Sportmix
"Elendig verreckt!" Bergsteiger gehen über Sterbenden
Auf der Jagd nach neuen Bergsteiger-Rekorden rücken Menschenleben schnell in den Hintergrund, wie ein schockierendes Video vom 8000er K2 zeigt.
Als die Norwegerin Kristin Harila innert 92 Tagen alle 8000er der Welt bestieg, wurde sie von der Weltpresse gefeiert. Zu den insgesamt 14 Gipfeln, die sie in den drei Monaten bestiegen hatte, gehört auch der berühmt-berüchtigte K2. Im Basiscamp war zu diesem Zeitpunkt auch der Tiroler Hotelier und Bergsteiger Willhelm Steindl anwesend.
Am 27. Juli drängten sich nebst der Extrembergsteigerin Harila auch diverse andere Bergsteiger am Flaschenhals, einer engen Stelle auf 8200 Metern Höhe. Steindl und sein Begleiter Philip Flämig von Servus TV hatten die Besteigung wegen prekären Verhältnissen bereits aufgegeben und waren auf dem Rückweg.
"Dachte, dass 30 Menschen tot sind"
Dann gehen Lawinen ab. "Ich dachte, dass 30 Menschen tot sind." Glücklicherweise verfehlt die Lawine die Gruppe am Flaschenhals. Kameramann Flämig lässt weit unterhalb der engen Stelle eine Drohne aufsteigen – und macht beim Sichten der Aufnahmen eine schockierende Entdeckung.
Hier das schockierende Video:
Die Drohne hatte nämlich bei Sonnenaufgang einen im Sterben liegenden Mann gefilmt, dessen Oberkörper von einer anderen Person massiert wurde, offenbar, um ihn bei Bewusstsein zu halten. Augenzeugen berichteten später, dass der pakistanische Hochträger Mohammad Hassan nachts um 2.30 Uhr mehrere Meter abgestürzt und danach kopfüber mit nackten Beinen in einem Fixseil gehangen sei, wie der "Standard" schreibt.
Träger hing 45 Minuten lang im Seil
Statt eine umfassende Rettungsaktion zu starten, sei anschließend ein neues Seil eingerichtet worden, damit die Bergsteiger an Hassan vorbeikommen. Laut Steindl sei der pakistanische Träger erst nach 45 Minuten hinaufgezogen worden – ihn ins Tal zu bringen, habe man wohl gar nicht versucht. Basierend auf Gesprächen mit Augenzeugen geht der Tiroler davon aus, dass mindestens 50 Leute an Hassan vorbeigestiegen sind, während dieser noch gelebt hatte. Die anwesenden Bergführer und Sherpas hätten keine Anstalten gemacht, eine Rettung zu organisieren – stattdessen seien einige sogar bereits wieder abgestiegen, während der Pakistaner ums Überleben kämpfte.
"Er ist dort elendig verreckt. Es hätte nur drei, vier Leute gebraucht, um ihn runterzubringen", sagt Steindl. Die Norwegerin sagte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung", dass sie ebenfalls vom Unfall mitbekommen habe. "Als wir am Flaschenhals waren, ist vor uns ein pakistanischer Träger abgestürzt. Nach unserem Abstieg haben wir erfahren, dass er gestorben ist", so Kristin Harila.
Kranke Frau und Kinder vom Arbeitgeber im Stich gelassen
Steindl spricht von einem "aufgeheizten, konkurrenzbeladenen Gipfelrush", der sich an diesem Tag am K2 abgespielt hatte. Menschen würden liegen gelassen, damit Rekorde erzielt werden können – "eine Schande", findet der Hotelier. Bei einem Besuch der Hinterbliebenen geben die Österreicher der an Diabetes leidenden Frau und den drei kleinen Kindern 2500 Dollar, Steindl verspricht zudem, die Ausbildung der Kinder zu bezahlen. Während des Besuchs bei der Familie sollen Kristin Harila und weitere Bergsteiger mit dem Heli über sie weggeflogen sein – bis zu 12.000 Dollar pro Person kostet es, sich auf dem Luftweg vom Basislager ins Tal fliegen zu lassen.
Der Arbeitgeber von Hassan Mohammad weigert sich, eine Entschädigung oder den Lohn des Trägers auszuzahlen – schliesslich habe dieser "seine Arbeit nicht beendet". Auch dass die am Berg anwesenden Sherpas den Pakistani nach seinem Sturz nicht gerettet haben, hat schlussendlich wohl finanzielle Hintergründe: Die Träger aus Pakistan sind oft schlechter ausgebildet und ausgerüstet als ihre nepalesischen Konkurrenten.