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"Elden Ring" im Test: Größer, besser, einfach epischer
Es ist endlich da und noch besser als erwartet: Mit "Elden Ring" erfüllt From Software alle Träume der "Souls"-Fans und liefert ein gigantisches Epos.
Es gibt sie auch, die großen Ausnahmen: Gehen Games nach riesigen Hypes zum Start meist grandios baden, kann "Elden Ring" aus dem Kult-Entwicklerstudio From Software nicht nur die Erwartungen erfüllen, sondern übertrifft sie sogar noch bei weitem. Nicht umsonst wird das Action-Rollenspiel für PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series X|S, Xbox One und PC via Steam mit Rekordbewertungen bedacht. Auf dem Review-Aggregator Metacritic setzte es einen Score aus 97 von 100, ein beeindruckender und jahrelang nicht mehr zu sehender Rekord.
Vor "Elden Ring" in der Games-Bestenliste liegen nur "The Legend of Zelda: Ocarina of Time", "Tony Hawk's Pro Skater 2", "Grand Theft Auto IV" und "SoulCalibur" – es zählt also zu den laut Kritikern besten Spielen aller Zeiten. Beim Spiel haben sich übrigens auch weitere Größen neben From Software zusammengetan, nämlich "Dark Souls"-Schöpfer Hidetaka Miyazaki und Kultautor George R.R. Martin. Gemeinsam erwecken sie ein Spiel-Universum zum Leben, das Gamern rund 120 Spielstunden serviert – pro Durchgang. Wer alles sehen will, muss das Dreifache einberechnen. Mindestens.
Die besten "Souls"-Mechaniken um Neues erweitert
"Elden Ring" will gar nichts Neues, Bahnbrechendes im "Souls"-Vergleich sein und tatsächlich werden Spieler der "Souls"-Games sich sofort heimisch fühlen. Das beginnt schon bei der Handlung, bei der der Spieler wieder mal Hunderte Fragezeichen vor der Nase hat, nur Storyfetzen serviert bekommt und sich aus dem meisten selbst einen Reim machen soll. Grob umrissen und ohne Spoiler: Königin Marika ist aus dem Zwischenland verschwunden, der Eldenring wurde zertrümmert und Chaos macht sich in der Spielwelt breit. Deswegen soll ein neuer Eldenfürst als Ordnungshüter bestimmt werden.
Damit dies geschehen kann, erheben sich die eigentlich toten "Befleckten", so auch der Spieler-Charakter, den man "Souls"-traditionell wieder mit Dutzenden Merkmalen wie Frisur, Bart und Gesicht personalisieren darf. Viel mehr verrät die Story zu Beginn auch nicht, denn sogleich startet man schwach ausgerüstet und fast nackt in der Spielwelt und soll – so ist es Tradition in den From-Software-Games – beim ersten Gegner sterben. Natürlich kann man mit genug Können und Geduld den ersten Boss auch auseinandernehmen, doch man soll sich gleich daran gewöhnen: Gestorben wird massig in "Elden Ring".
Grafisch heller, spielerisch aber absolut düster
Direkt im Anschluss an den ersten Spieltod darf man das Herzstück des Games bewundern, das die größte Neuerung darstellt: Gekämpft wird nun in einer gigantischen, offenen Spielwelt, in der man sich fast frei bewegen und kann und die belebter ist, als es die linearen, schlauchartigen Areale der "Souls"-Reihe jemals waren. Zu Beginn erstreckt sich eine riesige Wiesenlandschaft vor den Augen des Spielers, in der gigantische Bosse ebenso herumstreifen, aber Purzelbaum-schlagende Ziegen Spaß haben, während Folteropfer ihr Leid in die Spielwelt schreien und Soldaten tapfer patrouillieren.
So dunkel manche From-Software-Games waren, so hübsch sieht "Elden Ring" aus. Oft blitzt Sonnenlicht auf die Spielwelt, Blumen und Sträucher wiegen sich im Wind, und im Hintergrund reckt sich ein monumentaler Baum aus Licht in den Himmel. Dennoch, keine Sorge, geht es gnadenlos, brutal und spielerisch absolut düster zu. In Sachen Spielwelt, Umfang und Möglichkeiten ist das neue Action-Rollenspiel gigantischer als alles, was man bisher aus diesem Genre kannte. Erstmals zieht eine Weltkarte ins Spiel ein, mitsamt Schnellreisemöglichkeiten und manuell setzbaren Zielmarkern.
Neue Bewegungsmöglichkeiten, alte Kampftechniken
Gereist werden kann nun neben dem Fußmarsch auch am Rücken eines Geister-Pferdes. Dieses kann auch Gebiete erreichen, die durch Schluchten und Klippen zu Fuß unzugänglich sind, das Tier dient aber auch als ein treuer Begleiter im Kampf. Klassisch geht es indes am Boden zu, bei der Waffen- und Fähigkeiten-Auswahl. Magie, Fernkampfwaffen wie Bögen und Nahkampfwaffen wie Schwerter lösen sich ab, alles fast genau so, wie es der geneigte "Souls"-Fan kennt und liebt. Spannend: Per Schleichmechanik kann man Gegner entweder ganz umgehen oder sie aus dem Hinterhalt überraschen.
Nicht alle Feinde müssen übrigens im Kampf wirklich besiegt werden, sie können teils auch mit Waffen und Fallen betäubt werden. Gar nicht klassisch und bisher in keinem "Souls"-Game im Einsatz ist ein neuer, fließender Tag-Nacht-Wechsel, der nicht nur die Optik der Spielwelt, sondern auch die Inhalte verändert. Er hat Auswirkungen auf die Erkennbarkeit der Spielfigur durch Feinde und öffnet oder sperrt auch verschiedene Areale der Spielwelt. Generell gibt es kein Abarbeiten aller Orte: Der Spieler kann in hohem Maße selbst entscheiden, welche Gebiete und sechs großen Dungeons er absolviert – und wann.
Hinter jeder Ecke wartet eine neue Überraschung
Damit man sich in den Gebieten überhaupt zurechtfindet, geht es schon fast Richtung eines "Far Cry": Anfangs ist die Weltkarte leer und man läuft oder reitet einfach auf versunkene Schlösser, leuchtende Türme oder verfallen Ruinen zu, von denen es Dutzende und monumental beeindruckende in der Spielwelt gibt. Ganz anders als in vorigen Spielen darf man die Welt nun auch vertikal, bis in tiefste Schluchten und auf höchste Berge, erkunden. Ein Absturz bedeutet zudem nicht mehr zwingend den Spieltod, gestorben wird erst bei recht großzügig bemessenen Absturz-Strecken.
Gefundene Fragmente legen schließlich immer mehr Markierungen auf der Weltkarte frei, ein Item-Gewusel wie in anderen Games gibt es allerdings nicht, es bleibt zu jeder Zeit sehr übersichtlich. Schnell hat man auch den Dreh raus, was wo wartet: Bei den Erdenbäumen nimmt uns immer ein Boss in Empfang, Schätze lassen sich in den Ruinen entdecken und fiese Feinde auch in größeren Gruppierungen testen unser Können in verliesartigen Dungeons. Nach und nach stellt sich ein Muster ein, dennoch gleichen sich die Gebiete nie und sorgen immer wieder mit landschaftlichen Schönheiten und Überraschungen.
Das Spiel hat nun auch deutlich mehr zu erzählen
Anders als zuvor sind nun auch Bosse nicht mehr auf ein Mini-Areal beschränkt, sondern durchwandern ebenso wie Standard-Feinde und Soldaten mit ihren Konvois oft recht große Gebiete der offenen Spielwelt. Was im Spielverlauf aber super gefällt: "Elden Ring" erzählt die Handlung nicht nur mehr ausschließlich über gefundene Items und Objekte, sondern auch über mehr NPCs. Fragmentiert bleibt die Geschichte trotzdem, doch nun hat man zumindest etwas den Eindruck, auch einen Teil der Story tatsächlich erzählt zu bekommen und sich nicht immer durch Dutzende Texte lesen zu müssen.
In anderen Bereichen bleibt "Elden Ring" aber ganz der "Souls-Reihe treu. Etwa, wenn uns ein NPC auf einen besonderen Ort aufmerksam macht oder uns zur Hilfe in eine Ruine schickt. Quest-Liste gibt es weiterhin ebenso keine wie automatische Ziel-Markierungen oder Fortschrittsanzeigen. Alles muss selbst gefunden, gelöst und erledigt werden. Allzu sehr stört das nicht, denn die Spielgebiete zum Erkunden sind absolut abwechslungsreich, von der idyllischen Wiesenlandschaft geht es in düstere Wälder, eisdurchzogene Gebiete und unwirtliche Berglandschaften, immer weiter hin zum Erdenbaum in der Mitte.
Bei der Steuerung lässt "Dark Souls III" grüßem
Großartig versteht es "Elden Ring" zudem, für landschaftliche Überraschungen zu sorgen: So locken Türen ohne Zurück in neue, teils bizarr-traumatische Gebiete, aber auch nur ein Gespräch oder das Untersuchen eines Objekts kann dafür sorgen, dass wir aus düsteren Gründen plötzlich in Gebieten sind, in die uns die Hauptgeschichte eigentlich gar nie hingeführt hätte. Wer nicht gerade in Kämpfen steckt, kann Checkpoints aller freigeschalteten Gebiete übrigens ebenso schnell besuchen wie die Tafelrundfeste, unseren neuen "Nexus". Dort sammeln sich auch wieder mehr und mehr NPC-Unterstützer für uns.
Bei der Steuerung ist "Elden Ring" fast eins zu eins "Dark Souls III", nur etwas flüssiger und schneller spielt sich das neue Game. Aufgebessert wurden die nun sehr genauen Hitboxen und auch die Angriffe selbst sind wuchtiger geraten. Zudem kann unser Spieleheld nun auch springen, was nicht nur schicke Fassade ist. Einerseits müssen zahlreiche Attacken der Feinde per Sprung überwunden werden, andererseits können wir nun Feinde auch aus der Luft und mit noch mehr Schaden als vom Boden aus angreifen. Außerdem darf man Pfeile nun auch nach Ausweichrollen und im Springen verschießen.
Super abwechslungsreiche Feinde und Bosse
Erstmals von einer fantastischen Steuerung darf man übrigens sprechen, wenn man im Sattel des eigenen Pferdes Sturmwind sitzt, das sich locker manövrieren lässt, während man Feinde attackiert oder Zaubersprüche loslässt. Aber Achtung: Einerseits besitzt auch das Pferd einen Lebensbalken und andererseits sind vor allem stärkere Feinde und Bosse so designt, dass sie es auf uns als Reiter abgesehen haben. Nach den Anfangs-Gegnern wie Untoten und Soldaten gibt es nun auch weit mehr Abwechslung als bisher mit einer Schar von menschlichen Kämpfern bis hin zu bizarr-verformten Wesen.
Fordernder als zuvor sind auch die Boss-Kämpfe, da die Feinde nun über weit mehr Angriffsmuster und Kombos verfügen, dennoch ist mit Geduld und Scharfsinn das Game ohne Zähneausbeißen zu schaffen. Was wir uns aber auch gewünscht hätten, aber nicht oder kaum passiert ist: Die Inventar- und Skillsysteme wurden kaum übersichtlicher und wirken in dem sonst so schönen "Elden Ring" sogar etwas fehl am Platz, besonders dunklere Spielabschnitte zeigen einen deutlichen Qualitätsverlust bei der Grafik und die Kamera zeigt uns in Gefechten gerne wieder einmal Mauern statt das Geschehen.
"Elden Ring" – größer, besser, einfach epischer
An all diese Problemchen hat sich ein "Souls"-Spieler jedoch über die Jahre längst gewöhnt, ebenso wie daran, dass man selbst herausfinden muss, mit welchen der verschiedenen Attribute man seinen Charakter am besten auflevelt und welche Waffen man nutzt. Daneben wurde aber auch gezaubert, denn nun lassen sich Item-Plätze und manche Skills auch durch Items selbst und nicht durch das Aufleveln von Werten freischalten. Wer will, kann zudem Kämpfe mit bis zu zwei Mitstreitern ausfechten oder gleich weite Passagen des Spiels im Koop angehen. Viel leichter wird es dadurch aber nicht.
Wer "Dark Souls" und "Demon's Souls" liebt, der wird "Elden Ring" vergöttern. Was Action-Rollenspiele betrifft, kann es aber heuer für alle Zocker kaum noch besser werden, denn das Game ist tatsächlich eines der besten aller Zeiten. Neulingen sollte klar sein, dass sie sich auf ein beinhartes und schonungsloses Abenteuer einlassen, das jedoch ebenso belohnt wie fordert. Größer, besser, einfach epischer heißt es so gut wie in allen Bereichen des Spiels – unser allergrößtes Highlight ist aber die düstere offene Fantasywelt, in der man sich als Spieler für Stunden, Tage und Wochen verlieren kann.