man unter Kontrolle bringen muss. Allerdings hat sich das Virus in Milchkühen bisher nur in den USA ausgebreitet und wenn man den Ausbruch in Kühen stoppt, eliminiert man auch die Gefahr für Menschen. Daran wird gearbeitet und ich hoffe, das gelingt.

    Würden wir es überhaupt bemerken, wenn sich das Virus bereits zur Pandemie entwickelt hat?

    Das würden wir schnell bemerken. Aber wenn es zur Ausbreitung in Menschen kommt beziehungsweise zu Mensch-zu-Mensch-Übertragung, dann kann man das Virus wahrscheinlich nicht mehr aufhalten. Deshalb muss man jetzt handeln und das Problem in Kühen lösen.

    Die 10 tödlichsten Viren der Welt

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      <strong>Platz 10:</strong> Das <strong>Dengue-Fieber (Gelbfieber)</strong> ist das durch Mücken am stärksten verbreitete Virus und infiziert jährlich zwischen 50 und 100 Millionen Menschen in beliebten Urlaubsgebieten wie Thailand und Indien. Symptome sind Fieber, Ausschlag sowie Kopf-, Muskel-, Glieder-, Knochen- und Gelenkschmerzen. Eine speziell gegen das Virus gerichtete Therapie existiert bislang nicht. Auch gibt es keinen Impfstoff. Die Wahrscheinlichkeit einer Dengue-Infektion im Rahmen eines Tropenurlaubs liegt derzeit bei unter 0,2 Prozent. Bei Reisen in Risikogebiete empfehlen sich Vorsorge-Maßnahmen wie ausreichender Schutz vor Mückenstichen.
      Platz 10: Das Dengue-Fieber (Gelbfieber) ist das durch Mücken am stärksten verbreitete Virus und infiziert jährlich zwischen 50 und 100 Millionen Menschen in beliebten Urlaubsgebieten wie Thailand und Indien. Symptome sind Fieber, Ausschlag sowie Kopf-, Muskel-, Glieder-, Knochen- und Gelenkschmerzen. Eine speziell gegen das Virus gerichtete Therapie existiert bislang nicht. Auch gibt es keinen Impfstoff. Die Wahrscheinlichkeit einer Dengue-Infektion im Rahmen eines Tropenurlaubs liegt derzeit bei unter 0,2 Prozent. Bei Reisen in Risikogebiete empfehlen sich Vorsorge-Maßnahmen wie ausreichender Schutz vor Mückenstichen.
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      Wie vorbereitet ist die Welt und vor allem Österreich auf eine solche Pandemie?

      Wir sind besser auf Influenza vorbereitet, als wir auf SARS-CoV-2 vorbereitet waren. Erstens kann man schnell Impfstoffe herstellen, und zwar indem man einfach die Produktion von saisonalen Influenzaimpfstoffen auf H5N1 umstellt. Das sind herkömmliche, inaktivierte Virusimpfstoffe. Zweitens sollten antivirale Medikamente, die wir ja für Influenza haben, auch gegen H5N1 funktionieren. Die Frage ist nur, wie viel davon kann man in kurzer Zeit herstellen. Da würde es sicher schnell knapp werden mit der Versorgung. Trotzdem würde eine H5N1-Pandemie wahrscheinlich sehr viele Menschenleben fordern.

      Was wären die ersten notwendigen Maßnahmen, wenn sich das Virus plötzlich von Mensch zu Mensch ausbreitet?

      Lokal müsste man versuchen, die Übertragung durch Quarantänen einzudämmen. Aber wenn es schon weitflächig Mensch-zu-Mensch-Übertragung gibt, wäre der Ausbruch schwer zu stoppen und es würde wahrscheinlich zur Pandemie kommen. Es hängt dann von der Schwere der Erkrankungen und der Verfügbarkeit von Medikamenten und Impfungen ab, wie man weiter vorgeht.

      Das Problem mit dem Virus ist, dass mehr als 50 Prozent der infizierten Menschen daran sterben.

      Welche Viren bereiten Ihnen derzeit außerdem Sorgen?

      Das Nipah-Virus bereitet mir Sorgen. Das wird in Südostasien von Flughunden auf Menschen übertragen und führt manchmal zu lokalen Ausbrüchen, wo es zur Mensch-zu-Mensch-Übertragung kommt. Das Problem mit dem Virus ist, dass mehr als 50 Prozent der infizierten Menschen daran sterben.

      Auf den Punkt gebracht

      • Florian Krammer, ein renommierter Virologe, warnt vor einer erneuten Pandemie aufgrund der zirkulierenden Viren wie MERS-CoV und H5N1
      • Besonders besorgniserregend sind die H5N1-Ausbrüche bei Kühen, da das Virus mutiert und sich an Säugetierzellen anpasst
      • Die Welt, einschließlich Österreich, ist mittlerweile besser auf eine Pandemie vorbereitet, aber eine H5N1-Pandemie könnte dennoch viele Menschenleben fordern
      • Neben H5N1 bereitet dem Virologen auch das Nipah-Virus Sorgen, da es in Südostasien von Flughunden auf Menschen übertragen wird und eine hohe Sterblichkeitsrate aufweist
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