Wirtschaft
"Entscheidung gefallen": Knalleffekt bei kika/Leiner
Jetzt geht es bei kika/Leiner Schlag auf Schlag: Auf den Schließungs-Knalleffekt folgt der nächste – die neuen Eigentümer wollen Insolvenz anmelden.
Erst letzte Woche wechselte der Möbel-Konzern Inhaber: Rene Benkos Signa verkaufte die Immobilien für kolportierte 500 Millionen Euro an die deutsche Supernova des Unternehmers Frank Albert. Am Dienstag wurde angekündigt, dass 23 der 40 Filialen geschlossen würden, mitsamt Massen-Kündigungen. Am Mittwoch sickerte durch, dass das Anmelden eines Insolvenzverfahrens angedacht wird, eine Entscheidung wurde für nächste Woche erwartet – nun ging es bedeutend schneller.
Angesichts der substantiellen finanziellen Schwierigkeiten des Konzerns – die Verbindlichkeiten belaufen sich auf rund 300 Mio. Euro – folgt auf die Schließungs-Ankündigung nun also das Insolvenzverfahren. "Die Entscheidung ist gefallen", informierte das Unternehmen in einer Presseaussendung. "Nach Prüfung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Unternehmens wird die Restrukturierung des Unternehmens über ein Sanierungsverfahren stattfinden, das kommende Woche angemeldet wird – damit ist die Fortführung des Unternehmens gesichert", hieß es am frühen Mittwochnachmittag.
Pläne werden "unverändert" umgesetzt
Nachdem man kurz zuvor noch alle Optionen prüfen wollte, fanden die Verantwortlichen offenbar im Eiltempo eine Lösung für die Probleme des Unternehmens. Die bisher bekanntgegebenen Maßnahmen, Filialen zu schließen und 1.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kündigen, sollen dennoch "unverändert" wie geplant umgesetzt werden, heißt es weiters.
Auf APA-Anfrage ließ kika/Leiner wissen, dass es wohl ein Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung werde. "Die Kündigungen werden entsprechend den rechtlichen Rahmenbedingungen (Kündigungstermine, -fristen) erfolgen. Ein wesentlicher Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird mit Ende Juli 2023 gekündigt werden", hieß es am Mittwoch von kika/Leiner zur APA. Außerdem sollen "alle geleisteten Anzahlungen und die erworbenen Gutscheine garantiert" werden und weiterhin in allen Kika/Leiner-Filialen eingelöst werden können. Bonuspunkte sollen ebenso erhalten bleiben, bestehende Aufträge wolle man laut Vereinbarung ausführen.
Kritik an Benko wird laut
Arbeitnehmervertreter üben nun Kritik an dem Unternehmer und ehemaligen Eigentümer Rene Benko. "Er hat immer gesagt, wir sind eine Familie. Er ist irgendwie die Vaterfigur. Und wir sind alle in einem Boot", erklärte ein Wiener Leiner-Betriebsrat im "Ö1-Mittagsjournal". Nun habe sich herausgestellt, dass Benko "kein Familienvater" sei. "Das Boot war nicht für kika/Leiner gedacht, sondern für was anderes. Er hat uns einfach im Stich gelassen."
Die Gewerkschaft GPA will die nächsten zwei Wochen nutzen, um gemeinsam mit der Arbeiterkammer in allen 40 Filialen den Beschäftigten persönlich für Beratungen zur Verfügung zu stehen. "Kurz vor der Insolvenz hat Benkos Signa-Gruppe das Unternehmen noch verkauft und das als 'sehr gutes Investment' bezeichnet. Übrig bleibt: Benko verdient, der Steuerzahler muss herhalten", kritisierte die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, Barbara Teiber, in einer Aussendung.
AMS-Chef: "Günstige Zeit, um einen neuen Job zu suchen"
"Es ist immer tragisch, wenn man seinen Job verliert", meinte AMS-Chef Johannes Kopf im "Ö1-Mittagsjournal". Er verweist jedoch auf das Positive: "Es ist aber eine günstige Zeit, um einen neuen Job zu suchen." Vor allem im Handel gebe es tausende offene Stellen. Das AMS stehe aber auch bereit für Qualifizierungsmaßnahmen, etwa im Bereich Pflege, Digitalisierung und Green Jobs, so der AMS-Chef.
In Zusammenarbeit mit Unternehmen aus Handel und Gewerbe wie Obi, Billa, Bipa, Penny, Tedi, Müller, Deichmann, Action und NKD will Kika/Leiner eine Jobplattform einrichten. Somit solle allen vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeitern ein Jobangebot gemacht werden. Die Supermarktketten Spar, Rewe (u. a. Billa) und Lidl unterbreiteten bereits allen gekündigten Kika/Leiner-Mitarbeitern per Aussendung ein Jobangebot. Auch die Post verweist auf offene Stellen.
Gründe für den Fall des Unternehmens
Branchenradar-Chef Andreas Kreutzer sieht mehrere Gründe für den Abwärtstrend beim Möbel-Riesen. Wegen der niedrigeren Filialanzahl sei Kika/Leiner gegenüber XXXLutz und seinen Diskontern Mömax und Möbelix immer schon im Nachteil gewesen. Aufgrund ihres hohen Abnahmevolumens könnten XXXLutz und auch Ikea eine Eigenmarkenstrategie fahren. "Da war und ist kika/Leiner immer im Nachteil", erläutert der Marktforscher gegenüber der APA.
Dieses Problem löst die Filialreduktion von 40 auf 17 demnach keineswegs. In Summe hätten sich die Ausgaben für Möbel und Einrichtung hierzulande "eher mau" entwickelt – die Aussichten für Besserung könnten also rosiger sein. Kreutzer erwartet, dass bei kika/Leiner "nur eine Marke überbleiben wird". Umsatztechnisch prognostiziert er, dass Ikea und XXXLutz "primär" als Gewinner aus der geplanten Filialreduktion des Mitbewerbers aussteigen werden. Mittelständische Möbelhändler würden "eher nicht" davon profitieren.